#usa2020

profil-Morgenpost: Paddeln, nicht surfen

Donald Trump oder Joe Biden? Bevor wir das wissen, muss noch viel Kaffee getrunken werden.

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Guten Morgen!

Eigentlich hatten Ihre Morgenpostler – die heute in doppelter Besetzung im Dienst sind – gehofft, Ihnen zum Frühstückskaffee (wir waren seit Mitternacht schon mehrmals beim Automaten) bereits einer Antwort auf die wichtigste Frage des Tages und der kommenden vier Jahre servieren zu können: Wer gewinnt die US-Präsidentschaftswahlen?

Jetzt, knapp nach sechs Uhr früh, sind wir aber noch weit davon entfernt. Weder Amtsinhaber Donald Trump noch sein Herausforderer Joe Biden liegen klar in Führung. Wir sind also weit davon entfernt, dass einer der Kandidaten seinen Sieg verkünden oder seine Niederlage eingestehen würde.

Das liegt nicht nur am komplizieren US-Wahlsystem, sondern auch daran, dass sich die überwältigende „Blaue Welle“ – Wahlsiege in vielen Bundesstaaten – auf die viele Demokraten gehofft hatten, nicht aufgebaut.

Im Gegenteil: Einige der Swing States, die Biden (zurück-)gewinnen wollte, bleiben offenbar republikanisch. Florida zum Beispiel: Hätte Biden den Bundesstaaten im Südosten der USA gewonnen, hätte er auf diesem Sieg Richtung Weißes Haus surfen können. So muss er mühsam paddeln, um voranzukommen.

Egal, ob FoxNews (Trumps Haussender) oder CNN (wo die Sympathien mit Biden überwiegen): überall ist von einem äußerst knappen Rennen die Rede – und davon, dass es bislang keine großen Überraschungen gegeben hat. Das kann sich sehr schnell ändern, wenn ein Bundesstaat in die eine oder andere Richtung kippt. Es kann aber auch sein, dass es keine Entscheidung gibt, bis das kleine Pennsylvania im Nordosten der Vereinigten Staaten ausgezählt ist. Und das dürfte nach derzeitigem Stand der Dinge bis Ende der Woche dauern.

Der Ausgang lässt sich umso schwieriger abschätzen, als es in den USA keine verlässlichen Hochrechnungen gibt Wir sind darauf angewiesen, auf Ergebnisse aus einzelnen Bundesstaaten oder sogar Counties zu warten. Das kann die Trends extrem verzerren. Dort, wo viele Wahlkarten abgegeben wurden, und diese zuerst gezählt werden, kann beispielsweise Joe Biden in Führung liegen, weil diese Art der Stimmabgabe vor allem von Demokraten genutzt wird. Der Vorsprung kann aber sehr schnell schmelzen, wenn anschließend die direkt abgegebenen Stimmen abgerechnet werden, die vorwiegend von Republikanern kommen.

 

Klar ist bereits jetzt: Die überwältigende Ablehnung, die Donald Trump in großen Teilen der Welt entgegenschlägt, wird auch nach seiner Amtszeit von großen Teilen der US-Bevölkerung nicht geteilt. Auch heuer lautet ungefähr die Hälfte der abgegebenen Stimmen für Trump. Die Gründe dafür haben wir bereits vor der Wahl in dieser Geschichte analysiert.

 

Die beste, konkrete Nachricht der Wahlnacht lautet vorerst: Es hat, entgegen vielen Befürchtungen, bei bislang keine Ausschreitungen gegeben. Zwar kam es zu kleineren Vorfällen, aber zu keinen großen Störaktionen.

Momentan bleibt uns nur eines: Ihnen einen schönen Tag zu wünschen – und wieder einmal den Kaffeeautomaten zu konsultieren.

Siobhán Geets, Martin Staudinger