DONALD TRUMP: Eine Kreuzung zwischen Richard Lugner und Frank Stronach - nur ein wenig verschlagener und aggressiver als diese.

US-Wahlkampf: Republikaner in der Sinnkrise

In den USA hat der Präsidentschaftswahlkampf begonnen, doch die Republikaner stecken in der Sinnkrise.

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Um dem heimischen Publikum Donald Trump näherzubringen: Der prominente US-Immobilien-Investor und glamouröse TV-Entertainer ist so etwas wie eine Kreuzung zwischen Richard Lugner und Frank Stronach - nur ein wenig verschlagener und aggressiver als diese. Derzeit will ihn die Basis der Grand Old Party (abgekürzt GOP, wie die Republikanische Partei traditionell genannt wird) als Nachfolger Barack Obamas im Weißen Haus sehen. In Umfragen unter GOP-Mitgliedern und -Anhängern lässt Trump alle anderen republikanischen Aspiranten auf das höchste Amt hinter sich. Selbst der von den Medien bisher als klarer Favorit gehandelte Jeb Bush, Bruder von Ex-Präsident George W., liegt hinter Trump. Natürlich ist das nur eine Momentaufnahme. Trump habe in den republikanischen Vorwahlen letztlich keine Chance gegen seine seriöseren Mitbewerber, meint David Frum, der einstige Redenschreiber von Präsident Bush (siehe Interview). Auch bei früheren Primaries hatten Außenseiter zeitweise Oberwasser, um kurz darauf abzustürzen. Trump wird mit einiger Sicherheit nicht mehr als eine kurze Fußnote im Präsidentschaftswahlkampf 2016 bleiben.

Und dennoch: "Manchmal decken die dümmsten politischen Episoden tiefere Wahrheiten auf", schreibt Ryan Lizza in "The New Yorker":"Die Republikaner bleiben in dem Dilemma gefangen, das die Frage der Immigration für sie bedeutet." Trumps Umfrage-Aufschwung begann am 16. Juni mit einer Rede, in der er seine Kandidatur ankündigte. Darin sprach er über die illegal ins Land gekommenen Migranten aus Lateinamerika und beschuldigte die mexikanische Regierung, gezielt Kriminelle, Drogendealer und Vergewaltiger über die Grenze in die USA zu schicken. Auch brächten diese ansteckende Krankheiten mit. Und er attackierte das Washingtoner Establishment, das politisch zu korrekt sei, um diese "harten Tatsachen" offen auszusprechen.

Schmachtlocke mit Unterhaltungswert

Gewiss hat Trump, der Mann mit der beeindruckenden Schmachtlocke, einigen Unterhaltungswert. Aber das allein erklärt nicht seine spektakulären Umfragedaten. Er hat mit seinen xenophob-paranoiden Ansichten einen Nerv getroffen. Sie sind ganz nach dem Geschmack eines Teils der republikanischen Wähler. Und das ist auch der Grund, warum sich kaum einer seiner innerparteilichen Rivalen -selbst die migrantenfreundlichsten - bei den Primaries von dessen Statements distanzierte. Dabei weiß die Führung der Republikaner ganz genau, dass sie nur dann eine Chance hat, einen der ihren ins Weiße Haus zu bringen, wenn sie den Demokraten zumindest einen Teil der Latinos abspenstig macht.

Die Demografie ist das große Problem der Republikaner: Die Weißen werden immer weniger. Und unter den Nicht-Weißen sind die Latinos die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe. Diese aber wählt bisher mit überwältigender Mehrheit die Demokraten.

Die republikanischen Spin-Doktoren selbst rechnen es vor: Geht man von der Zusammensetzung der Wählerschaft im Jahre 2016 aus und nimmt man an, der kommende GOP-Kandidat gewinnt den gleichen Anteil der weißen Stimmen wie Mitt Romney 2012 (59 Prozent), braucht er zumindest 30 Prozent der nicht-weißen Wählerschaft. Nur 17 Prozent gewann Romney, 19 Prozent John McCain vier Jahre davor. Und bei seinem Wahltriumph im Jahr 2004 konnte George W. Bush auch nur 26 Prozent der Minderheiten-Wähler (Latinos, Schwarze, Asiaten) für sich gewinnen.

Werben um Latino-Wähler

Da mag das republikanische Establishment erkannt haben, dass es im Hinblick auf die kommenden Wahlen zielführend wäre, zumindest respektvoll über Einwanderer zu sprechen. Aber was gut für die Partei ist, muss in den Vorwahlen nicht gut für die individuellen Kandidaten sein. Diese werden unter dem Eindruck der Trump-Episode die Parteibasis - allen voran die Anhänger der rechten Tea-Party-Bewegung - wohl mit einer Rhetorik umwerben, welche für die nicht-weißen Wähler eine Provokation bleibt. Wie unter diesen Bedingungen der republikanische Präsidentschaftskandidat, wer immer es auch wird, genug Latino-Wähler gewinnen soll, bleibt ein Rätsel.

Aber auch sonst ist die Bevölkerungsentwicklung für die Republikaner ungünstig: Die Alten, die in den konservativen 1950er-Jahren politisch sozialisiert wurden und mit großer Mehrheit rechts wählen, sterben aus. Die nachkommende Generation der sogenannten "Millennials", der heute 18-bis 29-Jährigen, ist aber um vieles liberaler und linker als alle anderen Altersgruppen - und das in allen Bereichen der Politik.

Säkularisierung im Vormarsch

Nicht nur die Demografie, auch der Zeitgeist arbeitet gegen die Grand Old Party. Am Beispiel der Homo-Ehe wird das deutlich. Konnten sich die Republikaner noch vor zehn Jahren mit ihrem erbitterten Widerstand gegen "Same Sex Marriage" fest im Mainstream fühlen (eine klare Mehrheit von 60 Prozent der Amerikaner war dagegen), so sind sie damit jetzt in einer klaren Minderheitsposition. Die Verhältnisse haben sich umgekehrt: 60 Prozent finden heute, dass die Institution Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet werden soll. Und die Millennials verstehen vielfach gar nicht mehr, was man dagegen haben könnte. Die republikanischen Präsidentschaftsaspiranten bleiben aber ohne Ausnahme dabei: Heiraten dürfen nur ein Mann und eine Frau. Ähnlich massive Einstellungsänderungen zeigen sich auch in anderen Fragen - etwa in jener des Glaubens. Zwar sind die Amerikaner nach wie vor um einiges religiöser als wir Europäer. Doch auch in den USA ist die Säkularisierung in den vergangenen Jahren im Vormarsch. Die Gruppe der "Non Affiliated" (hierzulande würde man "ohne Bekenntnis" sagen) etwa ist in nur sieben Jahren von 16,1 Prozent der Bevölkerung auf 22,8 angewachsen. Die GOP ist aber in ihrem Kern eine christliche Partei. Laut einer aktuellen Umfrage würde eine Mehrheit der Republikaner (54 Prozent) das Christentum sogar gern als amerikanische "Nationalreligion" etabliert sehen. Die US-Gesellschaft liberalisiert sich zunehmend und wird bunter, die Republikanische Partei -vor allem ihre Stammwähler und Mitglieder - aber ist weiter fast durchgängig weiß und noch dazu nach rechts gerutscht. Taucht ein republikanischer Wunderwuzzi auf, dem das schier Unmögliche gelingt, diese gegenläufigen Tendenzen zu überbrücken, dann gäbe es eine kleine Chance, dass kommendes Jahr doch ein Republikaner Obama als Präsident ablöst. Voraussetzung dabei wäre freilich, dass die Jungen und Minderheiten sich en masse der Politik verweigern und nicht wählen gehen oder dass der Kandidat der Demokraten - wahrscheinlicher: die Kandidatin - über einen echten Skandal stolpert. Das ist aber bisher nicht in Sicht.

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Georg Hoffmann-Ostenhof