Riskant. Teuer. Notwendig.

Zentralafrika: Die Militärintervention der EU ist zu begrüßen

Zentralafrika. Die Militärintervention der EU ist zu begrüßen

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Es ist eine Entscheidung, die auch Österreich mitträgt. Diesen Montag beschließen die Außenminister der Europäischen Union im Rat für auswärtige Angelegenheiten einstimmig eine riskante Militärintervention: den Einsatz von EU-Truppen in der Zentralafrikanischen Republik.
Das Land, das zwischen der Sahel-Zone und dem Kongo-Becken liegt, ist in den vergangenen Monaten in einen blutigen Religionskrieg abgeglitten. Muslimische und christliche Milizen kämpfen um die Vorherrschaft über ein Territorium, in dem es seit dem Ende der Kolonialzeit nie einen wirklich funktionierenden Staat gegeben hat. Hunderttausende der knapp fünf Millionen Einwohner sind auf der Flucht innerhalb der Zentralafrikanischen Republik oder haben sich in einem ihrer Nachbarländer in eine trügerische Sicherheit gebracht. Mehr als 1000 Todesopfer sind bereits zu beklagen, Überlebende berichten von Gräueltaten: Eine zehnfache Mutter, die der Fotograf Johan Persson (siehe Bildstrecke) in einem Flüchtlingslager getroffen hat, musste mitansehen, wie zwei ihrer Söhne enthauptet wurden.
Die frühere Kolonialmacht Frankreich, die das Land 1960 in die Unabhängigkeit entließ, danach aber eine Reihe skrupelloser Potentaten – darunter den Schreckensherrscher Kaiser Bokassa – unterstützte, hat bereits 1600 Soldaten in die Hauptstadt Bangui geschickt. Die Afrikanische Union ist mit 3600 Einsatzkräften dort vertreten. Ihnen will die EU nun Truppen in Bataillonsstärke zur Seite stellen, das heißt mit mindestens 1000 Mann. Noch gibt es keinen Beschluss des UN-Sicherheitsrates, der die Mission legitimiert; dass er aber verabschiedet wird, gilt in Diplomatenkreisen als ausgemachte Sache.

Man braucht sich über den Einsatz keine Illusionen zu machen.
Er ist gefährlich: Die Milizen verfügen auch über schwere Waffen bis hin zu Artilleriegeschützen; zwei französische Soldaten wurden bereits getötet.
Er ist teuer: Allein der Transport von Truppen und Nachschub in die abgelegene Region wird hohe Summen kosten.

Und er wird die Zentralafrikanische Republik als Ganzes nicht stabilisieren: Das Land ist mit 622.000 Quadratkilometern größer als die Ukraine. Realistisch scheint also nicht viel mehr als die Sicherung möglichst großer Teile der Hauptstadt, in der offenbar mehr als eine halbe Million Einwohner aus ihren Häusern flüchten musste. Am Bangui M’Poko International Airport campieren derzeit rund 100.000 Kriegsvertriebene, unter katastrophalen Bedingungen, aber zumindest unter militärischem Schutz.

Die Rahmenbedingungen sind also schwierig, die Erfolgsaussichten überschaubar – andererseits: In Fällen wie Liberia und der Elfenbeinküste haben ähnliche Einsätze durchaus Wirkung gezeigt.
Letztlich spricht jedenfalls vieles für die Intervention. Europa wird zwar nicht, um ein Wort des früheren deutschen Verteidigungsministers Peter Struck in Bezug auf Afghanistan abzuwandeln, in Zentralafrika verteidigt.
Die dortige Krise hat aber bereits jetzt mehr als eine Million Flüchtlinge und Vertriebene produziert. Wenn kein Versuch unternommen wird, den Konflikt zu lösen oder zu begrenzen, werden irgendwann tausende von ihnen an der Küste des Mittelmeers stehen und hunderte bei der Überfahrt nach Europa ertrinken. Sich darauf zu beschränken, die Grenzen der EU dicht zu machen, heißt auch: sich daran mitschuldig zu machen. Dasselbe gilt für das Konzept, sich hinter sicheren Drittstaaten zu verschanzen.
Ob Österreich Soldaten für diese oder eine andere Mission in Afrika – etwa in Mali – bereitstellt, ist noch unklar. Vor allem Frankreich drängt darauf, viele im Verteidigungsministerium würden eine Beteiligung ebenfalls begrüßen.

Letztlich wird militärisches Eingreifen aber auch nicht reichen. Um eine generelle Verbesserung der Situation der Region herbeizuführen, braucht es darüber hinausgehende Maßnahmen.
Afrikanische Staaten haben bereits damit begonnen, das selbst in die Hand zu nehmen: Ihr Engagement lässt immer noch zu wünschen übrig, aber das kann sich mit dem wirtschaftlichen Aufschwung, der viele Länder erfasst hat, in absehbarer Zeit ändern. Bis dahin muss Europa mithelfen – wenn schon nicht aus humanitären Überlegungen, dann aus Eigeninteresse. Und wenn beides zusammenkommt, ist es auch kein Schaden.