Influencer

Inhalte perfekt vermitteln

Univ.-Prof. Desirée Schmuck vom Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien beschäftigt sich mit Medienwandel und Medieninnovation. Aktuell forscht sie an der Rolle von Influencer*innen als Meinungsführer*innen.

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Wen bezeichnet man als Influencer*innen?

Desirée Schmuck: Personen, die sich durch Self Branding, also Selbstvermarktung, über soziale Medien einen Namen gemacht und sich so eine Followerschaft aufgebaut haben, werden als Influencer*innen bezeichnet. Auch Prominente, wie Schauspieler*innen, Sportler*innen oder Musiker*innen, nutzen Social Media, um sich an ihre Fans zu richten, aber im Gegensatz zu Influencer*innen waren sie aufgrund ihres Berufs schon vorher bekannt. Das ist der Unterschied.

Wie kam es zu dem Phänomen?

Tatsächlich ist es kein neues Phänomen. Wir sprechen von sogenannten parasozialen Beziehungen. Das bedeutet, dass Follower das Gefühl haben, die Influencer*innen wirklich zu kennen, da diese sie an ihrem Leben teilhaben lassen. Dieses Konzept wurde aber schon in den 1950er-Jahren für TV-Formate entwickelt, wo Fans enge Bindungen zu Celebrities aufbauten. Mit einem Unterschied: Wenn die Sendung vorbei war, blieb den Fans nichts anderes übrig, als auf die nächste Folge zu warten.  Influencer*innen hingegen können die Beziehung zu ihren Followern viel mehr füttern, sie können auf Kommentare reagieren, Follower aktiv einbeziehen oder auf Chats live antworten. Sie bauen zu ihrer Community eine starke Beziehung auf, auch weil sie von ihr abhängig sind. Die Bedingungen dafür hat Web 2.0 geschaffen: Dadurch war es erstmals möglich, nicht nur Inhalte passiv zu empfangen, sondern sie auch aktiv zu gestalten. Jeder kann zu einem Content Creator werden und seine Themen unter einem potenziell breiten Publikum verbreiten. 

Desirée Schmuck

Univ.-Prof. Desirée Schmuck

Gibt es Untersuchungen, wie groß der Einfluss von Influencer*innen tatsächlich ist?

Das ist eine Frage, die die Wissenschaft sehr beschäftigt. Erste Metaanalysen zeigen, dass Makro-Influencer*innen, also Personen, die Millionen von Followern haben, einflussreicher als klassische Celebrities sind, während Nano-Influencer*innen mit ein paar Hundert Followern nur geringen Einfluss haben. Ein Sweet Spot zeigt sich für die sogenannten Mikro-Influencer*innen, die ein paar Zehntausend bis Hunderttausend Follower vorweisen: Sie schaffen den Spagat, ein*e Meinungsführer*in zu sein und trotzdem ihren Fans das Gefühl zu vermitteln, ein normaler Mensch zu sein, der auch weiß, was das Publikum beschäftigt.

Sie haben das Wort Meinungsführerschaft erwähnt. Woher kommt die Glaubwürdigkeit von Influencer*innen?

Als Meinungsführer*innen bezeichnet man gut vernetzte Menschen, die bestimmte Werte vertreten, über ein Thema sprechen, zu dem sie sich viele Informationen erarbeitet haben und dadurch auch Wissen zeigen. Das trifft auf Influencer*innen natürlich zu. Sie beschäftigen sich mit einem Thema – führend sind Lifestylecontent, Gaming und Unterhaltung. Wir sehen aber in den letzten Jahren, dass Influencer*innen zunehmend über politische und gesellschaftliche Themen sprechen.

Inwiefern?

Sie betten es in ihre Themen ein, indem sie etwa dazu aufrufen, zur Wahl zu gehen. Mit der Meinungsführerschaft gehen dabei drei Punkte Themen einher, die Influencer*innen sehr gut machen: Das ist Komplexitätsreduktion – sie stellen Sachverhalte vereinfacht so dar, dass die Follower erkennen, welchen Einfluss es auf ihr Leben hat. Zweitens wecken sie Interesse für neue Themen und drittens bieten sie jungen Menschen Orientierung, indem sie zeigen, was relevant ist. Das können klassische Medien so nicht, deshalb werden Influencer*innen für junge Menschen immer wichtiger als Nachrichtenquelle. Während dies natürlich gewisse Risiken wie Fehlinformation birgt, würde ich es auch als Chance sehen, weil es eine Möglichkeit ist, viele verschiedene Positionen in einer Gesellschaft zu zeigen und Pluralität zu schaffen.