Die Bundesliga im Meisterschafts-Finale: Aufregend, aber naja
Die heimische Fußball-Bundesliga ist so spannend wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr. Ein Zeichen für ihre Stärke ist das aber nicht. Im Gegenteil.
Drei Runden noch. Und niemand kann sagen, wer am Ende vorn stehen wird. Über ein Jahrzehnt lang war die österreichische Bundesliga eine langweilige Angelegenheit. Es ging bloß darum, ob die Salzburger Bullen fünf oder zehn Runden vor Schluss über die Ziellinie trampelten.
Heuer erleben Fans und Fernsehanstalten dagegen, was sie lange herbeigesehnt hatten: einen Thriller, wohl bis zum letzten Spieltag – und das mit gleich vier Teams. Sturm Graz, Austria Wien, Wolfsberg und RB Salzburg liegen nur vier Punkte voneinander getrennt. Und der Spitzenreiter wechselt von Runde zu Runde.
Dabei schien die Bullen-Dominanz ewig zu währen. Nun wirkt es, als wäre die Liga von einem Alptraum befreit. Es gibt aber ein Problem: Die Spannung ist zwar unterhaltsam, aber sie ist auch ein Indiz dafür, dass die österreichische Liga international an Terrain verliert.
Heuer erleben Fans und Fernsehanstalten in der Bundesliga, was sie lange herbeigesehnt hatten: einen Thriller, wohl bis zum letzten Spieltag – und das mit gleich vier Teams. Es gibt dabei aber ein Problem.
Die Dominanz der Salzburger hatte nämlich auch etwas Gutes. Der Klub war nicht nur stark, sondern auch innovativ, mit seinem wilden Angriffsfußball und den wenig bekannten, aber ausgefuchsten Trainern. Die Bullen sorgten in Europa für Aufsehen, besiegten Kaliber aus Spanien, Italien und Deutschland, zogen ins Halbfinale der Europa League ein und ins Achtelfinale der Champions League. Liverpool, Bayern und Dortmund bedienten sich im Bullen-Stall. Auch in Österreich nahmen Konkurrenzklubs Anleihen. Etwa der LASK, der das Modell – junge, schnelle Kicker und bedingungslose Offensive – mit kleinerem Budget kopierte und plötzlich in Europa ähnlich groß aufspielte. Österreichs Klubs traten mutig und innovativ wie nie zuvor auf. Im UEFA-Ranking der Länder lag Österreich plötzlich in den Top 10, zeitweise gar auf dem achten Platz, gleich hinter den Besten Europas.
Nun aber wendet sich das Blatt. Und das hat auch mit der Ausgeglichenheit der Liga zu tun.
Seit ein paar Jahren schwächelt Krösus RB Salzburg. Auch, weil inzwischen ein Gegenmittel gefunden wurde, um dessen überfallsartigen Fußball abzuwehren. Es bräuchte neue Ideen. Doch die findet der Klub nicht recht. Lange stand Salzburg dafür, junge Rohdiamanten zu scouten, deren Physis für ein kraftraubendes Rambazamba-Spiel zu nützen und sie nach getaner Arbeit um viel Geld zu verkaufen. Nun sieht man im jahrelang so erfolgreichen Jugendwahn das Hauptproblem und versucht krampfhaft, dem Kader Routine zuzuführen. Spieler Ende 20 und Mitte 30 wurden verpflichtet. Salzburg spielt seitdem zwar etwas beständiger, aber so wenig innovativ wie in der Anfangszeit, als niemand wusste, wofür der Red-Bull-Klub denn eigentlich stehen sollte, außer für viel Geld und alternde Stars.
Schwächelnde Titelkandidaten
Salzburg ist aufgrund der Punkteteilung in der Liga zwar im Titelrennen dabei, aber holprig. Zuletzt setzte es Pleiten gegen Wolfsberg und Sturm Graz. Jeder kann wieder jeden schlagen, aber niemand ist bärenstark.
Denn die anderen Titelkandidaten schwächeln ebenfalls. Die Wiener Austria, zuletzt gar Tabellenführer, spielt brav und diszipliniert, was beachtlich ist für einen Klub, der fast insolvent geworden wäre, hätte sich die Stadt nicht erbarmt und das Stadion gekauft und hätte die Bank Austria nicht auf die Hälfte der Schulden verzichtet. Die Austria ist auf Titelkurs, selbst wenn drei der letzten fünf Spiele verloren gingen. Die zwei Siege gelangen gegen Sturm Graz, den amtierenden Meister, der nach dem Verlust von Trainer, Sportchef und dem besten Stürmer zwar in der Poleposition steht, aber geschwächt wirkt.
Jeder kann wieder jeden schlagen, aber niemand ist bärenstark.
Zwei Klubs, die um den Titel mitreden wollten, sind überhaupt abgestürzt: der LASK und Rapid. Lange hielten sich die Linzer an ihre Erfolgsmatrix: offensiver Fußball und dazu passende Spieler und Trainer. Dann verlor man die Linie. Unterschiedlichste Trainertypen wurden verpflichtet: ein Offensiver, ein Defensiver. Der 35-jährige Ex-Weltmeister Jérôme Boateng wechselte trotz eines Verfahrens wegen häuslicher Gewalt nach Linz. Sensationsgier statt Strukturiertheit. Der Absturz folgte. Die letzten Trainer wurden nach wenigen Monaten entlassen, und in Europa setzte es Pleiten gegen Underdogs wie Ljubljana und Banja Luka.
Renaissance der Dorfklubs
Auch Rapid hatte große Ziele. Der Traditionsverein wollte endlich die jahrzehntelang gepflegte Freunderlwirtschaft ablegen, wonach nur Ex-Rapid-Spieler in der Trainer-Thronfolge stehen. Der Deutsche Robert Klauß, einst bei Erzfeind Red Bull aktiv, wurde verpflichtet. Erst sah alles nach einem erstarkten Rapid aus, dann aber wurden Unstimmigkeiten zwischen Stars und Coach in der Kabine laut. Rapid stürzte sportlich ab und entließ den Deutschen. Sein Ersatz: Stefan Kulovits, ein echtes Rapid-Urgestein. Doch auch der weiß nicht recht weiter. Zuletzt unterlag Rapid dem Wolfsberger AC.
Lange war die Meisterschaft als provinziell verschrien, eben wegen Teams wie Hartberg oder Wolfsberg, die auf Dorfplätzen spielen und von der Liga nicht gern gesehen sind. Nun erleben sie eine neue Blüte.
Wolfsberg wiederum ist nun gar Titelkandidat. Und die Liga erlebt ein Déjà-vu. Lange war die Meisterschaft als provinziell verschrien, eben wegen Teams wie Hartberg oder Wolfsberg, die auf Dorfplätzen spielen und von der Liga nicht gern gesehen sind. Nun erleben sie eine neue Blüte. Wolfsberg liegt aktuell nur drei Punkte hinter Spitzenreiter Sturm Graz. Anfang Mai gewannen die Kärntner den ÖFB-Cup – gegen Hartberg. In den zehn Jahren davor, der Zeit des Aufschwungs des österreichischen Fußballs, triumphierten immer die Großklubs Salzburg oder Sturm Graz.
Das heurige Endspiel war aus fußballerischer Sicht ein Trauerspiel. Ein müdes 1:0. Auch die Siegesfeier hatte Unterliga-Charme. Trainer Didi Kühbauer wurde von seinen Spielern zur obligaten Bierdusche gezwungen – und wehrte sich darauf vor laufenden Kameras mit zackigen Arschtritten. Wenige Tage nach dem Triumph gelang den Wolfsbergern trotz feuchtfröhlicher Feierlichkeiten ein Sieg bei Rapid. Kühbauer hielt stolz fest: „Sie haben, glaube ich, den Restalkohol rausgeschwitzt.“
In Europa verliert Österreichs Liga an Terrain. Die fünf heimischen Klubs in internationalen Bewerben landeten heuer bloß auf dem 16. Rang im Ligen-Vergleich. In der UEFA-Fünfjahreswertung, nach der die begehrten Europacup-Startplätze vergeben werden, folgte der Absturz auf Platz 13. Das schlechteste Ergebnis seit Jahren. Rapid erreichte heuer zwar das Viertelfinale in der dritten europäischen Leistungsstufe, der Conference League – ansonsten aber dominierten Flops. Österreich verliert nun den Fixplatz für die Champions League und steht künftig höheren Hürden gegenüber, um überhaupt die geldbringenden Gruppenphasen zu erreichen.
Die Liga tröstet sich mit dem packenden Finish. Bullen oder Wölfe? Alles ist möglich! Es sind Festspiele für TV-Sender und Fans. Man mag die Stimmung nicht verderben. Aber nüchtern betrachtet sorgt nicht die Stärke der Klubs für Spannung, sondern deren Schwäche.