Wie sich der Klimawandel auf die Gesundheit auswirkt
Lange wurde die Erderwärmung vor allem als ökologische Krise und ökonomische Herausforderung gesehen. Inzwischen setzt sich aber nicht nur bei Expert:innen die Erkenntnis durch, dass der Klimawandel auch gravierende Folgen für die Gesundheit hat – direkt wie indirekt (siehe Grafik). Denn er bedroht die wesentlichsten Fundamente eines gesunden Lebens, etwa Luft- und Trinkwasserqualität oder die Nahrungsmittelversorgung.
Insbesondere Extrem(wetter)ereignisse wie Flutkatastrophen, Waldbrände, Dürren, Stürme oder Hitzewellen, die Todesopfer fordern, sorgen für Schlagzeilen und breite Aufmerksamkeit. Und ja, ihre Auswirkungen sind dramatisch. Mehr als 47.000 hitzebezogene Sterbefälle hat es zum Beispiel laut Berechnungen des Institute for Global Health allein in Europa im Sommer 2023 gegeben. In Österreich waren 486 Hitzetote zu beklagen.
Auch die Zunahme von Allergien und Krankheiten, die mit dem Klimawandel zusammenhängen, lässt sich kaum ignorieren – zumal sie viele am eigenen Leib spüren. Der globale Temperaturanstieg macht selbst hart erkämpfte Fortschritte der öffentlichen Gesundheit zunichte. War zum Beispiel die Zahl der Malaria-Todesfälle dank Insektiziden und der Verteilung von Moskitonetzen noch bis vor kurzem rückläufig, steigt sie jetzt wieder an. Der Klimawandel hat die Gebiete vergrößert, in denen sich die übertragenden Stechmücken vermehren können.
Sie lösen nicht den gleichen Alarm aus, in ihrer Allgegenwärtigkeit können sie aber noch viel schädlicher sein.
Subtile Gefahren
„Was viele jedoch noch nicht auf dem Schirm haben, sind die subtileren ,Verbrennungen‘, die der Klimawandel für die Gesundheit mitbringt. Sie lösen nicht den gleichen Alarm aus, in ihrer Allgegenwärtigkeit können sie aber noch viel schädlicher sein“, warnt Robert Jisung Park, Umwelt- und Arbeitsökonom an der Universität von Pennsylvania und Autor von „Slow Burn: The Hidden Costs of a Warming World“. Schon die folgenden drei Beispiele verdeutlichen das:
Mehr (Arbeits-)Unfälle
Die Forschung zeigt eine Zusammenhang zwischen Temperatur und kognitiver Leistung auf. Heißere Tage führen zu deutlich mehr Fehlern und damit Unfällen. „In einigen stark exponierten Branchen – etwa dem Baugewerbe – kann ein Tag mit Temperaturen um die 30 Grad das Verletzungsrisiko im Vergleich zu einem Tag mit Temperaturen um die 15 Grad um über 65 Prozent erhöhen“, berichtet Park. „Und im Straßenverkehr kommt es zu 15 Prozent mehr Zwischenfällen mit Personenschaden.“
Höhere Gewaltbereitschaft
Park konnte auch aufzeigen, dass Hitze zu mehr Kriminalität und Gewalttaten führt. Hitzewellen korrespondieren zudem mit erhöhter Reizbarkeit und einer häufigeren Verwendung von Hate-Speech in den sozialen Medien. „Die Auswirkungen auf die körperliche und mentale Gesundheit sind beträchtlich.“
Steigendes Frühgeburtenrisiko
„Studien zeigen, dass bereits eine leichte Temperaturerhöhung die Entwicklung des Fötus beeinflussen und Schwangerschaftskomplikationen hervorrufen kann“, sagt Park. So werden etwa Frühgeburten mit Hitze in Verbindung gebracht, die lebenslange gesundheitliche Folgen für die betroffenen Kinder haben können.
Globaler Gesundheitsnotstand?
Ob die Folgen der Erderwärmung auf die Gesundheit nun deutlich sichtbar oder subtil sind: Klimaschutz ist Gesundheitsprävention. Wissenschaftler:innen haben die Weltgesundheitsorganisation in einem in 200 Fachjournalen veröffentlichten Aufruf 2023 dazu aufgefordert, die Klimakrise – wie zuvor die Corona-Pandemie – als globalen Gesundheitsnotstand einzustufen. Damit wären die Mitgliedsländer aufgefordert, Informationen auszutauschen und alles zu tun, um das Problem in den Griff zu bekommen.
Es wäre die höchste Alarmstufe, die die WHO verhängen kann. Doch dafür sieht man die Voraussetzungen nicht erfüllt. Die Klimakrise sei eine chronische Krise, die schon seit Jahrzehnten stattfinde, teilte ein WHO-Sprecher mit. Sie verlange langfristige Interventionen. Dafür sei eine solche PHEIC-Deklaration nicht gedacht.
Immerhin: Bereits 2019 hat die WHO das Pariser Übereinkommen als wichtigste Public-Health-Maßnahme des 21. Jahrhunderts anerkannt. 2021 wurde der Klimawandel zur größten Gesundheitsbedrohung erklärt. Und Ende 2023 gab es auf dem jährlichen Weltklimagipfel (COP) zum ersten Mal auch einen Gesundheitstag, an dem sich die Länder zu Anpassungsstrategien austauschen konnten. Ein Ziel: die Gesundheitssysteme klimaresilient zu machen.
Derzeit entfallen laut WHO jedoch nur 0,5 Prozent der globalen Klimafinanzierung auf den Gesundheitssektor. Ohne erhebliche Mittelaufstockung wird die Zahl der Kranken und Todesopfer, die auf das Konto des Klimawandels gehen, weiter steigen. Bis zum Jahr 2050 könnte er laut einer heuer in Davos vorgelegten Studie des Weltwirtschaftsforums global bis zu 14,5 Millionen Todesfälle verursachen. Auf die Gesundheitssysteme kommen zusätzliche Kosten in Höhe von 1,1 Billionen US-Dollar zu.
Text: Daniela Schuster