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Altersdiskriminierung: Zu jung für die Pension, zu alt für den Job?

Trotz des Arbeits-und Fachkräftemangels und den Vorteilen generationendiverser Teams ist Altersdiskriminierung im Bewerbungsprozess stark verbreitet. Unternehmen müssen ihr Recruiting überdenken. Aber auch Jobsuchende sollten neue Wege einschlagen.

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500 Euro Schadenersatz. So viel bekam ein 60-jähriger IT-Techniker zugesprochen, dessen Bewerbung abgelehnt worden war, weil man mit Jüngeren neu starten wollte. Nur einer von vielen "Fällen des Monats", die man auf der Website der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) nachlesen kann. In Österreich verbietet das Gleichbehandlungsgesetz zwar Diskriminierung aufgrund des Alters-auch schon bei der Jobanbahnung. Aus dem "Gleichbehandlungsbericht für die Privatwirtschaft 2020 und 2021" geht jedoch hervor, dass die GAW allein in diesem Zeitraum 397 mal zum Diskriminierungsgrund Alter informiert und beraten hat-auch rund um Bewerbungsprozesse.

Und es ist wohl nur die sichtbare Spitze eines riesigen Dunkelziffer-Eisbergs. So gab in Umfragen von karriere.at und hokify jede:r Dritte an, schon einmal von Diskriminierung bei der Jobsuche betroffen gewesen zu sein. Sexismus und Rassismus lagen dabei noch hinter Altersdiskriminierung, von der 18% (karriere.at) bzw. 22% (hokify) der Befragten berichteten. Auch eine im Sommer von SORA für das AMS Österreich durchgeführte Studie zu Recruitingprozessen im Lebensmitteleinzelhandel und in der Elektroinstallationsbranche stellte bei 12% der Bewerbungen Ungleichbehandlung aufgrund des Alters fest: Ältere wurden seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Wissenschaftler der Uni Gent haben sogar nachgewiesen, dass die Chance für eine Einladung um 48% sank, wenn Bewerber:innen älter als 50 waren. Die Rückrufquote begann bereits ab Anfang 40 signifikant abzunehmen. Laut Senior Quality, einer Jobplattform für die Generation 45plus, erhalten 45% der Senior Experts nicht einmal eine Rückmeldung auf ihre Bewerbung.

Zu teuer, zu unflexibel, zu krankheitsanfällig, zu wenig produktiv und lernbereit, keine Ahnung von moderner Technik und sowieso bald in Pension: Die Vorurteile der Personaler gegenüber Älteren sind, obwohl oft unberechtigt, vielfältig und bekannt. Und sie werden eher hingenommen als andere Formen der Ausgrenzung, wie eine Forschungsarbeit der Stanford Graduate School of Business zeigt. "Anders als bei Rasse und Geschlecht glauben wir oft, dass ältere Menschen bereits ihre Erfolge und Chancen hatten und zurücktreten sollten, damit Jüngere aufsteigen können. Das legitimiert altersbedingte Voreingenommenheit und erlaubt es sogar, sich wohl dabei zu fühlen",so Ashley Martin, Leiterin der Untersuchung.

Nach wie vor finden daher die Altersgrenzen in den Köpfen ungeniert und unreflektiert auch Eingang in Stellenanzeigen. Ein Whitepaper der Karriereplattform Indeed zeigt, dass 43% der befragten HRler in Ausschreibungen den Begriff "jung" verwenden, immer oder zumindest teilweise. Mit dem Effekt, dass 63% der älteren Bewerber angaben, sich nicht angesprochen zu fühlen.

Vielleicht hat das Methode. "Möglicherweise passieren manche Ungleichbehandlungen aber auch unbewusst. Um den Personalmangel zu lindern, ist man gut beraten, auch die eigenen Rekrutierungsprozesse zu reflektieren", sagt AMS-Vorstand Johannes Kopf. Das AMS warb deshalb in seiner Herbstkampagne 2023 für mehr Offenheit bei der Personalsuche hinsichtlich älterer Bewerber:innen und Langzeitarbeitsloser. Die Awareness-Botschaft an die Unternehmen: "Aufmachen statt zumachen".

Um die Arbeitswelt so inklusiv wie möglich zu gestalten, "sind Arbeitgeber gefordert, Vorurteilen und Stereotypen aktiv entgegenzuwirken", betont auch Michaela Foißner-Riegler, Chief People Officer bei karriere.at. "Beispiele hierfür sind Maßnahmen im Bereich Bewusstseinsbildung, anonymisierte und standardisierte Bewerbungsverfahren oder das Vier-Augen-Prinzip beim Sichten von Bewerbungen."

Es lohnt sich. Denn ein Gewinn fürs Unternehmen ist Diversität jedenfalls. Nicht nur Zukunftsforscher Franz Kühmayer betont in seinen Leadership Reports regelmäßig, dass sich gerade an der Kategorie Alter festmachen lässt, wie entscheidend gemischte Teams sind. Sie bringen verschiedene Sichtweisen zusammen, um Kunden-und Marktpotenziale zu erkennen, und bereichern die Produktentwicklung. Für seine jährlich Tausenden angemeldeten Patente führt etwa Bosch sein Seniorenexperten-Programm als wichtigen Erfolgsbaustein an.

Bevor Altersdiversität in der Breite zum zentralen Thema wird, ist es jedoch auch an der Generation 45plus selbst, mit ihrer Bewerbung nicht gleich auf dem Nein-Stapel zu landen. Sie muss bereit (gewesen) sein, das alte Eisen rostfrei zu halten. Durch Weiterbildung, nicht durch unlauteres Frisieren des Lebenslaufs. Erlaubt wäre natürlich, das Geburtsdatum wegzulassen und/oder das Foto, um Ageism schon im Keim zu ersticken. Im Gegensatz zum englischsprachigen Raum und Skandinavien ist das hierzulande aber (noch) nicht üblich.

Doch es gibt andere legale Strategien, die raus aus der Altersfalle und rein ins Unternehmen führen. Inzwischen haben sich neben AMS und Co. auch zahlreiche Karrieremanager, Bewerbungscoaches und sogenannte Xing-Insider wie Michael H. Hahl gezielt den Schwierigkeiten der Best Agers bei der Stellensuche angenommen. Ihre Tipps teilen sie nicht nur in bezahlten Trainings, sondern auch kostenlos in ihren Blogs und Social-Media-Profilen. Sie reichen von der Nutzung des eigenen Netzwerks, das Personaler auf die eingelangte Bewerbung hinweisen könnte, bis hin zum Rat, sich eher bei öffentlichen Institutionen zu bewerben als bei Konzernen oder in den trendigen Branchen der "Berufsjugendlichen".

So vielfältig die Ratschläge sind, so einhellig ist ihr Tenor: "Verstecken Sie nicht Ihr Alter, betonen Sie Ihre Erfahrung."Statt also nur die "Hallo, ich bin alt"-quietschende yahoo-oder hotmail-Adresse auszutauschen, eine angesagten Schrift für den Lebenslauf zu verwenden oder sich nur mehr digital zu bewerben und dabei Skills und Stationen an die Ausschreibung und das Vokabular der neuen Arbeitswelt anzupassen, bedeutet dies vor allem: Bewerbung und Gespräche auf Basis der eigenen Karriere-Highlights zu gestalten-von Schwerpunkten und Auszeichnungen bis hin zu Ehrenämtern. "So",davon ist Michael H. Hahl überzeugt, "werden Sie zu einem interessanten und fürs Unternehmen wertvollen Kandidaten."

Bewerben mit 45plus

Es muss nicht immer die klassische Bewerbung sein, ob analog oder digital. Karriereberaterin Svenja Hofert und Michael H. Hahl, Xing-Insider für Bewerber:innen der Generation 45+, zeigen drei alternative Wege auf.

1. Bearbeiten Sie den "verdeckten Stellenmarkt" 

Der größte Stellenmarkt ist der so genannte "verdeckte Stellenmarkt",also Positionen, die frei, aber nicht ausgeschrieben sind, sagt Hahl. 75% aller zu vergebenden Jobs fallen darunter. Dieser riesige Markt sollte ab sofort Ihr Zielmarkt werden. Das Gute daran: Er wird nur von fünf Prozent aller Bewerber:innen aktiv bearbeitet. Wo sich die Stellen "verstecken", weiß das eigene Netzwerk oder man probiert es initiativ (s. Punkt 2).


2. Ergreifen Sie die Initiative 

"Der neue Leitsatz lautet: Ich bewerbe mich nicht, um ein Gespräch zu erhalten, sondern ich führe ein Gespräch, um mich zu bewerben",so Hahl. Recherchieren Sie, wo Sie gerne arbeiten würden, warum und was Sie für das Untenehmen wertvoll macht. Schreiben Sie dann die verantwortlichen Person an-via XING, LinkedIn oder E-Mail-und vereinbaren Sie ein Kennenlernen. Oft erfährt man im Gespräch schon, wer und was gesucht wird. Falls nicht, bewerben Sie sich initiativ.


3. Bewerben Sie sich nicht 

Bewerben ohne Bewerbung? Karriereberaterin Svenja Hofert erklärt in ihrem gleichnamigen Buch sieben solcher BoB-Strategien. Dazu gehört etwa, sich finden zu lassen-ob vom Headhunter, Personaler oder einer KI. Dafür braucht es jedoch Sichtbarkeit, etwa durch einen Blog oder aktiv gepflegte Profile bei Xing und LinkedIn, die die eigene Expertise zeigen. Alternative: "Schalten Sie doch ein eigenes, Ich suche'-Inserat",rät Expertin Hofert.
 

Von Daniela Schuster