Fibich: "Ich nehme jede Frage ernst, die mir ein Kind stellt."

Bernhard Fibich: „Fernsehen für Kinder ist Gift“

Bernhard Fibich spielt seit 25 Jahren regelmäßig „Mitmachkonzerte“ für Kinder. Profil hat sich mit dem „Kinderliedermacher“ über Fantasie, das innere Kind und erdige Rockmusik unterhalten.

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profil: Wie fanden Sie Zugang zur Musik? Bernhard Fibich: Mein Vater, Heinz Fibich, war Jazz- und Unterhaltungsmusiker. Ich habe schon als Jugendlicher und später neben meinem Studium in seinem Trio mitgespielt. In den 1980er Jahren war ich als AHS-Lehrer für Deutsch tätig und habe, wie viele Lehrer, nebenbei Musik gemacht.

profil: Woher die Motivation Kinderlieder zu schreiben? Fibich: Musik für Kinder zu machen war komplett ungeplant. Im Jahr 1991 habe ich begonnen für meine eigenen Kinder ein paar Lieder zu schreiben. Das war unter anderem "Muff, der kleine Teddybär". Ich wollte eine Abwechslung zu den CDs aus Deutschland schaffen, die wir zu Hause hatten. Nach meinen ersten Konzerten war klar, dass ich das weiterhin mache. Ich habe dann relativ schnell aufgehört zu unterrichten. Heute kann ich mir nicht mehr vorstellen je etwas anderes als „Kinderliedermacher“ zu sein.

Ich bekomme irrsinnig viel positive Emotion zurück.

profil: Wie erleben Sie Ihre Konzerte von der Bühne aus? Fibich: Die Konzerte haben eine ganz eigene Dynamik. Einerseits geht es um die Kinder, die auf die Bühne kommen können und vor die Gruppe treten. Dadurch haben sie die Möglichkeit etwas vorzuzeigen und vorzusingen. Andererseits freuen sich die Eltern natürlich, wenn sie ihr Kind in dieser besonderen Situation erleben. Durch die Freude der Eltern habe ich noch mehr Rückmeldung vom Saal. Ich bin in diesem Fall der Katalysator, der das Geschehen im Rahmen hält.

profil: Inwiefern hilft Ihnen Ihre Ausbildung? Fibich: Dadurch, dass ich sechs Jahre lang unterrichtet habe, und selbst Vater bin, habe ich mich bei den Konzerten nicht vor die Kinder gestellt und mir gedacht „Huch, was ist das für ein merkwürdiges Publikum?“ Zusätzlich komme ich aus einer Musikerfamilie. Insofern konnte ich meine Fähigkeiten und Erfahrungen sehr gut einsetzen.

profil: Wodurch unterscheidet sich ein kindliches Publikum von einem erwachsenen? Fibich: Kinder sind ein tolles Publikum, weil sie so positiv sind. Es ist natürlich eine große Herausforderung, weil ich die Kinder dazu kriegen muss aus sich herauszugehen. Dabei trage ich natürlich auch eine große Verantwortung. Gleichzeitig bekomme ich irrsinnig viel positive Emotion zurück. Ich habe das Gefühl, dass es den Kindern wirklich etwas bringt, wenn sie in meinem Konzert sind.

profil: Ihre Konzerte sind „Mitmachkonzerte“ für Kinder. Was macht so ein Konzert aus? Fibich: Meine Lieder singe ich nie einfach nur vor. Ich verbinde sie immer mit einer gruppenfähigen Aktion, die jedem Kind die Möglichkeit gibt einzusteigen. Dabei ist wichtig, dass die Kinder auch auf der Bühne gut aufgehoben sind. Die Umsetzung der Lieder sollte kinder- und wohnzimmertauglich sein. Wenn zum Beispiel, wie in "Muff der kleine Teddybär", ein Kind seinen Teddy verliert, dann muss der natürlich sofort wieder gefunden werden.

profil: Wie vermitteln Sie den Kindern, die auf die Bühne kommen, ein Gefühl von Sicherheit? Fibich: Es ist eine große Verantwortung Kinder zu sich auf die Bühne zu holen. Ich denke mich sehr stark in meine eigene Vaterrolle hinein. Ich muss die Kinder ja beschützen. Einerseits muss ich aufpassen, dass sie von der Bühne nicht hinunterfallen, andererseits, dass ihnen auch emotional nichts passiert.

profil: Wie machen Sie das? Fibich: Ich halte immer Augenkontakt und versuche abzuschätzen, wie die Kinder reagieren werden. Wenn sie emotional überfordert sind oder zum Beispiel Angst haben, muss ich sofort eingreifen. Der Großteil der Arbeit auf der Bühne besteht darin die Kinder zu beobachten, und sicher zu stellen, dass es für sie ein schönes Erlebnis wird.

Fernsehen für Kinder ist sehr kritisch zu sehen.

profil: Woher nehmen Sie die Ideen für Ihre Liedtexte? Fibich: Ich habe Geschichten aus meinem Familienalltag zu Liedern gemacht. Andere schreiben Bücher, ich mache Musik.

profil: Im Laufe des Erwachsenwerdens verlieren die Menschen oft ihre Fantasie. Woran liegt das? Fibich: Das hat sicherlich viele Gründe. Kinder sind einem Bombardement von Medien, Werbung und Computerspielen ausgesetzt. Das kann natürlich auf die Fantasie zurückwirken.

profil: Können Kinder ihre Eltern erziehen? Fibich: In Bezug auf Erziehung wird generell unterschätzt, wie stark Kinder durch Nachahmung lernen und die Erwachsenen imitieren. Das betrifft vor allem jüngere und kleinere Kinder und die Frage nach dem Umgang mit Medien, vor allem Fernsehen. Wenn sich die Kinder merkwürdig verhalten, so kann der einzige Grund dafür nur sein, dass die Erwachsenen ihnen etwas Falsches vorgelebt haben. Als Erwachsener hat man eine große Verantwortung.

profil: Wie stehen Sie zum Thema Kinderfernsehen? Fibich: Das ist Gift, wie ich meine. Fernsehen für Kinder ist sehr kritisch zu sehen. Ich halte das für ein Totalexperiment.

profil: Inwiefern? Fibich: Bei TV-Produktionen für Kinder ist in den letzten Jahren zu beobachten, dass all das, was man für Erwachsene macht - von Gameshows bis zu Castings - eins zu eins umgelegt und für Kinder produziert wird. Kinder werden als kleine Konsumenten gesehen. Die Industrie glaubt anscheinend, dass Kinder im Alter von acht oder zehn Jahren Jugendliche sind. Das sind sie aber definitiv nicht. Weil die Kinder dann glauben sich wie 16-jährige verhalten zu müssen, wird ihnen ein Stück ihrer Kindheit weggenommen. Das ist für Volksschüler ein irrsinniger Stress und nicht altersgemäß.

Für junge Menschen ist es heutzutage schwierig sich zu orientieren.

profil: In letzter Zeit gibt es den Trend zur Rückbesinnung auf die Kindheit. Es gibt Malbücher für Erwachsene, in New York sogar einen Kindergarten für Erwachsene. Woran liegt das? Fibich: Ich kann mir schon vorstellen, dass es einen Markt dafür gibt, das Bedürfnis nach der eigenen Kindheit zu befriedigen. Väter haben auch angeblich das Bedürfnis, mit Baggern auf irgendeiner Halde herum zu fahren. Ob das pädagogisch wertvoll ist, kann ich nicht beurteilen. Vielleicht sollte man besser zum Therapeuten gehen. Das ist etwas fundierter.

profil: Wie erhält man sich sein inneres Kind? Fibich: Das ist ein Prozess. Wenn man von der eigenen Kindheit noch nicht so viele Jahre entfernt ist, dann muss man das kultivieren. Das ist eine tägliche Übung.

profil: Welchen Rat haben Sie für Kinder, wenn es um das Erwachsenwerden geht? Fibich: Unbedingt in sich hineinzuhören um die eigenen Stärken und Fähigkeiten zu erkennen. Da sind die Erwachsenen, die den jungen Menschen Türen öffnen sollen, irrsinnig gefordert. Es geht darum die Jugendlichen zu fördern und zu fordern, statt ihnen demotivierende Vorhaltungen zu machen. Für junge Menschen ist es heutzutage schwierig sich zu orientieren. Das ist die große Verantwortung der älteren Generation.

profil: Sie wirken auf der Bühne wie der kindgerechte Rocker. Ist das beabsichtigt? Fibich: Ich höre gerne Rockmusik. Auch Mozart. Aber hauptsächlich erdige Rockmusik. Auf der Bühne bleibe ich authentisch. Es liegt mir fern, mich zu verstellen. Daher versuche ich auch ohne Requisiten auszukommen. Zu meinen Konzerten nehme ich nur eine Klingel und ein Megafon vom Fußballplatz mit, damit ich anfangen kann, falls ein Durcheinander ist. Am Beginn eines Konzerts sage ich immer "Achtung, Achtung! Jetzt beginnen die Spompernadeln!"

profil: Was unterscheidet Bernhard Fibich auf der Bühne von Bernhard Fibich privat? Fibich: Ich bin Bernhard Fibich und im Gegensatz zu Benjamin Blümchen, gibt es mich tatsächlich. Ich bin keine Kunstfigur. Ich gehe als ich selbst auf die Bühne und ziehe mich auch privat so an. Ich versuche bei den Konzerten möglichst wenig Illusion aufzubauen. Ich erzähle keine Märchen, von Dingen, die nicht passieren könnten, sondern versuche das wirkliche Leben abzubilden und zu den Kindern ehrlich zu sein.

profil: Wie vermittelt man die Wirklichkeit kindgerecht? Fibich: Ich denke mir oft, dass es sogar besser wäre, mit seinen Kindern zu einer Baustelle zu fahren, den Tag dort zu verbringen und sich die Geschehnisse anzuschauen und zu erklären. Da passiert das reale Leben und nicht irgendein Märchen. Wenn man den Kindern das wirkliche Leben vermittelt, ist das wahrscheinlich das beste Kindertheater.

profil: Wie gehen Sie abseits der Bühne mit dieser Verantwortung um? Fibich: Ich nehme jede Frage ernst, die mir ein Kind stellt. Ich beobachte oft, dass Kinder Erwachsenen eine Frage stellen und oft keine wirkliche Antwort bekommen. Kinder fragen ja nicht spaßhalber "Was machst du da?" und "Warum?". Manchmal ist es mühsam, wenn man alles erklären muss, aber das ist "part of the game" und Teil meiner Arbeit. Wichtig ist, dass die Kinder nicht am Schmäh gehalten werden. Es ist ganz schlecht Kinder nicht ernst zu nehmen.

INFOBOX Bernhard Fibich, 54, von Ausbildungswegen AHS-Lehrer für Deutsch, ist seit 25 Jahren hauptberuflich "Kinderliedermacher". Er ist Vater von drei Kindern und lebt im Waldviertel.