Gerichtsurteil

Das Kelsen im Parlament: In guter Verfassung

Café, Kantine und Restaurant in einem: Das Kelsen im frisch renovierten Parlament lässt seinen Gästen die Wahl.

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Bevor er das Kelsen betritt, überfällt den unbedarften Besucher gleich einmal ein leichtes Flughafen-Feeling. Das kommt nicht von irgendwoher, immerhin betritt man nicht einfach irgendein Lokal, sondern das frisch renovierte Parlament. Der nach Hans Kelsen benannte Kantinen/Restaurant-Hybrid liegt im Hohen Haus – und darin tatsächlich auch ganz weit oben, nämlich im Dachgeschoss. Vorher muss man aber noch die Kontrollschleuse passieren.

Registrieren, ausweisen, sich durchleuchten lassen, Gepäckstücke bitte aufs Förderband. Hat man keinen verdächtigen Gegenstand bei sich, ist man schon fast am Ziel, steht aber auch vor dem nächsten Problem: So schnell gneißt man beim besten Willen nicht, wo genau sich in der Empfangshalle der korrekte Aufgang in die korrekte Kelsen-Abteilung befindet.

Das liegt ein bisschen am Konzept: Das Kelsen vereint Café, Bistro, Kantine und Restaurant in sich. Besucht wurde für diese Kolumne das Restaurant, und zwar zu Mittag, doch rein optisch lässt sich dieses – auf den ersten Blick zumindest – nicht von den anderen Bereichen unterscheiden.

Nach ansatzweise panischer Nachfrage an der Bar wird der richtige Tisch im richtigen Bereich gefunden – ein triumphales Gefühl. Gefolgt von: Flughafen. So richtig abstreifen kann das von den drei Gastro-Unternehmen Labstelle, Friedreich Hospitality und Gaumenglück bespielte Lokal den eingangs gewonnenen Eindruck nicht. Es ist hier zwar alles stylish und schick, aber doch auch sehr spartanisch. Man will fine dining anbieten – doch zumindest mittags fällt der Gedanke daran atmosphärisch schwer, und die Papierservietten am Tisch helfen auch nicht wirklich weiter.

Auf den Tellern schaut es dann aber gleich weit weniger trist aus. Man wird sich in Wien anderswo ziemlich schwertun, um diesen Preis (25 Euro) drei Gänge auf derart hohem Niveau zu verzehren. Die Auswahl ist umfangreich: Man wählt aus vier Vorspeisen, vier Hauptspeisen und zwei Desserts, es gibt Fisch, Fleisch und eine vegetarische Alternative.

Als Vorspeise kommt ein klein geschnittenes Karpfenfilet mit Frühlingskräutern und Spitzpaprika daher. Der Fisch hat einiges zu tun – er muss sich gegen ziemlich viel Drumherum durchsetzen. Aber: Alle Zutaten sind frisch und gut abgeschmeckt.

Das Chili con Carne zum Hauptgang zieht dann alle Register, um bloß nicht mit einem derben „Ich dreh einfach die Schärfe bis zum Anschlag auf“-Eintopf verwechselt zu werden. Zum Chili gibt es reichlich Frühlingszwiebel, und weil das hier eben schon ein bisschen fine dining sein will, gibt es vor allem eines nicht: faschiertes Fleisch. Das Carne besteht aus zarten Würfeln vom Bio-Rind. Gebäck als Beilage? Klares Nein. Man serviert Erdäpfel-Tortilla. Preis/Leistung: sensationell.

Nach etwa einer halben Stunde ist man auch schon beim für die Mittagspause perfekt portionierten Dessert angelangt – es gibt eine leichte Ricotta Creme mit weißer Schokolade und eingelegten Feigen. Der Frischkäsegeschmack ist immer vorhanden, trotzdem nicht zu präsent.

Und wenn man ein bisschen aufgepasst hat, findet man auch schneller aus dem Gebäude heraus als hinein: nur noch ein paar semiautoritäre Blicke der Security aushalten, und schon ist er wieder vorbei, der preiswerte Kurztrip in das Herzstück unserer Demokratie.

Empfehlung: Pufferzeit fürs Boarding einplanen
Stimmung: ein bisschen steril
Preisniveau: mittags für das Gebotene niedrig

Kelsen, Parlament, Dr.-Karl-Renner-Ring 3; 1017 Wien, kelsen.at

Stephan   Graschitz

Stephan Graschitz

ist als Chef vom Dienst bei profil tätig.