"Der Milchpilz ist aus Bregenz nicht mehr wegzudenken"

Sabina Sakic, 36, übernahm vor drei Jahren mit dem 1953 eröffneten Promenadenkiosk "Milchpilz" das heimliche Wahrzeichen von Bregenz.

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profil: Der Bregenzer Milchpilz ist der letzte seiner Art. Wie fühlt es sich an, in dem denkmalgeschützten Bau zu arbeiten? Sakic: Ich freue mich, wenn ich morgens den Pilz öffne, die Schirme in der Morgensonne aufspanne. Es ist hier nicht viel Platz, deshalb hat alles seine Ordnung, sein System. Meine Eltern haben den Milchpilz vor 25 Jahren übernommen. Es steckt mehr Know-how und Erfahrung darin, als man auf den ersten Blick vermuten würde.

profil: Erinnern Sie sich an Ihren ersten Arbeitstag? Sakic: Ich bin als Kind gewissermaßen im Milchpilz aufgewachsen. Im Sommer verdiente ich mein erstes Geld für eine Stereoanlage. Ich erinnere mich an viele schöne, aber auch anstrengende Sommer.

profil: Von Mai bis September haben Sie belegte Brote und bis zu 20 verschiedenen Milchshakes im Angebot. Was sind die Dauerbrenner? Sakic: Käse- und Eiersemmel aus regionaler Produktion. Bei den Milchshakes sind Banane und Erdbeere die Klassiker.

profil: Wie würden Sie die Einzigartigkeit des Milchpilzes beschreiben? Sakic: Den Milchpilz gibt es seit 1953 in Bregenz. Er steht für eine heile, verspielte Welt, für einen guten, stressfreien Ort. Wenn wir nach der Winterpause öffnen, weiß man in Bregenz: Der Sommer hat begonnen. Der Milchpilz hat durch sein auffälliges und einprägsames Erscheinungsbild einen hohen Wiedererkennungswert mit Signalcharakter. Nach diesem Prinzip richten sich viele Fastfood-Ketten. McDonald’s wurde übrigens erst 1955 gegründet.

profil: Wie lautet die häufigste Frage zur Architektur? Sakic: Wie viele Punkte der Pilz hat – es sind 60.

profil: Weshalb ist der Milchpilz gleichermaßen bei Einheimischen wie Touristen beliebt? Sakic: Viele verbinden damit Kindheitserinnerungen. Der Milchpilz ist dazu ein sogenannter „third place“, ein sozialer Ort neben Arbeitsplatz und Zuhause: Auf neutralem Boden treffen sich hier Banker, Angestellte, Ärztinnen, Urlauber, Mütter mit ihren Kindern, Einheimische, Touristen. Der Milchpilz ist ein Bauwerk mit gesellschaftlicher Funktion.

profil: Der Milchpilz wurde vor fast 70 Jahren erbaut. Was waren die Highlights seiner Geschichte? Sakic: Zum Beispiel das Hochwasser 1999, von dem der Pilz aufgrund seines leicht erhöhten Standorts verschont blieb.

profil: Online ist zu lesen, der Milchpilz sei Kult. Seit wann ist er das? Was genau ist das Kultige daran? Sakic: Es scheint, als sei er schon immer da gewesen. Er ist aus Bregenz nicht mehr wegzudenken, er gehört zu einem Sommertag am See. Unser oberstes Gebot lautet: Es soll alles so bleiben, wie es immer schon war.

profil: Kein Bregenz-Besuch ohne Milchpilz-Abstecher? Sakic: Milchpilz geht immer.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.