Er war im „Forsthaus Rampensau“ und bei „Match in Paradise“, er hat auf TikTok 600.000 Follower und gute Werbeverträge mit Firmen von Billa plus bis zur Stadt Wien: Satansbratan ist wohl der Star der heimischen Influencer-Szene. Auf so jemand wartet man schon mal gerne zwei Stunden.
Um 12.52 Uhr geht die Tür auf, und herein kommt Satansbratan, groß, breitschultrig, Chelsea-Boots, Jeans mit Schlangenledergürtel und darüber eine Jacke, von der man glauben könnte, der Vorbesitzer war Zirkusartist und ist im Dienst gestorben, weil der Löwe keine Lust mehr auf brennende Reifen hatte. Er trägt eine Sonnenbrille, obwohl es draußen regnet, in der Hand hat er ein Red Bull, er sieht sich um, entdeckt mich, kommt auf mich zu und sagt nur: „Servas, wos moch ma?“ Das ist ein ziemlich starker Auftritt, besonders für jemand, der mich gerade fast zwei Stunden warten hat lassen.
„Trefft euch um elf bei uns in der Agentur“, hatte sein Manager gemeint und meine Nachfrage, ob sein Klient wirklich so früh schon essen kann, ignoriert. Also war ich um elf in der Agentur „Guardians of Social Media“, nahm auf einem Sofa Platz, verhielt mich still und wartete. Das war nicht ganz uninteressant, weil ich dabei viel über das Daily Business einer Social-Media-Agentur lernen durfte und jetzt auch weiß, wie man Fotos von Avocado Fries pimpen kann. Und offenbar muss die Wartezeit einfach sein, es geht ums Image: Satansbratan ist der im Moment wohl erfolgreichste Influencer Österreichs. Allein auf TikTok hat der Mann 600.000 Follower, auf Instagram kommen 220.000 dazu. Für sie produziert er lustige Clips, in denen er sich an Stereotypen abarbeitet, von der Balkanmama bis zum aggressiv-debilen Bundesheerausbildner, vom schleimigen Versicherungsvertreter bis zum fetten Hausmeister. Bis zu 5,5 Millionen Mal werden die Videos abgerufen, selbst als Deregulierungs-Staatssekretär müsste man dafür ganz schön viele Eier in die Pfanne hauen.
Aber Satansbratan funktioniert, auch wegen seiner Sprache. „Park“ nennen die cool kids diesen Mix aus deutschen Substantiven, restjugoslawischen Phrasen und Testosteron. Das gibt erstens Glaubwürdigkeit und sorgt zweitens für das notwendige Augenzwinkern, dank dem man auch als Linksliberaler über die ärgsten Klischees lachen darf. Satansbratan wirkt authentisch, und deswegen mögen ihn alle: Die, die er parodiert, genauso wie Menschen, die in jedem anderen Fall das Internet anzünden würden, wenn jemand „Kanake“ sagt und obendrein auch noch falsch gendert.
Jetzt sitzen wir im „Türkis – Oriental Food“, Filiale Mariahilfer Straße, gleich gegenüber der Agentur. Die Döner-, Schnitzel-, Pizzakette ist Kunde von „The Guardians“. Satansbratan hat keinen Hunger, sagt er. „Hätte ich gewusst, dass wir essen gehen, hätt’ ich am Weg keine Wurstsemmel gfressen.“ Aber weil er ein höflicher Mensch ist, bestellt er ein Künefe mit Eis (9,90 Euro), ich nehme auf sein Anraten einen Adanaspieß (20,90 Euro). Der Spieß ist okay, tatsächlich stochern wir beide aber nur aus wechselseitigem Respekt im Essen herum. Satansbratan ist zurückhaltend, er wirkt müde und wäre vielleicht gerne woanders. Jedenfalls spricht er wenig und nur leise, so ganz und gar nicht wie der austrainierte Schleckofatz aus seinen Videos. Wobei das natürlich auch wieder ein Klischee ist: Warum sollte jemand, der in Videos rumpöbelt, auch abseits der Kameras immer Vollgas geben? Nicht jeder Mensch ist ein Robert Palfrader.
Satansbratan funktioniert, auch wegen seiner Sprache. „Park“ nennen die cool kids diesen Mix aus deutschen Substantiven, restjugoslawischen Phrasen und Testosteron.
Die Kunstfigur von der realen Person trennen: Das wäre das Normalste der Welt. Gerade bei Influencern, die täglich eine ganze Batterie an Videos abfeuern, fällt das aber gar nicht so leicht. Mehr als 1800 Videos habe er bisher gemacht, sagt Satansbratan jetzt, in gerade einmal vier Jahren. Da verschwimmen die Grenzen, das ist logisch, vor allem, weil die reale Person hinter dem Satansbratan ebenfalls Park spricht, wenn er in der Kebab-Bude hockt. Das sorgt für Verwechslungen und Ungenauigkeiten, und vielleicht mag er deswegen auch keine Journalisten: Die schreiben nämlich oft einfach irgendwas, sagt er. Dass er als Jugendlicher kleinkriminell gewesen sein soll („Blödsinn“), oder über eine angebliche Fluchtgeschichte seiner Mutter (die stammt zwar aus Banja Luka in Bosnien, kam aber schon lange vor den Jugoslawien-Kriegen nach Wien).
Beim Bundesheer hat er die Tiktok-App runtergeladen und mit einem Kumpel ein bisschen rumgespielt. Der Rest ist österreichische Social-Media-Geschichte.
Erst letztens sei jemand vom „Standard“ da gewesen, „nur Probleme Bruder. Wirklich.“ Vor allem die Geschichte mit seinem Namen: Er will nämlich nicht, dass sein realer Name in der Zeitung steht, weil der ja nichts mit seiner Kunstfigur zu tun hat, trotzdem schreibt ihn immer mal wieder jemand. Warum? Im echten Leben heißt „Satansbratan“ jedenfalls Erik und sein Nachname deutet nicht unbedingt auf eine Migrationsgeschichte hin. „Jugo“, also Serbokroatisch, die Sprache seiner Mutter, hat er erst mit 15 Jahren gelernt, weil daheim nur Deutsch gesprochen wurde. Was jedenfalls auch stimmt: Er ist im 10. Bezirk aufgewachsen, war in der Hauptschule, dann im Poly, dann Schalungstechniker-Lehrling („immer mit Auszeichnungen und besten Noten“). Beim Bundesheer hat er die Tiktok-App runtergeladen und mit einem Kumpel ein bisschen rumgespielt.
Der Rest ist österreichische Social-Media-Geschichte.
Das Spannende an der Figur ist wohl, dass sie ganz viel Projektionsfläche bietet, vor allem für Menschen links der Mitte. Wenn Erik spricht, dann sagt er Dinge, die man gerne hören will. Dass er gegen Rechts ist und keine Politik „für Menschen will, die Erbe auf der Stirn geschrieben haben“. Oder dass er Social Media doof findet. Er selbst habe als Kind nie auf einem Handy rumgezockt, sondern sei draußen in der Natur gewesen. Warum die Kids heute nur am Handy hängen, versteht er nicht. Die Jugendlichen haben oft keinen Plan für ihr Leben: „Als ich im Poly war, wussten 20 von 25, was sie für einen Job machen wollen. Heute ist es genau umgekehrt.“ Erik ist 25, so lange ist er also noch nicht aus der Schule.
Als Satansbratan ist er viel mit Jugendlichen in Kontakt, er hält Vorträge an Schulen, hat eine Kooperation mit dem WAFF und ist Testimonial der Kampagne #gemmalehre. Daneben hat er eine „Kollaboration“, wie die Werbedeals unter Influencern heißen, mit der Stadt Wien, er wirbt für das Wählen und findet auch Bürgermeister Michael Ludwig ganz gut. Zumindest trifft er ihn in einem seiner Videos zum Essen, allerdings in einer anderen Döner-Bude in Wien-Rudolfsheim. „Wer kann schon sagen, dass er mit dem Bürgermeister zusammengearbeitet hat, das ist eine Ehre“, sagt er noch.
20 Minuten sitzen wir im „Türkis“, dann springt Satansbratan auf. Er muss los, die nächsten Videos drehen: „Wir sehen uns, Bruder.“
Sicher. Aber mit Verspätung.
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Markus Huber
ist im Hauptberuf Herausgeber des Magazins „Fleisch“ und schreibt für profil alle zwei Wochen die Kolumne „Powerlunch“.