Ein Herz, eine Seele, ein Geldfluss

Finanzaffäre am Burgtheater: Vier Problemfelder

Burgtheater. Offene Fragen zur Finanzmisere

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Die Verantwortung der Ex-Kunstministerin

Ein Bild aus glücklichen Tagen zeigt die damalige Kunstministerin Claudia Schmied außer sich vor Glück, als Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann ihr auf einem Gartenfest charmant die Hand küsst. Die beiden waren ein Herz und eine Seele, wie man so sagt. Eine Freundschaft, die sich zumindest für Hartmann bezahlt machte: Schmied ließ seinen Vertrag, obwohl man sich damit ruhig noch Zeit hätte lassen können, bereits im Januar 2012 um weitere fünf Jahre verlängern. Aber die Ministerin wollte diese Entscheidung nicht ihrem potenziellen Nachfolger zugestehen.

Finanziell lief es schon damals nicht mehr ganz rund. Bereits für das Geschäftsjahr 2012/13 machte die Ministerin Zusatzmittel in Höhe von 4,5 Millionen Euro für die Bundestheater locker, die wohl zum Großteil in die Burg flossen. Spätestens am 21. Juni 2013 war klar, dass „die Liquiditätssituation derart angespannt ist, dass der Spielbetrieb nicht mehr gewährleistet werden kann“, wie profil dem Protokoll einer Aufsichtsratssitzung entnehmen konnte. Der Aufsichtsrat führte darin weiter aus, dass er einen Soll-Ist-Vergleich der Produktionen der vergangenen beiden Geschäftsjahre veranlasst habe, aus dem ersichtlich sei, „dass die Budgetüberschreitungen auf höhere Gagen (‚Kosten für das Leading Team‘)“ zurückzuführen seien.

Ein Notfallplan wurde ausgearbeitet. Schmied wollte davon sichtlich nichts wissen, sie hätte alle Probleme im Burgtheater gelöst wie bisher: durch die Nachlieferung von Geld, ohne zu prüfen, was eigentlich schieflief. profil liegt eine Aufzeichnung der 21. Aufsichtsratssitzung vom 22. Oktober 2013 vor. Darin ist von einer Absichtserklärung „der scheidenden Bundesministerin Dr. Schmied“ zu lesen. Bereits für das Geschäftsjahr 2012/13 seien die besagten 4,5 Millionen Euro „zur Bereitstellung der notwendigen Liquidation vorgesehen“ und auch ausbezahlt worden. Schmied gehe davon aus, dass „auch 2014 zusätzliche Mittel für die Bundestheater aufgewendet werden können“, sie wolle sich dafür verwenden, „wieder einen Betrag von zumindest Euro 4,5 Millionen zusätzlich zur Basisabgeltung zur Verfügung zu stellen“. Wann wusste Schmied von den finanziellen Ungereimtheiten im Burgtheater? Warum hat sie nicht früher gehandelt? Warum wollte sie Strukturprobleme immer wieder mit Zusatzförderungen stopfen?

Ein hermetisches System namens Holding

Die Polemik sei erlaubt: Wozu braucht man die Bundestheater-Holding eigentlich? Ihre zentrale Aufgabe des Controllings hat sie zumindest im Fall des Burgtheaters nicht sonderlich effizient ausgeführt. Erst Prüfer von außen stellten erhebliche Mängel fest. Der kostspielige Verwaltungsapparat der Holding steht damit als Ganzes zur Debatte. In den vergangenen Jahren hatte man vielfach den Eindruck, die Holding agiere als Puffer zwischen Kunstministerium und Öffentlichkeit. Lästige Fragen von Journalisten oder Oppositionspolitikern konnten geschickt hin und her verschoben werden. In der Holding hieß es, das Ministerium sei zuständig, dort wurde man dagegen an die Holding verwiesen: ein hermetisches System, das wie ein schwarzes Loch wirkte, aus dem partout keine Informationen zu beziehen waren. Nun, da die Verantwortung der entlassenen Geschäftsführerin Silvia Stantejsky vor Gericht unter die Lupe genommen wird und Hartmann als Burg-Chef ebenfalls entlassen wurde, tut es Not, auch die Holding-Verantwortung zu klären. Wie profil bereits im Interview mit Holding-Chef Georg Springer thematisierte: Muss man nicht von einem maroden Gesamtsystem ausgehen? An dem durch die neue Leitung stabilisierten Burgtheater wird es in den nächsten Wochen verstärkt darum gehen, zu klären, welche Verantwortung Springer tatsächlich zu tragen hat, wie viel er wusste von den dubiosen finanziellen Vorgängen in der Burg. Zentraler aber als eine personelle Diskussion wird es langfristig sein, das Holding-Gesetz zu überarbeiten. Es geht nicht an, dass die gigantische Bundestheater-Organisation sich dermaßen von der Öffentlichkeit abschottet, wie es die Holding bisher getan hat.

Familienbande über viele Ecken

Es wurde mehrfach kritisiert, dass Matthias Hartmann stets auch seine Familie mit Jobs versorgt hatte. Der Vorwurf der Vetternwirtschaft bezog sich vor allem auf seine Schwester Annette Raffalt und deren Ehemann Peter, die für die Kinder- und Jugendtheaterschiene zuständig sind. Sonderlich beliebt war Annette Raffalt am Burgtheater nie; wann immer die Technik nicht spurte, war sie wohl schnell mit der Drohung zur Hand, dass sie dann eben ihren Bruder anrufen müsse. Zumindest das wird sie nun nicht mehr können.

Aber es gibt weitere Seilschaften: In der Wiener Kulturszene hält sich seit einigen Wochen konsequent das Gerücht, Josefstadt-Chef Herbert Föttinger hätte ein neues Stück von Peter Turrini im Burgtheater uraufführen sollen. Laut profil-Informationen taucht dieser Plan allerdings nicht in den aktuellen Unterlagen für die nächste Spielzeit auf. Es wird also schwer nachzuprüfen sein, was an diesem Gerücht wahr ist. Aber es würde zu erklären helfen, warum Turrini am 22. Jänner in einem Interview in der Tageszeitung „Der Standard“ ein derart flammendes Plädoyer für Matthias Hartmann hielt, weshalb der Josefstadt-Schauspieler Florian Teichtmeister in der Hartmann-Inszenierung „Der böse Geist Lumpazivagabundus“ zu sehen war – und warum Hartmanns Frau Alexandra Liedtke oft an der Josefstadt inszeniert. Eine Hand wäscht schließlich die andere. Natürlich gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung.

Dubioses Burg-Depot

In der vergangenen Woche ging es Schlag auf Schlag. Gerade wollte Hartmann-Anwalt Georg Schima noch medial ausholen, um seinen Mandanten öffentlich zu rehabilitieren, als der Ex-Burg-Chef zugeben musste, Vorbereitungshonorare weder in der Schweiz noch in Österreich versteuert zu haben. Der entlassene Burg-Direktor erstattete über den Betrag von 110.000 Euro Selbstanzeige. Insgesamt 273.000 Euro habe die damalige kaufmännische Geschäftsführerin Silvia Stantejsky für ihn verwahrt – Geld, das Hartmann für die Vorbereitungszeit seiner Direktion in den Jahren 2006 bis 2009 verdient hatte. Einen Teil dieser Summe, 180.000 Euro, habe Hartmann von Stantejsky zurückbekommen. (70.000 Euro seien erst im Jänner dieses Jahres zurückbezahlt worden und daher noch nicht steuerpflichtig.) 93.000 Euro wären somit noch ausständig. Schima spricht in einer Aussendung von einem „Depot der Burgtheater GmbH“, in dem viel Bargeld verwahrt worden sei. Dahinter steckt natürlich die Frage: Schuldet nun das Burgthea-ter Hartmann noch Geld – oder muss er sich an die Privatperson Stantejsky wenden?

Auf Anfrage von profil ließ die einstige Geschäftsführerin über ihre Anwältinnen Isabell Lichtenstrasser und Alice Epler von der Kanzlei HHL ausrichten: „Die Darstellung von Herrn Hartmann betreffend seine ‚Depotverwahrung‘ ist unrichtig.“ Laut Stantejsky habe man Hartmann das Honorar für seine Vorbereitungszeit vom Burgtheater vollständig ausbezahlt. „Die Auszahlung erfolgte immer über die Kasse des Burgtheaters und kann leicht überprüft werden. Herr Hartmann hat zu jeder Auszahlung Bestätigungen unterzeichnet. Die Auszahlungsbelege wurden an die Buchhaltung weitergereicht und fanden Eingang in die Bücher“, so die HHL Rechtsanwälte im Namen Stantejskys.

Hartmann habe Stantejsky 2009 „mit der Verwahrung eines Gesamtbetrags von 293.000 EUR beauftragt“ – nicht, wie es bislang hieß, nur 273.000 Euro. Der Behauptung von Hartmanns Anwalt, die Burg schulde seinem Mandanten noch Geld, widersprechen Stantejskys Anwältinnen. „Diese Verwahrung erfolgte aufgrund des freundschaftlichen Verhältnisses zwischen Herrn Hartmann und Frau Stantejsky durch Silvia Stantejsky persönlich und nicht im Namen der Burgtheater GmbH.“ Deshalb sei zwischen Stantejsky und Hartmann in weiterer Folge „eine privatrechtliche Rückzahlungsvereinbarung über den noch im Zeitpunkt ihrer Entlassung von Frau Stantejsky verwahrten Betrag von 163.000 EUR abgeschlossen“ worden.

Stantejsky habe Hartmann im Jänner 2014, kurz nach ihrer Entlassung, einen Betrag von 70.000 EUR übergeben „und sich zur Bezahlung des Restbetrages von 93.000 EUR verpflichtet“.