Das Frauen-Nationalteam bei der EM 2017.

Kick it like Schnaderbeck

Das Abenteuer Fußball-EM endete für das österreichische Damen-Nationalteam im Halbfinale. Aber wie hat es eigentlich angefangen? Der österreichische Frauenfußball in fünf Momentaufnahmen.

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13|4|1924

Im Hotel Métropole am Wiener Morzinplatz wird der erste österreichische Damenfußballclub "Diana Wien" gegründet.

Mehr als 150 Frauen haben sich Ende 1923 auf einen Aufruf der Wochenzeitung "Der Montag" zu einem reinen Frauenfußballtraining angemeldet, 43 werden schließlich zum einführenden Theoriekurs unter der Leitung des Journalisten Roman Frisch und des Nationalspielers Ferdinand Swatosch zugelassen. Die ersten praktischen Trainingseinheiten finden erst zwei Wochen später am Rudolfshügelplatz in Favoriten statt. Über das weitere Schicksal des FC "Diana Wien" ist wenig bekannt; Mitte 1924 reißt die Berichterstattung des "Montag" über das von ihm initiierte Team schlagartig ab. Erst zehn Jahre später wird – gegen die tatkräftige Skepsis des männlichen Fußball-Establishments – die Damen Fußballunion (DFU) gegründet, die auch eine erste Wiener Meisterschaft abhält. Ab 1936 steht die bekannte Unternehmerin Ella Zirner-Zwieback der DFU als Präsidentin vor. Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung 1938 wird der Frauenfußball in Österreich verboten. Erst ab 1948 finden wieder Frauenfußballspiele statt.

Frauenfußball um 1930

1|1|1969

Auf einem Sportplatz in Wien-Jedlersdorf nimmt der Frauenfußballverein "Union SC Landhaus" seinen Spielbetrieb auf. In seinen ersten Jahren muss der Verein vom Wiener Nordrand mangels lokaler Gegnerinnen noch gegen Teams aus der damaligen Tschechoslowakei spielen. Gründungspräsident Gerhard Traxler, bis heute Vereinsobmann, erinnert sich: "Natürlich haben wir anfangs nicht mithalten können und öfter verloren, aber mit der ersten Frauenfußballmeisterschaft ging es dann bergauf." 1971 wird der USC Landhaus als erster Frauenfußballverein in den Wiener Fußballverband aufgenommen, die erste Meisterschaft wird in der Saison 1972/1973 unter sechs Wiener Teams ausgespielt: Favoritner AC (Meister), USC Landhaus, DFC Ostbahn XI, SV Kagran, SV Antonshof und Gersthofer SV. Mit bis dato zwölf Meistertiteln und elf Cup-Siegen zählt der USC Landhaus zu den erfolgreichsten österreichischen Frauenfußballclubs und nimmt im Oktober 2001 auch als erster heimischer Verein am europäischen Meistercup (heute: UEFA Women’s Champions League) teil. Im internationalen Vergleich sieht USC-Landhaus-Obmann Traxler trotzdem noch Aufholbedarf. "Wir haben in Österreich viel zu spät mit dem Frauenfußball begonnen."

15|10|2000 – 14 Uhr

Anpfiff zum ersten Match des FC Bayern München in der Deutschen Frauen-Bundesliga: Heimspiel gegen die Sportfreunde Siegen. Im Kader der Münchnerinnen steht die Österreicherin Gertrud Stallinger.

Stallinger, langjährige Kapitänin und Rekordtorschützin des Damen-Nationalteams, ist zu Saisonbeginn von der Union Kleinmünchen Linz zum Bundesliga-Aufsteiger nach München gewechselt. Insgesamt absolviert Stallinger vier Saisonen im Bayern-Kader und kehrt 2005 als Spielertrainerin nach Linz zurück.

Nach ihrem Karriereende 2006 wird sie zu Österreichs Fußballerin des Jahres gewählt. Sportlich hat Gertrud Stallinger alles erreicht, finanziell deutlich weniger. Heute arbeitet sie als Finanzbeamtin in Linz. In Österreich kann bis heute niemand vom Frauenfußball leben, erklärt Thomas Wirnsberger, Obmann des Damen-Rekordmeisters SV Neulengbach. "Wenn, dann können sich die Spielerinnen mit Werbeauftritten ein Taschengeld dazuverdienen." Vom Verein gibt es "vielleicht 200 Euro im Monat, als Aufwandsentschädigung", erklärt Wirnsberger: "In Österreich steckt der Frauenfußball immer noch in den Kinderschuhen."

21|3|2011

Bei einer Pressekonferenz in Wien verkünden ÖFB-Präsident Leo Windtner, Sportminister Norbert Darabos und ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner die Gründung eines Nationalen Zentrums für Frauenfußball.

Windtner spricht von einem "logischen Schritt", Dominik Thalhammer, vormals Admira- und Wiener-Sportklub-Trainer, erläutert seine Vision als neuer sportlicher Leiter des Zentrums: "Wir wollen bis 2016 zur europäischen Spitze im Frauenfußball gehören." Einen Monat später wird Thalhammer zum Trainer des Frauen-Nationalteams bestellt. Im Bundessportzentrum an der St. Pöltener Bimbo-Binder-Promenade läuft mit dem Schuljahr 2011/2012 die Nachwuchsausbildung der 14- bis 19-Jährigen an: "Die Spielerinnen können hier schulische und fußballerische Ausbildung kombinieren", erklärt Karin Gruber, Geschäftsführerin des Zentrums. Neben den sportlichen Lehrgängen kann eine vierjährige Handelsschule oder ein fünfjähriges Gymnasium absolviert werden. Schul- und Trainingszeiten sind aufeinander abgestimmt. Das Konzept bewährt sich rasant. Im EM-Kader 2017 stehen acht Absolventinnen und eine aktive Schülerin des Nationalen Zentrums.

30|7|2017 – 20:38 Uhr

Mehr als 1,2 Millionen Zuseher verfolgen auf ORF 1, wie Sarah Puntigam im Viertelfinale der Europameisterschaft den fünften, entscheidenden Elfmeter für das österreichische Frauen-Nationalteam gegen die deutlich favorisierten Spanierinnen verwandelt.

Das Team um Kapitänin Viktoria Schnaderbeck hat in dem Turnier souverän seine Vorrundengruppe (gegen die Schweiz, Frankreich und Island) gewonnen und mit dem Sieg über Spanien das Halbfinale erreicht. Für Insider kommt der Erfolg weniger überraschend, als er der durchaus euphorisierten Öffentlichkeit erscheint: Unter Trainer Dominik Thalhammer hat sich das Team, das sich zu großen Teilen aus Legionärinnen der deutschen Bundesliga zusammensetzt, taktisch, athletisch und mental höchstprofessionell auf das Turnier vorbereitet. Im Halbfinale am 3. August scheiden die österreichischen Fußballerinnen – neuerlich in einem Elfmeterschießen – gegen das Team aus Dänemark aus. Erste Reaktion von Kapitänin Schnaderbeck: "Jetzt müssen wir das Ganze erst einmal verdauen."

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.