Die Fans des FK Zeljeznicar Sarajevo warten schon länger auf einen Auftritt in der Europa League

Land und Leder: Der Fußball als Spiegelbild der bosnischen Gesellschaft

Der Zustand der Fußballwelt in Bosnien steht symptomatisch für die Stimmung im Land am Balkan.

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"Ich wünschte, im politischen Bereich würde es so eine Zusammenarbeit geben. Die Sportler sind den Politikern weit voraus." So beschreibt Valentin Inzko, der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, die sportliche und politische Situation vor Ort. Seit dem Friedensvertrag von Dayton im Jahr 1995 herrscht politischer Stillstand im Land am Westbalkan. Häufig als „kompliziertestes Regierungssystem der Welt“ bezeichnet, ist der Staat nach wie vor in zwei Verwaltungsteile aufgeteilt.

Zweigeteiltes Land

In der Föderation Bosnien und Herzegowina mit der Hauptstadt Sarajevo leben vorwiegend bosnische Muslime und Kroaten. In der Republika Srpska mit Verwaltungssitz Banja Luka leben mehrheitlich Serben. Im Nationalteam spielen Bosniaken, Serben und Kroaten jedoch in einer Mannschaft. Ein kleiner Hoffnungsschimmer, der bei genauerer Betrachtung aber nach 90 Minuten wieder verglüht. Denn der fußballerische Alltag im Land ist geprägt von Misswirtschaft, Korruption und schlechter Infrastruktur.

Jedes Jahr verlassen rund 40.000 Bosnier und Bosnierinnen ihr Heimatland, um das zu machen, was die Spieler ihrer Nationalmannschaft längst tun: ihr Geld im Ausland zu verdienen. Alle elf Spieler, die im ersten Match der Nations League am Samstag gegen Nordirland in der Startformation standen, sind in Ligen außerhalb Bosniens aktiv. Sie spielen in England, Deutschland, der Türkei, Russland, Italien, Tschechien, Belgien und Südkorea.Wer vorankommen möchte, verlässt das Land.

Europa in weiter Ferne

Das Durchschnittseinkommen in Bosnien liegt bei rund 400 Euro. Als Fußballprofi im Ausland verdienen die Nationalspieler ein Vielfaches. Und das Team hat durchaus Erfolg. 2014 qualifizierte sich Bosnien für die Fußball-WM in Brasilien, bei der EM-Qualifikation scheiterte das Team erst im Playoff gegen Irland und bei der WM-Qualifikation 2018 verpasste Bosnien mit Rang drei knapp die Playoffs.

Ein Blick auf die heimische Liga zeigt jedoch, in welcher Stagnation sich das Land befindet. Kein Klub konnte sich in den vergangenen Jahren für einen internationalen Bewerb qualifizieren. Der Serienmeister der letzten Jahre, HSK Zrinjski Mostar, scheiterte jeweils früh in der Qualifikation für die Champions League. Für die Europa League hat es bisher ebenfalls nicht gereicht. FK Sarajevo ist einem Einzug noch am nächsten gekommen. In der Saison 2014/2015 scheiterte der Klub aus der Hauptstadt jedoch im entscheidenden Duell gegen Borussia Mönchengladbach mit einem Gesamtergebnis von 2:10.

Der FK Željezničar Sarajevo, Stadtrivale und Heimatklub des legendären Sturm-Graz-Trainers Ivica Osim, versucht ebenfalls seit Jahren erfolglos den Sprung in die Europa League.

Außerhalb der Hauptstadt ist die Situation noch trister. Der Traditionsklub NK Čelik Zenica, in dessen Stadion das Spiel gegen Österreich stattfindet, hätte am Ende der vergangenen Saison eigentlich absteigen müssen. Da aber Borac Banja Luka, immerhin Meister der Saison 2010/2011, keine Lizenz bekam, durfte Zenica in der ersten Liga bleiben. Die Fans in Zenica sind Unruhe gewohnt. Nach Jahren des Missmanagements entschieden sie sich vor vier Jahren, die Spiele ihres Klubs, der in den späten 1990ern die Liga dominiert hatte, zu boykottieren. Nach über zwei Jahren und neuem Management kamen die Ultra-Fans wieder zurück ins Stadion. Seither kämpft der Klub aus der Stahlstadt im Zentrum des Landes jedoch gegen den Abstieg in die 2.Liga.

Schon jetzt in der 2.Liga befindet sich einer der populärsten Vereine Ex-Jugoslawiens: FK Velež Mostar. Der UEFA-Cup-Viertelfinalist der Saison 1974/75 verlor während des Bosnienkrieges 1992 sein Stadion an den Stadtrivalen Zrinjski und musste sich am Stadtrand Mostars mühsam eine neue Infrastruktur aufbauen. Wenn die beiden Klubs aufeinandertreffen, Zrinjski steht der kroatischen Gemeinde nahe während Velež als Klub der Bosniaken gilt, kommt es immer wieder zu Ausschreitungen. Häufige Trainerwechsel, Korruption, mächtige Präsidenten und eine schlechte Infrastruktur prägen das Bild der Liga in Bosnien-Herzegowina. Manche Stadien in der Premijer Liga gleichen einem besseren Trainingsplatz.

Erfolgreichen Fußball im Land findet man derzeit in einer anderen Liga. Die Frauenmannschaft des FK Sarajevo spielt seit Jahren erfolgreich in der Champions League. Am Mittwoch, einem Tag nach dem Spiel der bosnischen Nationalmannschaft gegen Österreich, spielen die Serienmeisterinnen in der Runde der letzten 32 gegen die Frauenmannschaft des FC Chelsea. Keine bosnische Klubmannschaft hat in den letzten Jahren das Land international derart erfolgreich vertreten wie die Frauen des FK Sarajevo. Ein Hoffnungsschimmer, der vielleicht nachhaltiger glühen könnte, als die Erfolge des Herrennationalteams.