Marcel Koller
Fußball-Kolumne: Muss Koller weg?

Österreichs Nationalteam: Muss Koller weg?

Österreichs Fußballnationalteam hat die Qualifikation für die Weltmeisterschaft verspielt. Jetzt wird über den Verbleib des Teamchefs debattiert. Das ist Chance und Risiko zugleich.

Drucken

Schriftgröße

Während Marcel Koller vor einiger Zeit noch umjubelt wurde, stand er nach dem 0:1 in Wales etwas zerknittert vor den Fernsehkameras. Mehr als die Niederlage selbst war bereits sein Ablaufdatum als österreichischer Teamchef Thema. Der Vertrag des Schweizers läuft nach der Qualifikation aus. Kollers Botschaft in drei Sätzen: Man wird sich zusammensetzen. Beim ÖFB werde intern diskutiert. Mal sehen, was er selbst überhaupt will. Es deutet sich an, dass Marcel Kollers Amtszeit endet.

Die Chance, bei der Weltmeisterschaft in Russland dabei zu sein, ist praktisch nicht mehr vorhanden. Und doch: Österreichs Fußballteam war nie grottenschlecht, jedes Spiel hätte auch gewonnen werden können. Die größte Erkenntnis bleibt wohl, dass der Teamchef jedes Mal ehrgeizig an einem guten Matchplan werkt, aber während des Spiels kaum zu kreativem Eingreifen fähig ist. Das mag auch erklären, warum das Nationalteam in der letzten Qualifikation knappe Spiele gewinnen konnte und diese heute verliert. Fabio Capello, der Coach des damaligen Gruppengegners Russland, beispielsweise, war ein Mann der alten Schule und taktisch wenig beweglich. Kollers Gegenüber in der aktuellen Qualifikation sind Trainerfüchse, die auch während des Spiels mehrfach System und Strategie wechseln. Das wurde gegen Irland zum Problem und zum Teil gegen Wales. Koller neigt nicht zu kosmetischen Korrekturen während seine Mannen übers Feld laufen. Das mag gegen alte italienische Sturköpfe egal sein, gegen kreative Tüftler wird das zum Verhängnis.

Dazu kommt, dass Marcel Koller nie ernsthafte Anwandlungen gezeigt hat, sein Team variabler auszurichten. Gegen Wales sah man auch deshalb in beiden Spielen recht gut aus, weil die Briten die österreichischen Spieleröffner nicht in Manndeckung nahmen. Wenn das eine Mannschaft tat, hatte Österreich zuletzt immer gewaltige Probleme, das eigene Spiel aufzuziehen. Ein Gegenrezept hat Koller bis heute nicht entwickelt.

Der ÖFB benötigt eine niveauvolle Teamchef-Diskussion. Und ein paar Kandidaten, die bereits nachgewiesen haben, die Philosophie des Verbandes auf dem Feld variabel umsetzen zu können.

Marcel Koller ist ein guter, seriöser Fußballtrainer. Aber mehr konservativ als kreativ. Er greift lieber auf Altbekanntes zurück, als Neues zu entwickeln. Koller konnte nach der desolaten Ära Constantini mit gewöhnlicher Aufbauarbeit eine außergewöhnliche Steigerungskurve hinlegen. Erstmals in der Neuzeit des Fußballs wurde ein österreichisches Nationalteam handelsüblich vorbereitet. Das hat Koller schnell zum Trainergott gemacht. Doch nach Jahren der beachtlichen Aufbauarbeit erscheint er aktuell etwas ratlos. Und doch scheint nicht klar, ob Koller nach sechsjähriger Teamchefära tatsächlich weg muss. Ein Abgang des Schweizers ist Chance und Risiko zugleich. Der Boulevard wird im ersten Reflex wieder nach einem „echten Österreicher“ rufen und in Legendenspieler Andreas Herzog den Heilsbringer gleich mitliefern. Von so manchem machthungrigen Landespräsidenten des ÖFB werden diese Rufe gerne gehört werden. Schon bei der Bestellung Kollers vor sechs Jahren beklagten einige Landesfürsten zu wenig Mitsprache. Ihr Wort wird dieses Mal gewichtiger ausfallen. Der ungeliebte Sportdirektor Willi Ruttensteiner, der mit der Aufbereitung der Teamchefsuche betraut wäre, müsste erneut das fachliche Korrektiv zu den Stammtisch-Analysen (vor allem innerhalb des ÖFB-Präsidiums) bilden. Sinnvoll ist ein Abschied Kollers dann, wenn der ÖFB einen besseren Mann in der Hinterhand hat, der mit der hochwertigen Spielergeneration mehr herausholen kann als der Schweizer. Verkommt die Teamchef-Suche aber zu einem interessengetriebenen Schaukampf, droht bei einer nicht rein auf fachlichen Gründen basierenden Entscheidung ein Rapid-Schicksal. Dort wollte man mit der Entlassung des Vizemeister-Trainers Zoran Barisic auch den fälligen nächsten Entwicklungsschritt einleiten und findet sich nach einer Reihe an schlecht überlegten Entscheidungen heute im Niemandsland der Tabelle wider.

Nichts spricht gegen ein fachliches Abwägen von vorhandenen Möglichkeiten und bestmöglicher Betreuung. Das Schreckensszenario dagegen wäre wohl ein panikartiger Teamchefwechsel, bloß des neuen Impulses wegen. Kollers Mannschaft spielt aktuell nicht überragend, aber immer noch solide. Der ÖFB benötigt eine niveauvolle Teamchef-Diskussion. Und ein paar Kandidaten, die bereits nachgewiesen haben, die Philosophie des Verbandes auf dem Feld variabel umsetzen zu können. Die Situation ist heikel: Im Gegensatz zu vielen alternativlosen Teamchef-Ablösen der Vergangenheit, gibt es für das aktuelle Nationalteam zwar Potential nach oben, bei einer wenig idealen Lösung aber mindestens genauso viel Verschlechterungsspielraum nach unten.