Teamchef und Team passen nicht perfekt zusammen.

Fußball-Kolumne: Das zerrissene Nationalteam

Das österreichische Fußballnationalteam scheint innerlich zerrissen: Der Teamchef will abwarten, die Spieler wollen angreifen. Die Qualifikation für die Europameisterschaft wird zur öffentlich ausgetragenen Zerreißprobe.

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Im österreichischen Fußballnationalteam schlagen zwei Herzen. Ein reaktives und ein aktives. Ein vorsichtiges und ein mutiges. Die Protagonisten dabei: Trainer und Spieler. Ein Trainer, der bei jeder Gelegenheit eine sichere Defensive und einen abwartenden Spielstil predigt. Und Spieler, die zuletzt hohes Pressing und Angriffsfußball praktizierten. Teamchef Franco Foda setzte sich in den ersten beiden Gruppenspielen durch, ließ sein Team abwarten und zögern. Das Ergebnis: null Punkte. Seitdem spielt Österreich angriffig und mit dem Pressing, das den Vorzügen der Spieler exzellent entspricht. Das ist naheliegend; viele Teamspieler wurden bei Salzburg, Leipzig, Leverkusen, Hoffenheim (allesamt angriffige Pressing-Teams) geprägt. „Unsere Mentalität ist nicht, dass wir uns verstecken oder abwarten“, betonte Kapitän Julian Baumgartlinger vor dem Spiel in Polen. „Wir wollen agieren, ob auswärts oder daheim. Weil das unsere Mentalität und Identität ist.“ Teamchef Foda erzählte beinahe das Gegenteil: „Polen hat vorne absolute Weltklassespieler. Gerade in der Defensive müssen wir extrem aufmerksam sein und gut gegen den Ball arbeiten. Aber wir werden unsere Möglichkeiten bekommen, wenn wir defensiv gut und stabil stehen, kompakt sind.“ Oder: „Gegen Lettland waren andere Tugenden gefragt. In Polen haben wir die Möglichkeit, vielleicht einmal kompakt zu stehen und dann umzuschalten.“ Mittelfeldturbo Valentin Lazaro erklärte dagegen: "Unsere Philosophie ist es, mit dem Ball dominant zu sein. Wir wollen auch in Polen dominant auftreten."

Foda wollte das 0:0 absichern, nicht das 1:0 erzielen.

Foda betonte zuletzt immer wieder: Für die sichere Defensive sei er verantwortlich, für die Offensive wären die Spieler zuständig – und hätten dabei viele Freiheiten. Das zeigt sich derzeit auf dem Feld. Die Spieler stürmen, während Foda sie in ihrer Zügellosigkeit einzubremsen versucht. In der zweiten Hälfte schien Foda seine Mannen an die Leine zu nehmen; die vereinzelten Kontermöglichkeiten der Polen schocken einen Mann von seinem Schlag zu sehr. Der Wechsel vom offensiven Lazaro auf den defensiven Ilsanker zeigte das deutlich. Foda wollte das 0:0 absichern, nicht das 1:0 erzielen.

Dabei hat das Spiel in Polen mit einem gängigen Vorurteil aufgeräumt: Man muss auswärts nicht vorsichtig und abwartend agieren. Das mit dynamischen Klassespielern gespickte ÖFB-Team hätte damit einen schwächelnden Gegner aufgeweckt und die Starstürmer der Polen perfekt in Szene gesetzt. Das Rezept war: Die polnischen Stürmer so weit wie möglich vom eigenen Tor wegzuhalten. Dazu gab es nur ein Mittel: selbst Angreifen. Dass Foda mit einer abwartenden Schlussphase den Polen unerwartet die Chance auf einen Sieg einräumte, machte das für alle deutlich.

Die Erkenntnis bleibt: Teamchef und Team passen nicht perfekt zusammen. Was sich geändert hat: Beide Seiten versuchen nun das Beste daraus zu machen.