"Pussy Icons" als Anspielung auf die Band Pussy Riot bei einer Ausstellung der Künstlerin Lusine Djanyan

Fußball-WM: Gastgeber Russland im Kultur-ABC

Russland hat seit seit Jahrhunderten die Weltkultur mitgeprägt. Gleichzeitig gerät die Kunst jedoch immer wieder stark unter politischen Druck. Das folgende ABC soll daher eine Ahnung geben vom kulturellen Reichtum des Landes.

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A wie ABDULOW. Der 2008 verstorbene russische Schauspieler und Regisseur Alexander Abdulow galt in der Sowjetunion der 1980er als Sexsymbol. Der 1953 im östlich des Ural gelegenen Tobolsk geborene Mime wirkte in über 100 Filmen mit, darunter 1974 in Alexander Mittas "Moskau, meine Liebe". Sein letzter öffentlicher Auftritt vor seinem Tod war im Dezember 2007 im Kreml, wo er eine Auszeichnung durch Wladimir Putin entgegennahm.

B wie BOLSCHOI. Das Bolschoi-Theater in Moskau ist mit dem Mariinski Theater in St. Petersburg das wichtigste Opernhaus Russlands. Das 1776 gegründete Haus verfügt über rund 1.800 Zuschauerplätze und war im Laufe seiner Geschichte Uraufführungsort für zahlreiche wichtige Opern und Ballette vor allem des 19. Jahrhunderts. Das hauseigene Bolschoi Ballett, hervorgegangen aus der Tanzschule eines Waisenhauses, ist die größte Ballettcompagnie der Welt und stilprägend für die russische Tanztradition.

C wie CURRENTZIS. Der gefeierte Dirigent Teodor Currentzis ist eigentlich gebürtiger Grieche, verschrieb sich aber bereits ab dem Studium seiner russischen Wahlheimat. Seit 2011 ist der charismatische Ausnahmedirigent mit dem Punk-Look Musikdirektor des Opernhauses in Perm. In der abgelegenen Ural-Stadt vertieft er sich mit dem von ihm gegründeten Ensemble und Chor MusicAeterna in die Neubelebung des Repertoires, mit seinen Mozart-Interpretationen sorgte er weltweit für Aufsehen und gab im vergangenen Sommer sein viel beachtetes Salzburger Festspieldebüt. Dort wird er in diesem Jahr alle Symphonien Ludwig van Beethovens aufführen, eher er im Herbst seinen Posten als Chefdirigent des SWR-Symphonieorchesters antritt.

D wie DOSTOJEWSKI. Seine großen Romane - etwa "Schuld und Sühne", "Die Brüder Karamasow" oder "Die Dämonen" - zählen zu den dicken Säulen der Weltliteratur: Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821-1881) zählt mit Leo Tolstoi und Alexander Puschkin zu den bedeutendsten russischen Schriftstellern. In seinen Beschreibungen des zaristischen Russlands erweist sich Dostojewski vor allem als großer Psychologe, der sich inmitten weit ausholender sozialer, politischer und religiöser Fragen letztlich immer für die individuelle menschliche Sinnsuche, moralische Verfasstheit und Beziehungshaftigkeit interessierte. Seine neun großen Romane erschienen alle in Form eines Feuilletonromans, was ihnen die charakteristischen kurzen Spannungsbögen und insgesamt hohe Komplexität verleiht.

E wie EISENSTEIN. Der sowjetische Regisseur Sergei Michailowitsch Eisenstein (1898-1948) gilt als Visionär der Filmgeschichte. Seinen internationalen Durchbruch als Regisseur hatte er mit dem Revolutionsfilm "Panzerkreuzer Potemkin", der heute genauso zu den wegweisenden Kino-Klassikern gezählt wird wie sein Film "Oktober". Maßgeblich prägte er die Theorie und Praxis der Montage, zu seinen Kollaborationspartnern zählte unter anderem der russische Komponist Sergei Prokofieff - etwa für Eisensteins Opus Magnum "Iwan der Schreckliche". Dieses war als Trilogie geplant - Eisenstein konnte jedoch nur die ersten beiden Teile fertigstellen. Während der erste Teil 1945 noch mit dem Stalinpreis ausgezeichnet wurde, gab es für den zweiten wegen der nicht konformer Darstellung sowjetischer Geschichtsschreibung ein Aufführungsverbot.

F wie FEUERVOGEL. Die mythologische Figur des Feuervogels entstammt dem slawischen Märchenschatz und hat seinen Weg in mehrere künstlerische Verarbeitungen gefunden - die bekannteste ist Igor Strawinskys gleichnamige Ballettsuite, eine Ikone der russischen Moderne. Uraufgeführt 1910 in Paris handelte es sich um eine Auftragsarbeit von Impresario Sergei Diaghilew für seine Ballets Russes. Die gefeierte Compagnie, die mit ihren Stars Vaslav Nijinsky und Anna Pawlowa russische Tanzkunst durch Europa trug, setzte auf exotische und erotische Handlungen, sowie fantastisch exaltierte Kostüme. Die Choreographie zum ursprünglichen "Feuervogel" stammt von Michel Fokine, in der Ballettgeschichte des 20. Jahrhunderts hat sie aber zahlreiche Neudeutungen erfahren - unter anderem von George Balanchine oder Maurice Bejart.

G wie GUBAIDULINA. Sofia Asgatovna Gubaidulina gehört zu den wichtigsten russischen Komponistinnen der Gegenwart. Aufgewachsen in Kasan, Hauptstadt der autonomen Republik Tatarstan und einer der Austragungsorte der WM, lebt sie heute in Deutschland. Zu ihren Förderern zählte Schostakowitsch, unter den Interpreten, die sie im Westen bekannt machten, nimmt Gidon Kremer eine besondere Rolle ein. Bei den Wiener Festwochen 1981 brachte er ihr Violinkonzert "Offertorium" zur Uraufführung und besiegelte damit den internationalen Durchbruch der Komponistin.

H wie HVOROSTOVSKY. "Dima hinterlässt eine unbeschreibliche Lücke", würdigte Staatsopern-Direktor Dominique Meyer den weltbekannten Bariton Dmitri Hvorostovsky nach dessen Tod im vergangenen November. Dmitri Hvorostovsky starb im Alter von nur 55 Jahren an den Folgen eines Gehirntumors. Der Publikumsliebling mit dem markanten weißen Haar, der vor seiner Opernlaufbahn in einer russischen Rockband gesungen hatte, war Stammgast an den großen Opernhäusern und Festivals der Welt - auch in Salzburg und Wien. Hier hatte er zuletzt 2016 den Germont in "La Traviata" verkörpert, im vergangenen Sommer sorgte sein Auftritt bei der Sommernachtsgala in Grafenegg für den berührenden Höhepunkt des Abends.

I wie IWANOW. Das protzige Gehabe seiner Sammlerkollegen sei ihm zuwider, gab Alexander Iwanow einmal zu Protokoll. Und doch ist der russische Unternehmer, der mit Computerhandel ein Vermögen verdiente und eine einzigartige Kunstsammlung aufbaute, einer jener oft zitierten Oligarchen, die den internationalen Kunstmarkt in den vergangenen Jahrzehnten geprägt haben. Er sammelt Dinosaurier-Fossilien, antike griechische und römische Kunst, Gemälde alter Meister, orthodoxe Ikonen, Oldtimer - und Fabergé-Eier. Für seine 3.000 Stück umfassende Sammlung der kostbaren Eier - darunter auch das Rothschild-Fabergé-Ei, für das er 12,5 Millionen Euro bezahlte - ließ er im deutschen Baden-Baden gar ein eigenes Museum einrichten. Es gilt als erstes privates russisches Museum außerhalb Russlands.

J wie JAWLENSKY. Alexej von Jawlensky (1865-1941) zählt zu den wichtigsten Malern des "Blauen Reiters", einer Künstlergruppe des Expressionismus. Der Offizier in der Armee des Zaren entwickelte sein Interesse an der bildenden Kunst als Autodidakt und begann erst spät eine künstlerische Ausbildung. Nach seiner Übersiedlung nach München lernte er Wassily Kandinsky kennen und fand Anschluss an künstlerisch Gleichgesinnte. Unter den Nationalsozialisten wurde er als "entarteter Künstler" mit Ausstellungsverbot belegt. 1941 starb er in Wiesbaden.

K wie KONSTRUKTIVISMUS. Die Kunst der geometrischen Gestaltungsformen schlug sich in der Sowjetunion in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nieder und fand auch in der Architektur ihre Entsprechung. Als Wegbereiter galt der Maler Kasimir Malewitsch (1878-1935) mit seinem "Quadrat auf weißem Grund". In ihren Bauwerken ging es den konstruktivistischen Architekten um eine grundsätzlich neue Betrachtung des Raums, den sie in Flächen und Linien zerlegten. Maßgeblichen Einfluss übte Wladimir Tatlin (1885-1953) mit seinen Konterreliefs aus. Wichtige Vertreter des Konstruktivismus waren Architekten wie Konstantin Melnikow (1890-1974), Witali Ginsburg (1916-2009) und Iwan I. Leonidow (1902-1959). Melnikow war vor einigen Jahren im Wiener Ringturm eine Ausstellung gewidmet, die sich nicht gebauten Visionen zu seiner Idee der "Stadt der Zukunft" widmeten. Dazu zählten etwa Pläne zu einem Kugelbau für das Lenin Institut, ein pyramidenförmiger Kulturpalast oder ein Hochhaus am Roten Platz. Auch die geometrisch-abstrakten Experimente von Alexander Rodtschenko (1891-1956) waren im Jahr 2005 im MAK zu bewundern.

L wie Lissitzky. Der russischen Avantgardist El Lissitzky (1890-1941) gehört neben Kandinsky, Rodtschenko, Tatlin und Malewitsch zu den herausragenden Vertretern dieser künstlerisch-intellektuellen Bewegung. Als "Total-Künstler", wie er sich selbst bezeichnete, widmete er sich vornehmlich der Architektur und der experimentellen Fotografie, besaß aber auch außerordentliche Fähigkeiten als Gestalter, Typograph, Maler, Illustrator und Kunsttheoretiker. Mit seinem Konzept vom "neuen Menschen" beeinflusste er nachhaltig die europäische Avantgarde der 1920er-Jahre.

M wie MARIINSKI. Das Mariinski-Theater ist eines der bekanntesten Opernhäuser der Welt respektive eine der Institutionen in der Welt des Balletts. Das Gebäude wurde 1860 am St. Petersburger Theaterplatz errichtet und machte im Zuge der Verwerfungen der russischen Geschichte zahlreiche Namenswechsel durch. Seit 1992 trägt es wieder den Titel Mariinski. Die Leitung des rund 2.000 Besucher fassenden Hauses, in dem auch das einstmalige Kirow-Ballett seine Heimstatt hat, ist als Chefdirigent, künstlerischer Leiter und Theaterdirektor Waleri Gergijew.

N wie NETREBKO. Sie ist die klare Nummer 1 der Opernwelt: Anna Netrebko ist nicht nur unter den Sopranistinnen die wichtigste Sängerin unserer Zeit. Geboren in Krasdonar, lebt die heute 46-Jährige mittlerweile nicht nur in St. Petersburg, sondern auch in Wien und New York. "Natürlich bin und bleibe ich Russin", sagte sie, nachdem sie zusätzlich um die österreichische Staatsbürgerschaft angesucht hatte, die ihr 2006 auch verliehen wurde. Für ihre Unterstützung für Vladimir Putin 2012 wurde sie freilich im Westen ebenso kritisiert, wie für einen Auftritt gemeinsam mit einem ukrainischen Separatistenführer 2014. Unumstritten ist ihre Stimme, die sich in den vergangenen Jahren ungetrübt ins dramatische Fach entwickelt hat. Bisher letzter Wiener Auftritt der Mutter eines Sohnes (gemeinsam mit Starbassbariton und Exmann Erwin Schrott) und Ehefrau von Tenor Yusif Eyvazov war am Donnerstag beim Sommernachtskonzert der Wiener Philharmoniker vor Schloss Schönbrunn.

O wie ONEGIN. Tschaikowskis Oper "Eugen Onegin" aus dem Jahr 1878 basiert auf dem gleichnamigen Versroman von Alexander Puschkin und trägt den Untertitel "Lyrische Szenen". Uraufgeführt wurde der Dreiakter durch Schüler des Moskauer Konservatoriums unter der Leitung von Nikolai Rubinstein im März 1879 im Moskauer Maly-Theater, die deutsche Erstaufführung besorgte Gustav Mahler 1892 in Hamburg. Im Zentrum stehen vier junge Menschen: Tatjana, die mit ihrer Familie in der Tristesse eines Landsitzes lebt, Olga und ihr Verlobter Lenski sowie dessen Freund Eugen Onegin. Tatjana entbrennt bald für Eugen - und die überspannten Sehnsüchte der jungen Menschen eskalieren, explodieren in russischer Melancholie und Poesie.

P wie PUSSY RIOT. Die Aktivistengruppe rund um die Protagonistinnen Maria Aljochina, Nadeschda Tolokonnikowa und Jekaterina Samuzewitsch erlangte im Februar 2012 Bekanntheit, als sie mit bunten Sturmmasken in der wichtigsten Moskauer Kirche, der Christ-Erlöser-Kathedrale, vor dem Altar gegen die Rückkehr von Wladimir Putin in den Kreml protestierten. Es folgten Verhaftungen, zwei der drei Frauen wurden zu zwei Jahren Straflager verhaften, die internationalen Solidaritätsbekundungen waren zahlreich. So inszenierte der Schweizer Theatermacher Milo Rau etwa das dreitägige Theaterstück "Moskauer Prozesse", in dem er die Ereignisse aufarbeitete. Auch etwa 100 Musikstars wie Madonna und "Die Toten Hosen" forderten die Freilassung der Frauen. Auch nach der Haftentlassung nahmen sich Pussy Riot kein Blatt vor den Mund und setzten immer wieder politische Aktionen, zuletzt etwa auf der Krim, wo einige Teilnehmer kurzfristig erneut verhaftet wurden. Mit der Performance "Riot Days", in der Aljochina ihre auch als Buch erschienenen Erinnerungen über ihr Leben mit Pussy Riot aufarbeitet, war sie im März 2018 in der Wiener Arena zu Gast.

Q - Dieser Buchstabe hat im russischen Alphabet keine Entsprechung.

R wie ROSTROPOWITSCH. Mstislaw Rostropowitsch (1927-2007) galt neben dem Spanier Pablo Casals als wichtigster Cellist des 20. Jahrhunderts und war viele Jahrzehnte auch als Dirigent aktiv. Das in Baku geborene einstige Wunderkind lernte schon im Alter von vier Jahren das Klavierspielen und trat mit 13 als Cellist auf. Rostropowitsch gab 1945 die ersten Konzerte in Moskau und begann 1964 mit einem Auftritt in Deutschland seine weltweite Karriere. In seinem Spiel paarten sich nach Meinung russischer Kritiker "tiefes Gefühl mit Intellektualität und einem außerordentlichen Gespür für die Form". Er war mit russischen Komponisten wie Dmitri Schostakowitsch, Sergej Prokofjew oder Alfred Schnittke befreundet und führte viele ihrer Werke erstmals auf. Seine "genetisch angelegte Furchtlosigkeit vor der Obrigkeit" brachte ihn 1971 in Konflikt mit den sowjetischen Behörden, als er für den verfemten Schriftsteller Alexander Solschenizyn eintrat. 1974 mussten Rostropowitsch und seine Frau emigrieren. 1978 wurde dem Paar die sowjetische Staatsbürgerschaft aberkannt. 1989 spielte er zwei Tage nach dem Fall der Mauer am Checkpoint Charlie Cellomusik von Bach, "ein ganz persönliches Gebet" für ihn. 1990 wurde er wieder russischer Staatsbürger.

S wie SEREBRENNIKOW. Der russische Kultregisseur Kirill Serebrennikow war zuletzt in aller Munde, als die russischen Behörden im Sommer 2017 wegen angeblicher Untreuevorwürfe gegen ihn vorgingen und ihn schließlich auch kurzzeitig verhafteten. Laut Anklage soll er staatliche Gelder unterschlagen haben. Kurz darauf erntete das Bolschoi-Theater in Moskau viel Kritik, als es die Uraufführung seiner geplanten Ballettinszenierung mit dem Titel "Nurejew" absagte, die schließlich im Winter ohne den Regisseur zur Aufführung kam. Ebenfalls nicht fertigstellen konnte der mittlerweile unter Hausarrest stehende Regisseur die Märchenoper "Hänsel und Gretel" an der Oper Stuttgart, die im Oktober 2017 - unter zahlreichen Solidaritätsbekundungen seitens des Theaters - doch noch Premiere hatte. Proteste gegen die Strafverfolgung gab es dann auch in Cannes, wo Serebrennikows im Hausarrest fertiggestellter Film "Leto" im Rahmen der Filmfestspiele Premiere feierte. Sein Team solidarisierte sich auf dem roten Teppich mit Plakaten. Der Film soll ab 7. Juni in den russischen Kinos zu sehen sein. Auch dann wird sich der Regisseur noch unter Hausarrest befinden - dieser wurde zuletzt bis zum 19. Juli verlängert.

T wie TSCHAIKOWSKI. Pjotr Iljitsch Tschaikowski (1840-1893) schuf einige der bekanntesten Musikstücke der Romantik und gilt als wichtigster russischer Komponist des 19. Jahrhunderts. Mit seinem Violinkonzert, seinen späten Symphonien, dem ersten Klavierkonzert oder den ikonischen Balletten "Nussknacker" und "Schwanensee" dominiert er bis heute Konzert- und Tanzprogramme in aller Welt. Etwas weniger populär sind seine Opern - viele davon basieren auf Werken seines Landsmannes Alexander Puschkin - wie "Eugen Onegin" oder "Pique Dame". Obwohl zu Lebzeiten bereits international aufgeführt, hatte Tschaikowski immer wieder unter finanziellen Engpässen zu leiden. Auch sein Liebesleben war aufgrund seiner geheim gehaltenen Homosexualität von viel Unglück geprägt.

U wie ULITZKAJA. Die 75-jährige Ljudmila Ulitzkaja gilt als Grande Dame der russischen Literatur und hält sich mit Kritik an der Staatsspitze nicht zurück. In ihren Kurzgeschichten und Romanen nimmt sie oft die Auswirkungen des totalitären Sowjetregimes ins Visier und verknüpft sie mit komplexen Familiengeschichten. Ihre Bücher wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt. In Österreich, wo sie 2014 mit dem Staatspreis für Europäische Literatur ausgezeichnet wurde, machten sie das Werk "Die Lügen der Frauen" (2003) und das Dissidentenepos "Das grüne Zelt" (2012) bekannt. Inspiriert von Briefen und Notizen, die Ulitzkaja erst vor wenigen Jahren zufällig entdeckt hatte, widmete sich die in einer Kleinstadt im Ural geborene und heute in Moskau lebende studierte Biologin zuletzt ihren eigenen Wurzeln: In ihrem 2017 erschienenen Roman "Jakobsleiter" erzählt sie die Geschichte ihres jüdischen Großvaters, der nach Krieg und Verbannung vor den Trümmern seiner Existenz stand.

V wie VENGEROV. Der sibirische Stargeiger Maxim Vengerov (43) machte nicht nur durch sein explosives, expressives Spiel, sondern auch durch verletzungsbedingte Konzertabsagen und ein glanzvolles Comeback von sich reden. In Nowosibirsk geboren, begann er seine Ausbildung im Alter von fünf Jahren und gewann mit zehn Jahren den ersten renommierten Wettbewerb. "Maxim Vengerov war der beste Violinist der Welt", titelte "Die Welt" ein Porträt, in der minutiös die nach Gewichtübungen aufgetretenen hartnäckigen Schulterschmerzen und anschließenden vergeblichen Arztbesuche des zunehmend verzweifelnden einstigen Wundergeigers beschrieben wurden. Erst nach einer Bänderoperation griff er nach mehreren Jahren, in denen er nur mit dem Taktstock den Ton angegeben hatte, wieder zu seiner Stradivari "ex-Kreutzer", die er 1998 mit dem Geld einer japanischen Verehrerin ersteigert hatte. Zuletzt war Vengerov bei den Salzburger Pfingstfestspielen zu hören, und auch bei den kommenden Salzburger Festspielen wird er ein Solistenkonzert geben.

W wie Wertow. DSIGA WERTOW (1895-1954, auch: Dziga Vertov) gilt als einer der wichtigsten Theoretiker und Avantgardisten des russischen Films. Film-Revolutionär durch und durch, lehnte er inszenierte Spielfilme ab und arbeitete nach der Oktoberrevolution 1917 an agitatorischen Dokumentarfilmen. Seine künstlerische Radikalität brachte ihn aber bald in Widerspruch mit den politischen Autoritäten. Als sein Hauptwerk gilt "Der Mann mit der Kamera" (1926), der nicht nur das moderne, mechanisierte Leben feiert, sondern gleichzeitig auch den Herstellungsprozess des eigenen Films thematisiert. Das Österreichische Filmmuseum verfügt über eine umfangreiche Sammlung zum Schaffen Wertows.

X wie Chowanschtschina. Хованщина heißt die Oper von Modest Mussorgski in originaler Schreibweise. "X" ist im kyrillischen Alphabet ein durchaus häufiger Buchstabe - lässt sich aber trotz identischer Schreibweise nicht mit dem lateinischen Buchstaben "X" übersetzen, sondern meint vielmehr ein stimmloses "ch". Wie eben in: "Chowanschtschina". Die politisch-historische Oper aus 1886 ist eine Art Gemeinschaftswerk vieler großer russischer Künstler. Denn Mussorgski starb vor der Fertigstellung, die dann zunächst von Nikolai Rimski-Korsakow vorgenommen wurde. 1912/13 verfasste Ballets Russes-Impresario Sergei Diaghilew eine neue Version des Finales und gab deren Orchestrierung bei Igor Strawinsky in Auftrag. Und schließlich legte Dmitri Schostakowitsch rund 50 Jahre später seine eigene Überarbeitung vor.

Y wie Yakovleva. Mit der Primaballerina Maria Yakovleva sowie mit ihren Kolleginnen Olga Esina und Liudmila Konovalova stammen gleich drei von sieben Ersten Solistinnen des Wiener Staatsballetts aus Russland. Yakovleva kommt aus St. Petersburg, wo sie auch an der renommierten Waganowa-Akademie ausgebildet wurde und am Mariinski ihre ersten Soloerfahrungen sammelte. Seit 2005 ist die Tänzerin in Wien tätig. Aktuell kann man sie an der Staatsoper in der Titelrolle der "Giselle" erleben, an der Volksoper war sie heuer bereits als romantische Titelheldin in Davide Bombanas zeitgenössischer Fassung von "Romeo et Juliette" zu sehen.

Z wie ZARIN. Die russische Zarin Katharina II. (1729-1796) ist die einzige Herrscherin der Geschichte, die den Beinahmen "die Große" verliehen bekam. Sie entmachtete ihren Gatten mit einem Staatsstreich, erwies sich in ihrer 34 Jahre währenden Regentschaft als reformfreudig, stattete das Zarenreich mit neuer Verwaltung und Bildungssystem aus und festigte seine außenpolitische Macht. Katharina war aber auch eine große Kunstliebhaberin, sie verfasste Opernlibretti und Gedichte, korrespondierte mit Voltaire und gründete mit der Eremitage in St. Petersburg eines der bedeutendsten Museen der Welt. In mehreren Großankäufen erwarb die Kaiserin Gemäldekollektionen aus ganz Europa und legte damit den Grundstein für den wichtigen Sammlungsschatz des Landes. Die Kulturwelt fasziniert Katharina, die nicht zuletzt mit ihren zahlreichen Liebhabern in die Geschichtsbücher einging, aber bis heute - etwa als aufregende historische Protagonistin für Fernseh- und Kinofilme.