Sie haben dann ein Posting abgesetzt mit dem Satz: „Stell dir vor, es wäre ein Mann gewesen.“
Schnaderbeck
Marko Arnautović ist heuer auch im Champions-League-Finale gewesen. Ich habe die Medienberichte verglichen. Und da kam klar heraus: Der Erfolg der Frauen ist einfach nicht so wichtig.
ÖFB-Teamspieler Kevin Danso hat heuer mit Tottenham Hotspur die Europa League gewonnen. Da war auch keine verstärkte Medienberichterstattung wahrnehmbar.
Schnaderbeck
Das stimmt, da wurde wenig berichtet. Da hätte man auch mehr erwarten können und müssen, weil es ein historischer Erfolg war.
Kann es sein, dass es da gar nicht um Männer und Frauen geht, sondern Medien sich vermehrt auf das stürzen, was Quote bringt?
Schnaderbeck
Das ganz sicher: Marko Arnautović ist ein Fanliebling. Aber genau deshalb muss der Erfolg, den sich die Manu verdient hat, nicht untergehen. Viele Mädels würden sie dann im Fernsehen sehen – und das schafft Bilder in der Gesellschaft.
Sie haben als Siebenjährige in der steirischen Provinz mit dem Fußballspielen begonnen – und waren eine Exotin, oder?
Schnaderbeck
Es hat keine Mädchenmannschaft in meiner Nähe gegeben. Ich habe bei den Buben mitgespielt. Bei jedem Spiel wurde ich schräg angeschaut, es wurde blöd gelacht und mit dem Finger auf mich gezeigt. Ich war eine Sensation. Es hieß: Schau, ein Mädel! Es hieß: Fußball ist nichts für dich! Meine Uroma hat gesagt: „Dirndl, hör auf mit dem Fußball, du haust dir nur die Haxn zam.“
Was hat das mit Ihnen gemacht?
Schnaderbeck
Ich habe mich nicht erwünscht gefühlt. Es hat geheißen: Die Investition in ein Mädchen ist eine Geldverschwendung. Aber das hat mich auch motiviert. So nach dem Motto: Euch zeige ich es! Mit 16 habe ich mich beim FC Bayern beworben – und bin genommen worden.
Sie wurden zur Profispielerin in München. Was haben Sie damals verdient?
Schnaderbeck
150 oder 200 Euro. Ich habe meine Matura gemacht, bin nebenbei 40 Stunden arbeiten gegangen. Mit wenigen Hundert Euro im Monat habe ich versucht, irgendwie durchzukommen. Eingekauft habe ich damals nur bei Aldi und dort, wo es Rabatte gab.
Wann haben Sie vom Fußball leben können?
Schnaderbeck
Mit 25. Da war ich mit Bayern schon deutscher Meister, spielte in der Champions League und habe im Monat circa 1500 Euro verdient. Damit musste ich mir Wohnung, Auto und das Leben finanzieren. Später in England war es dann ein mittleres vierstelliges Nettogehalt. Ich konnte essen gehen, auf Urlaub fahren – aber viel wegsparen konnte man sich in London damit nicht.
Ärgert Sie, dass Männer Großverdiener sind und Frauen oft nicht mal den Mindestlohn kriegen?
Schnaderbeck
Es ärgert mich nicht. Männer verkaufen mehr Trikots, haben mehr Sponsoring-Einnahmen und ziehen mehr Zuschauer an. Es gibt da einen Business Case. Aber damit Frauen das auch schaffen, muss irgendwann ein Investment gesetzt werden. Frauen müssen nach der Arbeit trainieren – und trotzdem wird erwartet, dass sie abliefern wie die Männer. Ich hätte gern, dass Frauen die Infrastruktur der Männer mitnützen können. Sie werden aber oft auf Trainingsplätze abgeschoben, die 1000 Löcher haben.
Österreichs Frauen-Nationalteam erreichte 2017 das EM-Halbfinale, liegt derzeit auf dem guten Weltranglistenplatz 18. Aber zum Länderspiel-Kracher gegen Deutschland kamen zuletzt nur 5000 Zuschauer. Und das Cup-Finale wollten gar nur 1500 zahlende Besucher sehen. Woran liegt das?
Schnaderbeck
Das sportliche Niveau der österreichischen Liga ist nicht vergleichbar mit dem in England beispielsweise. Das ist ein Grund. Dazu kommt: Das Frauen-Cupfinale fand am gleichen Tag statt wie das spannende Liga-Finish der Männer. So ein Timing ist zum Scheitern verurteilt. Aber: Auch die Marketingabteilung für die Frauen ist im ÖFB viel kleiner als jene der Männer. Da kann man die Werbetrommel nicht so gut rühren.
Der ORF überträgt Frauen-Länderspiele live, er zeigt die Bundesliga – aber von 600.000 Menschen, die in Österreich vereinsmäßig Fußball spielen, sind nur 15.000 Frauen. Interessieren sich Frauen mehrheitlich einfach nicht für Fußball?
Schnaderbeck
Das Interesse an Fußball ist sicher bei Burschen größer als bei Mädchen. Deshalb braucht es Vorbilder. In meiner Kindheit wurde über Frauenfußball nicht berichtet. Meine Vorbilder waren alle männlich: Zinedine Zidane, Luís Figo, Ivica Vastić. Ich wusste nicht einmal, dass es eine Frauen-Nationalmannschaft gibt. Dann hat mich mein Vater mit zwölf zu einem Spiel mitgenommen. Und ich dachte: Das will ich auch!
Erst ab den 1970er-Jahren durften Frauen in Österreich überhaupt legal Fußball spielen. Vom Gesetzgeber wurde auf „die Gefährdung der weiblichen Gebärfähigkeit“ hingewiesen …
Schnaderbeck
… wir müssen uns als Gesellschaft auch heute noch fragen, welche Rollen wir Frauen und Männern geben.
Sind andere Länder offener für solche Entwicklungen als Österreich?
Schnaderbeck
Ja! Österreich ist ein eher konservatives Land. Meine Frau kommt aus Norwegen, und dort ist das ganz anders. Dort stehen Frauen- und Männersport auf einer Stufe. Wir haben in Österreich viel erreicht gesellschaftlich, aber auch noch viel vor uns. Als ich als ORF-Expertin bei den Männerspielen begonnen habe, war das eine Sensation. Mittlerweile ist es normal. Man muss etwas sichtbar machen, damit es Normalität wird.
Rapid Wien hat nach langem Zögern ein Frauenteam gegründet, das viele Unterstützer hat. Aber es gibt auch Fangruppierungen, die damit nur wenig anfangen können.
Schnaderbeck
Ich spüre da ein ehrliches Anliegen bei Rapid. Aber Widerstand wird es bei Veränderung immer geben. Das darf einen nicht abschrecken. Man muss sich anschauen, woher die Leute aus den Fangruppen kommen: Welche Bildung haben sie, welche Einstellung, welche Haltung, wie viel Empathie? Ich hoffe, dass es in Österreich künftig Konsequenzen gibt, wenn es zu diskriminierendem Verhalten kommt.
Rapid-Trainer und -Spieler fielen vor einem Jahr mit homophoben Gesängen auf. Ihre Reaktion?
Schnaderbeck
Das war schockierend. Spieler und Trainer haben eine Vorbildwirkung. Das ist noch viel schlimmer, als wenn es von Fans kommt.
Ausdrücke wie „Schwuchtel“ und „schwuler Pass“ gehören auf Fußballplätzen zur Alltagssprache.
Schnaderbeck
Jeder sollte auf seine Wortwahl achten – nicht nur im Fußball. Man hört ja auch immer wieder: „Du bist so behindert!“ Es geht um Reflexion und Weiterentwicklung. Viele Dinge, die vor 20 Jahren okay waren, sind heute nicht mehr okay.
Sie haben als erste österreichische Profifußballerin Ihre Homosexualität öffentlich gemacht. Ist Ihnen das schwergefallen?
Schnaderbeck
Das ist mir sehr schwergefallen. Ich habe lange überlegt und hatte Ängste.
Was hat Sie beschäftigt?
Schnaderbeck
Es können große Shitstorms entstehen. Ich dachte: Wie geht es dann mit meiner Karriere weiter? In der Fußballkabine hatte ich kein Problem, das war ein Safe Space, dort wurde es akzeptiert. In meinem Dorf dagegen gab es nur einen Schwulen, und der war für die Leute eine Sensation und ein Mysterium. Also habe ich mich lange versteckt und ein Lügenkonstrukt aufgebaut. Aber wenn ich gewusst hätte, welche positiven Reaktionen ich auf mein Coming-out bekomme, hätte ich nicht so lange gewartet.
Männer im Fußball tun sich schwerer: Sie fürchten Mobbing und Hass im Stadion.
Schnaderbeck
Es gibt keine Vorbilder, die das vorleben. Mit dem Fußball wird eine gewisse Maskulinität verbunden, wo Schwulsein nicht hineinpasst. Viele überlegen, welche Konsequenzen das für ihre Karriere hat.
Der einzig bekennende schwule Amateurfußballer Österreichs, Oliver Egger, glaubt, dass es bei Frauen eher akzeptiert wird, weil „der Touch vom Erotischen“ mitschwinge: „Da sagt man: ‚Das ist geil.‘ Bei Männern heißt es: ‚Das ist grauslich.‘“
Schnaderbeck
Das stimmt. Lesbisch ist für viele erotisch. Und Schwulsein wird als eklig empfunden.
Würden Sie männlichen Fußballprofis zu einem Coming-out raten?
Schnaderbeck
Ich würde mir wünschen, dass sich viele gegen Lügen und fürs Leben entscheiden. Aber die Karrieren sind kurz, man will das Geld mitnehmen, nichts riskieren – und so lange keiner bewiesen hat, dass es funktioniert, ist es schwierig. Für mich jedenfalls ist ein freies Leben mehr wert als eine Fußballkarriere.