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Fußballstar Viktoria Schnaderbeck: „Schwulsein wird als ekelig empfunden“

Viktoria Schnaderbeck stand als erste heimische Kickerin zu ihrer Homosexualität und analysiert als erste TV-Expertin Herren-Länderspiele im ORF. Doch nicht überall kommt sie voran. Ein Gespräch über Fußball, Feminismus – und „ein konservatives Land“.

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Sie analysieren im ORF Fußballländerspiele der Männer – als erste Frau. Finden das alle gut?

Schnaderbeck

Ich glaube nicht, dass es alle gut finden. Viele äußern sich positiv. In den sozialen Netzwerken wird aber auch gefragt: Was tut eine Frau im Männerfußball? Andere schreiben: Die hat ja wirklich Ahnung! Das klingt erst mal positiv, aber es impliziert auch, dass sie das eigentlich nicht erwartet haben.

Die ORF-Kommentatorin Anna Lallitsch erlebte 2021 einen Shitstorm, nachdem sie als erste Frau im Land ein Herren-Länderspiel bei einer EM kommentiert hatte. Ein Sportmoderator kritisierte gar, ihre hohe Stimme sei „ein Ärgernis für meine Ohren“.

Schnaderbeck

Das mit hohen Frauenstimmen hört man öfter – und es ist sexistisch! Da wird nicht die Leistung kritisiert, sondern ein körperliches Merkmal. Auch das Aussehen von Frauen wird ständig bewertet. Hat sie zu viel an? Oder zu wenig? Man wird auf Äußerlichkeiten reduziert. Und das ist bei Männern nicht der Fall.

Obwohl es im Netz auch Kritik hagelt, wenn David Alaba schrille Modekreationen ausführt, oder?

Schnaderbeck

Da haben Sie recht. Aber bei Frauen nehme ich es intensiver wahr.

Der ORF-Sport wird vermehrt von Frauen geprägt: Alina Zellhofer, Kristina Inhof und Sie präsentieren Länderspiele. Rainer Pariasek oder Roman Mählich haben bisweilen das Nachsehen. Verdrängen Frauen jetzt die Männer?

Schnaderbeck

Das glaube ich nicht. Wenn ich in die ORF-Redaktion gehe, sehe ich immer noch viel mehr Männer. Ich bin der Meinung, dass die Besten in der Sendung sitzen sollen. Es geht mir nicht um Mann oder Frau. Im Sport lernt man: Wer gut ist, wird spielen. Wer nicht gut ist, sitzt auf der Bank. Wichtig ist nur: Beide Geschlechter sollen die gleichen Chancen haben.

Sehen Sie sich als feministische Vorkämpferin in einer Männerdomäne?

Schnaderbeck

Ich bin schon eine Feministin. Aber keine, die rebellisch überall anecken möchte. Ich habe den Mut, den Mund aufzumachen. Die Mädchen sollen es im Leben – und im Fußball – einmal genauso leicht haben wie die Burschen.

Als die österreichische Torfrau Manuela Zinsberger zuletzt mit dem FC Arsenal die Champions League gewann, beklagten Sie fehlende „öffentliche Anerkennung“. Was ging Ihnen konkret ab?

Schnaderbeck

Ich dachte: Da gewinnt eine Österreicherin erstmals die Champions League – und ich war gespannt, wie sie empfangen wird: am Flughafen, von der Politik, vom ÖFB. Von welchen Magazinen und Talkshows sie angefragt wird. Aber es kam fast nichts!

Gerald Gossmann

Gerald Gossmann

Freier Journalist. Schreibt seit 2015 für profil kritisch und hintergründig über Fußball.