„Puber hat uns geschadet“

Graffiti Artist Vinzenz K: „Puber hat uns geschadet“

Street Art. Ein Gespräch über Sucht-Kicks, Mal-Drang und Kunstwertvernichtung

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Interview von Hannah Schifko

profil: Graffiti ist kein Hobby für Zartbesaitete. Wie sind Sie dazu gekommen?
Vinzenz K.: Ich fand diese quietschvergnügten Bilder und schwer zu entziffernden Buchstaben aufregend. Ich dachte: Aha, so kann man Buchstaben auch malen! Ich habe mich dann lange damit beschäftigt, weil man Graffiti-Maler ja nicht über Nacht wird. Das muss man sich erarbeiten und erkämpfen. Erst fängt man an, die Schulbank zu bemalen – und plötzlich hält man Dose und Lackstift in der Hand. Und ehe man sich’s versieht, sprüht man auf einen Zug, spielt Katz und Maus mit der Polizei oder der Security.

profil: Also mehr Sucht als Hobby?
Vinzenz K.: Suchtpotenzial hat das Sprayen definitiv. Aber es ist nicht so, dass ich ständig den Kick brauche. Aber wenn man in der Früh am Bahnhof wartet, todmüde, alles Grau in Grau – und plötzlich fährt so eine Farbbombe ein, auf die Kinder zeigen, Jugendliche ihr Smartphone richten, und ältere Leute beginnen zu grinsen, dann widerspricht das doch dem öden Vorurteil, dass Graffiti unerwünscht und hässlich seien.

profil: Sie sind stolz auf Ihre Werke?
Vinzenz K.: Schon. Man hat sie selbst gemacht, man sieht seinen Namen, es wird einem ein bisschen warm im Magen. Und mit jedem Bild erinnert man sich an eine Besonderheit des Abends, der Nacht, der Situation.

profil: Hat der inzwischen inhaftierte Puber die Wiener Szene verändert?
Vinzenz K.: Mit solchen Leuten wollte ich nie etwas zu tun haben. Er war nicht der Einzige, der die relative Toleranz in Wien überstrapaziert hat. Sprayer wie er, die nicht auf Qualität, nur auf Quantität gehen, erhöhen das Stresspotenzial enorm. Wenn einer alle zwei, drei Tage ganze Waggonseiten vollsprüht, werden Securitys dort abgestellt. Puber hat uns durch das erhöhte Polizeiinteresse nur geschadet.

profil: In Wien sprayte es sich bis jetzt – im Vergleich zu anderen Städten – relativ ungeniert.
Vinzenz K.: Eigentlich schon. Natürlich galten Graffiti in Wien als Ärgernis. Aber andererseits war es auch so: Tut es uns nicht zu sehr weh, lassen wir euch in Ruhe. Und da muss man der Stadt ein Lob aussprechen. Die Menge der legalen Wände ist, verglichen mit anderen Metropolen, wirklich hoch. Und Wien hat bei Weitem nicht so ein Tagging-Problem wie Berlin oder Barcelona. Die Szene ist kleiner, aber gut vernetzt und international unterwegs. Man wird in 30 oder 40 Jahren unsere kunsthistorische Epoche „Illegalismus“ nennen. Und sich dann wundern, welche Kunstwerte da vernichtet wurden.

profil: Bemalen Sie auch legale ­Wände?
Vinzenz K.: Selten, obwohl ich Projekte wie die „WienerWand“ gut finde. Aber legales Malen ist fad. Mich interessiert alles abseits der Norm, alles Rebellische. Und beim Sprühen ist man in der freien Natur, strengt seinen Grips und seine Physis an. Auf Sprayer-Veranstaltungen gehe ich nicht, achte auf Distanz. Man darf sich nicht zu tief verstricken, sonst frisst einen dieser Mal-Drang auf.