Kann man Fruchtbarkeit berechnen?

Das Wiener Start-Up "Juno" behauptet Ja. Und hat einen Test entwickelt, der Frauen sagen soll, wie lange sie noch schwanger werden können. Dabei stellen sich einige kritische Fragen.

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Studium, Karriere, Selbstverwirklichung: Frauen schieben die Kinderplanung heutzutage immer häufiger nach hinten. Oft kann es dann bereits zu spät sein. Das Wiener Start-Up-Unternehmen "Juno“ hat aus diesem Grund einen Test entwickelt, der Frauen sagen soll, wie lange sie noch fruchtbar sind. Für diese Idee erhielt das junge Unternehmen vergangene Woche bei der "Puls4"-Start-Up-Show "2 Minuten 2 Millionen" ein Investment von über 1,2 Millionen Euro.

Nach potentiellen Käuferinnen muss man nicht lange suchen. Miriam ist nur eine von zahlreichen Frauen, die von der Start-Up-Idee sofort angetan war. Noch am gleichen Abend bestellte sich die 32-Jährige den Test. „Das ist genau das was ich brauche und viele weitere Frauen sicher auch. Der Test ist genau das, was mir jetzt mit Anfang 30 hilft, mein Leben so zu planen wie ich es gerne hätte. Zu wissen wie lange ich noch Kinder bekommen kann, ist für mich als Inhaberin einer eigenen Firma ein riesiger Vorteil. Ich habe den Test deshalb noch am selben Abend bestellt“, sagt die junge Frau gegenüber profil. Über hundert Frauen bestellten den Test in der Woche nach der Sendung.

Der Test geht so: Der Fruchtbarkeitstest "Juno“ soll Auskunft darüber geben, wie der Eizellenvorrat der jeweiligen Frau aussieht. Das heißt, wie viele Eizellen sich noch in den Eierstöcken der Frau befinden. Das wird in Vergleich zu anderen Frauen gesetzt. Der Test kostet 149 Euro und besteht aus einem Bluttest und 18 Fragen über die Lebensumstände der Testerin, welche online beantwortet werden müssen. Den Test zur Blutabnahme bekommt man nach Hause geschickt. Nach drei bis vier Werktagen wird das Ergebnis übermittelt.

„Es gibt bereits 26-jährige Frauen die schon am Ende ihrer Fruchtbarkeit angekommen sind und es gar nicht wissen."

Neben Daten wie Größe, Gewicht, Alter und Herkunft wird nach Faktoren wie Rauchen, Sport und Ernährung gefragt. Ebenso gefragt wird man nach: "Alter der ersten Regelblutung", "Menopause der Mutter", ob man schon eine Schwangerschaft hatte und nach früheren Operationen.

Hinter dem Test stehen Alexander Just, Gynäkologe und Kinderwunscharzt und Silvia Hecher, vorher Medizinjournalistin. Mit dem Test, den sie seit Ende 2015 anbieten, möchten sie Frauen eine langfristige Familienplanung ermöglichen und verhindern, dass ein zu später Kinderwunsch womöglich unerfüllt bleibt. „Es gibt bereits 26-jährige Frauen die schon am Ende ihrer Fruchtbarkeit angekommen sind und es gar nicht wissen. So kommen sie unwissentlich in eine biologische Sackgasse, davor wollen wir die Frauen schützen“, sagt Just im Gespräch mit profil. Der sechsseitige Befund ist laut laut dem Mediziner auch für ein Gespräch mit dem eigenen Gynäkologen geeignet.

Prognose über Fruchtbarkeit für nächsten zehn Jahre?

Das Ergebnis des Tests ist eine Prognose wie viele Jahre die jeweilige Frau noch fruchtbar ist – und wie sich die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft mit der Zeit verändern wird. Der Befund stellt grafisch dar, wie sich der Eizellenvorrat in den nächsten zehn Jahren entwickeln und wann die Frau in eine kritische Phase ihrer Fertilität kommt.

„Was den Eizellenvorrat angeht kann sich die Frau auf den Test verlassen", sagt Just. Punkte wie eine Samenanalyse des Mannes oder die Eileiteroffenheit der Frau werden nicht betrachtet. Darum müssen sich die Frauen selbst kümmern.

Fruchtbarkeitstest "JUNO"

Kann das nicht jeder Gynäkologe machen?

Laut dem Unternehmen soll es der „weltweit erste softwaregestützte Hormontest“ sein, der Frauen eine Prognose gibt, wie lange sie noch Kinder bekommen können. Die Kombination aus diesen drei Punkten: Fragen über die Lebensumstände der Frau, Bestimmung des sogenannten anti-Müller-Hormon (AMH) unter altersspezifischer Betrachtung und ein wissenschaftlich basierter Algorithmus sei weltweit einzigartig.

Kritik an dem Test ließ nicht lange auf sich warten - Jeder Gynäkologe könne mit einem Bluttest das AMH bestimmen, und das um einen günstigeren Preis. Das stimmt, theoretisch. Bei einigen Gynäkologen kostet die Bestimmung des AMH-Wertes gerade mal 50 Euro. Just sieht dabei jedoch ein Problem. Laut ihm würden die meisten Gynäkologen nur das AMH Hormon feststellen, aber im Anschluss kein Gespräch mit der Frau durchführen und nicht ihre Lebensumstände mit einbeziehen. Nur anhand des AMH-Wertes kann man laut Just nicht sagen, ob eine Frau einen guten oder schlechten Fertilitätswert hat.

Die Bestimmung des AMH-Wertes in Kombination mit weiteren Einflussfaktoren auf die Fertilität ist derzeit der beste Parameter für eine Abschätzung, ob man noch schwanger werden kann. Dieser Meinung ist auch Christian Egarter, Leiter der Klinischen Abteilung Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin von der Medizinischen Universität Wien. Trotzdem sagt er: „Ob der AMH Wert besser ist als nur die Bestimmung des Alters der Frau kann noch nicht definitiv gesagt werden.“

Nur die Durchführung eines generellen AMH-Wertes bei einem Gynäkologen mache auch für Egarter keinen Sinn - der Wert allein sage nichts allzu viel aus. Grundsätzlich wir der AMH-Wert von einigen Faktoren beeinflusst, hauptsächlich durch das Alter. Bis zum 25. Lebensjahr steigt der AMH-Wert, danach sinkt er laut Egarter wieder. Der Wert geht also parallel mit dem Alter zurück.

Das AMH und der 'Juno' Test sagen nichts über die Qualität von Eizellen, sondern nur über die Quantität aus und daher nicht ob man noch schwanger werden kann. Eine Frau kann viele Eizellen haben, aber trotzdem nicht schwanger werden.

Der Gynäkologe wirft ein, dass bisher noch nicht nachgewiesen wurde ob in der breiten Masse, also bei Frauen mit einer normalen Fertilität, die Bestimmung des AMH Wertes aussagt, ob die Fertilität noch erhalten ist oder nicht. Dieser Test wurde in den letzte Jahren verstärkt bei Frauen die nicht schwanger wurden verwendet.

Gynäkologe: "Nicht wissenschaftlich abgesichert"

„Das AMH und der 'Juno'-Test sagen nichts über die Qualität von Eizellen aus, sondern nur über die Quantität und daher auch nicht ob man tatsächlich noch schwanger werden kann. Eine Frau kann viele Eizellen haben, aber trotzdem nicht schwanger werden. Das heißt nicht, dass der AMH-Test schlecht ist, das ist das Beste was es derzeit gibt. Jedoch sind Prognosen bezüglich einer Schwangerschaft bis dato nicht wissenschaftlich abgesichert“, sagt der Arzt im Gespräch mit profil.

Der Arzt gibt zu bedenken, dass der Test Frauen auch in zwei problematische Richtungen beeinflussen könnte: „Entweder, dass sich die Frau in einer falschen Sicherheit wiegt oder wenn der Test schlecht ist, dass sie ihre Karriere hinwirft und schaut, dass sie unbedingt schwanger wird." Schlecht sei der Test aber dennoch nicht.

Theoretisch könnte jeder Gynäkologe den AMH Wert bestimmen und die Lebensumstände der Frau erfragen. „Dafür muss der Gynäkologe aber gut informiert sein – über die einzelnen Einflussfaktoren und ein Backgroundwissen zu diesem Thema haben, das nicht jeder Gynäkologe aufweist, um die Frau entsprechend gut beraten zu können,“ sagt Egarter.

Test soll Bewusstsein schaffen

„Die Idee ist grundsätzlich interessant, aber eine entsprechende Expertenberatung bei einem Gynäkologen in der die zusätzlichen Parameter mit einbezogen und unter verschiedensten Einschätzungen betrachten werden, ist sicher besser“, sagt der Gynäkologe. Positiv sieht Egarter aber, dass dieser Test möglicherweise "ein Bewusstsein in der Bevölkerung über die Abnahme der Fertilität ab etwa dem 35 bis 40 Lebensjahr schaffen kann und dass ein Kinderwunsch nicht beliebig hinaus geschoben werden kann.“

Miriam freut sich auf jeden Fall über die Möglichkeit. Sie hat bereits den Bluttest zu Hause gemacht und wartet auf das Ergebnis.