Eatdrink: Klaus Kamolz

eatdrink von Klaus Kamolz Banane mit Blunz’n

Banane mit Blunz’n

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Der Weg zu einem der begehrtesten Tische in der Wiener Gastronomie führt vorbei an Einkaufswagerln, Obst und Gemüse hinauf in den zweiten Stock. Bei den teuren Whiskys gleich ums Eck ist das Ziel, ein schmales Entrée zur sogenannten Fine Dining Area. Kim kocht im Supermarkt; naja, der Merkur auf dem Hohen Markt ist jetzt nicht nur ein dahergelaufener Supermarkt, der hat schon was. Und deshalb fand Kim Sohyi, die ursprünglich zwischen ihrem Stammhaus hinter der Volksoper und dem Restaurant im Kaufhaus switchen wollte, hier auch Unterschlupf, als – wie man hörte – ein Wasserrohrbruch ihr altes Restaurant unbenutzbar machte.
Ich denke, man muss diesen Ortwechsel noch einmal deutlich kommunizieren. Kim kocht nicht mehr in der Lustkandlgasse. Warum ich glaube, das sagen zu müssen? Weil ich neulich, an einem Montagabend um 19.30 Uhr, die Plätze Nr. 7 und 8 von insgesamt 20 Plätzen in Beschlag nahm und damit rechnete, dass das Lokal in der nächsten halben Stunde rappelvoll sein würde. So war das früher immer. Ein Tisch bei Kim? Da hattest du ein Zeitfenster von wenigen Minuten, um einen Tisch in zwei Monaten zu ergattern. Kim war stets so schnell ausgebucht wie ein Rolling-Stones-Konzert in einem Londoner Pub, und das zweimal pro Abend.
Die restlichen zwölf Plätze blieben leer. Zwei Damen kamen später noch, wurden aber weggeschickt, weil sie keine Reservierung hatten. Nun gut, mag sein, dass die Ressourcen für das offerierte Überraschungsmenü genau nach den Buchungen kalkuliert werden. Aber das ist jetzt echt nicht mein Problem. Mag sein auch, dass dem Publikum der Weg durch einen noch geöffneten Laden, vorbei an Wagerl schiebenden Menschen, zu einer der bekanntesten Köchinnen des Landes befremdlich anmutet. Immerhin wurde zwischen Shop und Lokal mittlerweile eine hölzerne Barriere errichtet, aus der noch Kims Kochbücher wie breite Zaunlatten emporragen. Aber das Licht ist kalt und grell; es ist Licht, das Lebensmittel ausleuchten soll, nicht Stimmung machen.

Kims Überraschungsmenü – es gibt nur ein solches – ist eine Abfolge von kleinen Gängen, manche nicht mehr als ein Bissen. Eh angenehm. Ein butterweiches, fingerlanges Tentakelstück vom Oktopus mit Kräuter-Couscous und einer hauchdünnen Scheibe Ananas. Sehr gut, aber aufregend ist auch anders. Dann ein Segment ausgehöhlter, mit cremiger Blunze gefüllter Banane. Das passt wunderbar; das ist die Kim, über die einst geraunt wurde, sie würde Tunfisch mit Grammeln servieren, und das würde sich auch noch ausgehen, ja sogar fantastisch schmecken.
Ein Esslöffel Seetang-Risotto mit eingelegtem Seetang und Seeigelrogen – das bitte auch, ja. Zwei Highlights wären noch zu vermelden: der Saibling in einer Art Zitrusmayonnaise aus „Buddhas Hand“ mit marinierter Nashi-Birne, und zwei kleine Sushi-Hybride mit kurz angegrilltem Dry Aged Beef.
Dann aber kommen gebratene Wachtelstücke in einer krankenhausreif faden Reis-Pinien-Sauce. Und ein verblüffend widerspenstiger und fasriger Quader Schweinebauch (da kenne ich viele weit bessere) mit gedünstetem, farblich wie geschmacklich blassem Pak Choi und einer kurz angebratenen, harten und beißend scharfen Knoblauchzehe. Das Dessert, in unserem Fall eine recht herkömmliche Lemongrass-Crème-brûlée, ist im Menü zu 100 Euro nicht enthalten. Ich halte das für überteuert, zumal im Vergleich zu den vielgängigen Menüerlebnissen bei „Konstantin Filippou“ (91 Euro) und im „Steirereck“ (135 Euro).

Der Service bringt mich, vorbei wieder an den teuren Whiskys, ins Erdgeschoss und übergibt mich dem Security-Mann beim Eingang. Sehr nett. Oder macht der das nur, damit ich unterwegs nichts klaue im mittlerweile menschenleeren Feinkostparadies?

Kim kocht im Merkur, Hoher Markt
Hoher Markt 12, 1010 Wien
Tel.: 01/319 02 42
www.kimkocht.at
Mo–Fr 11–23 Uhr; Sa 11–18 Uhr; So geschlossen
Menüs: 70 und 100 Euro

[email protected]