Eatdrink: Klaus Kamolz

eatdrink von Klaus Kamolz: Das legendäre Anzengruber-Gulasch

It’s the onion, stupid!

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Im Anfang war das Kolasch; das war im Jahr 1819, als in einem Prager (gar nicht in einem Budapester) Kochbuch ein Rezept über ungarisches Kolaschfleisch erschien. Eine weitere Variante, das Wiener Kolaschfleisch, enthielt nicht einmal Paprikapulver. Später kam das Gollasch, dann das Gulyas (das ja, wie vergangene Woche schon erwähnt, eher eine Gulyassuppe ist). Und schließlich das Gulasch, wie wir es kennen. Viele haben sich schon an diesem Gericht abgearbeitet. Der Kulinarik-Gelehrte Rolf Schwendter verfasste zum Beispiel eine Dialektik des Gulasch, der große Connaisseur Joseph Wechsberg konnte sogar jede einzelne Abart benennen, was ihn allerdings zu der Meinung verleitete, es gebe viel zu viele Arten von Gulasch. Nun ja, stimmt auch irgendwie. Sieht man von Szegediner- und Erdäpfelgulasch ab, gibt es auch Rinder-Versionen für Fiaker, Znaimer und Naschmarktstandler.

Wir widmen uns diese Woche jener Subspezies, die als Anzengruber-Gulasch bezeichnet werden kann. Es ist die puristischste, die ich kenne - und meine liebste. Schon vor einiger Zeit hat mir die charismatische Wirtin des "Café Anzengruber" (Schleifmühlgasse 19, 1040 Wien), Ankica Saric, die orthodoxe Zubereitung erklärt. Lange harrte das Rezept seiner Umsetzung. Mir saß vielleicht noch die Zubereitung des Gumbo-Eintopfs nach einem Rezept von Bob Dylans Bassisten Tony Garnier in den Knochen, oder besser: in den Muskeln. Für diesen schwang ich knapp zwei Stunden den Schneebesen, um eine braune, aber nicht angebrannte Einbrenn, Roux genannt, zu erzeugen. Viel weniger Zeit braucht der erste Schritt zum perfekten Gulasch auch nicht.

Regel Nr. 1 für das Anzengruber-Gulasch: 1,5 Kilo Zwiebeln müssen etwa 1,5 Stunden bei kleiner Hitze gerührt werden, dann duften sie herrlich satt und süß. Aber wehe, du entfernst dich dabei vom Topf, schon sind die Zwiebeln verbrannt und bitter. Also: It’s the onion, stupid!

Regel Nr. 2: Schulterscherzel statt Wadschinken. Und zwar gut gereiftes Schulterscherzel, sagt Ankica Saric. Das aromatisiert nämlich den Saft statt der Gewürze. Knoblauch, Kümmel und Majoran sind hier unerwünscht. Schulterscherzel enthält zudem eine dicke Gallertschicht, aus der der Fond zur Bindung bereitet wird.

Regel Nr. 3: Man darf sich bei diesem Gulasch nix pfeifen, wie man sagt, und die wichtige Zutat Vegeta ablehnen, weil sie eine Art Geschmacksverstärker ist. Das kroatische Würzpulver gehört einfach dazu.

Rindsgulasch
1,5 kg Zwiebeln fein schneiden und kalt mit ca. 50 ml Pflanzenöl in einem großen Topf auf den Herd stellen, Hitze kurz hochdrehen, dann reduzieren. Die Zwiebeln ganz langsam bräunen, dabei immer wieder gut durchrühren. 1,5 kg Zwiebeln brauchen bis zur optimalen, gleichmäßig braunen Farbe etwa 1 1/2 Stunden.

Währenddessen 1,5 kg gut gereiftes Schulterscherzel für das Gulasch zuputzen: Flachsen und Sehnen abschneiden, die Gallertschicht, die das Schulterscherzel durchläuft, herausschneiden. Alle Fleischabschnitte mit einer Handvoll Wurzelgemüse in einem Topf mit ca. 1 l Wasser aufkochen und dahinköcheln lassen. Das Fleisch in ca. 5 cm große Würfel schneiden. Wenn die Zwiebeln fertig sind, Fleisch in den Topf geben und unter Rühren andünsten, bis es außen nicht mehr rot ist. Mit 1 EL grob gemörsertem Pfeffer, 20 g edelsüßem Paprikapulver, 10 g Pul Piber (scharfe Paprikaflocken; in jedem türkischen Lebensmittelgeschäft erhältlich) und 10 g Vegeta würzen, kurz durchmischen und mit einem Schöpfer vom Fond aus den Abschnitten ablöschen. Jetzt das Gulasch ca. 1 1/2 Stunden köcheln lassen, nach und nach schöpferweise Fond dazugeben. Zum Schluss die Konsistenz mit etwas Fond nach Wunsch regulieren, erst jetzt salzen und noch ca. 15 Minuten heiß ziehen lassen.

Am besten schmeckt dieses Gulasch natürlich, wenn man es einmal ganz auskühlen lässt und dann erwärmt.

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