Eatdrink: Klaus Kamolz

eatdrink von Klaus Kamolz Lieber ohne Storch

Lieber ohne Storch

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Postings über die Zeit der Kasteiung sind die neuen Katzenfotos. Allerorten wird Verzicht vermeldet. Kein Wein, kein Fleisch, viel Wasser, viel Vegetarismus. Und längst nicht nur in religiös angehauchten bis umgeblasenen Kreisen. Christliches Fasten und weltliche Wiederherstellung des Wohlbefindens nach weihnachtlichen Gelagen überschneiden sich in den vorösterlichen 40 Tagen. Das spüren auch viele Wirte. Dann jammern manche noch ein bissl mehr als sonst, und andere drehen den Laden zu, weil kaum jemand kommt.

Max Stiegl, Patron und Küchenchef im Gut Purbach zwischen Neusiedler See und Leithagebirge, hat offen, weil er wieder einmal eine Idee hatte. Es gibt nicht viele Köche in Österreich, die ein Sensorium für den gerade aktuellen kulinarischen Weltgeist haben und daraus auch noch etwas machen. Stiegl ist ein Pionier der zeitgemäßen Innereienküche, was sich seit Jahren in einschlägigen Menüs spiegelt; und er hat das „Nose To Tail Eating“, einen hippen Trend, den der Londoner Chef Fergus Henderson vor zehn Jahren mit einem Buch salonfähig machte, in Gestalt jährlicher Sautänze mit den Wurzeln seiner Bestimmung, nämlich dass von einem geschlachteten Tier nicht nur die Edelteile herausgeschnitten werden dürfen, in Verbindung gebracht: Nierndln, Grammeln, Blunz’n, Leberwurst.
Jetzt also Fastenküche, weil sie in der Luft liegt. Aber Stiegl muss selbst lachen, wenn man ihm zubilligt, ein Koch mit gesellschaftlichem Gespür zu sein. „Wenn mir in dieser Zeit nichts einfällt“, sagt er, „kann ich zusperren. Am Land wird die Fastenzeit nämlich erstaunlich ernst genommen.“ Deshalb serviert er jetzt bis Ostern ein eigens zusammenrecherchiertes Menü mit historischen Gerichten aus Österreich und seinen Nachbarländern, nicht ganz orthodox, dafür aber für die Gegenwart adaptiert. Als gebürtiger Slowene bedient er sich dabei auch aus dem Meer. Knusprig frittierte Ährenfischchen kombiniert er mit einer Creme, die mit dem zum Abwinken auf und ab gekochten Bärlauch versöhnt. Der Weinsud für die Herzmuscheln ist mit Bröseln mollig gemacht. Zu den Calamari kommt eine vegetarische Sarma-Rolle mit Buchweizen. ­Natürlich gibt’s auch die Herr­gottsb‘scheißerle, die berühmten schwäbischen Maultaschen, in denen früher das Fleisch vor dem Allmächtigen versteckt wurde. Und der oberösterreichische Oafisch, ein in säuerlichem Sud pochiertes Ei (angeblich flog Anton Bruckner drauf), kriegt ein Selleriepüree und die ersten Wildkräuter des Jahres (Veilchen, Gänseblümchen, Vogelmiere) beigestellt.

Landläufig kursiert ja die Meinung, dass mönchisches Fasten in den Klöstern seit dem Mittelalter eher situationselastisch praktiziert wurde; eine der aberwitzigsten Geschichten dazu ist die von den Wildschweinen, die fastentauglich gemacht wurden, indem man sie durch den Dorfteich trieb, wodurch sie zu erlaubtem Wassergetier wurden. Soll also einer noch sagen, die Kirche kriegt keine Wunder gebacken. Um seinem Menü ein wenig Luxus angedeihen zu lassen, muss Stiegl aber gar nicht so weit gehen. Er brät eine fantastische Languste, die dann mit einem pikanten Bohnenragout serviert wird. Und Froschschenkel, ganz ausgezeichnete, butterzarte Froschschenkel.

Was allerdings sonst noch zur Fastenspeise erklärt wurde, damit es den Dienern Gottes an nichts mangle, darüber will Stiegl lieber gar nicht erst reden. Sonst müsste er die gesamte rote Liste der bedrohten Fauna des Neusiedler Sees in die Pfanne hauen, inklusive Storch. So christlich wollen wir lieber doch nicht sein.

Gut Purbach
Hauptgasse 64, 7083 Purbach
Tel.: 02683/560 86
www.gutpurbach.at
Di, Mi geschlossen
Fastenmenü (bis 17. April):
39 bis 69 Euro

[email protected]