Eine kleine Nacktmusik

Menschen des Jahres: Miley Cyrus wurde erwachsen. Oder auch nicht

Menschen des Jahres 2013. Miley Cyrus wurde erwachsen. Oder auch nicht

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Zwei Expertenmeinungen zu Miley Cyrus, konkret zu Miley Cyrus’ Auftritt bei den MTV Awards Ende August, bei dem der ehemalige Disney-Kinderstar sich in hautfarbener Latex-Unterwäsche und allerlei unzweideutigen Posen zur Deppin gemacht, mit einem übergroßen Schaumstoffhändchen eindeutig Unfug getrieben und damit das MTV-affine Weltpublikum vor den Kopf gestoßen hatte. Experte Nummer eins, Steve Chmelar, der honorige Erfinder des Schaumstoffhändchens, erklärte gegenüber Fox News, dass Frau Cyrus "dem eigentlichen Sinn meiner Erfindung, nämlich Mannschaftssportarten zu bejubeln, mit Sicherheit nicht korrekt nachgekommen“ sei. Experte Nummer zwei, Psychologe Prof. Dr. Alfred Gebert aus Münster, lieferte im deutschen Fachblatt "Intouch“ eine Interpretation der tiefenpsychologischen Hintergründe: "Ihr Verhalten ist eindeutig als Schrei nach Aufmerksamkeit zu verstehen.“

Beide Herren haben selbstverständlich Recht - so wie jeder Recht hatte, der sich in diesem Herbst über Miley Cyrus äußerte. Schließlich gehört es zum Daseinszweck von Popstars, Reaktionen auszulösen, die immer richtig sind, weil es egal ist, ob sie wahr oder falsch oder komplett daneben sind. Trotzdem gab es schon lange keinen Popstar mehr, der derart missverstanden wurde wie Miley Cyrus. Die junge Frau, die vor 22 Jahren als Destiny Hope Cyrus zur Welt kam, weil ihr Vater, der Country-Sänger Billy Ray Cyrus, der Ansicht war, dass es das gottgewollte Schicksal seiner Tochter sei, Hoffnung in die Welt zu bringen, trug in diesem Jahr die Hoffnung zu Grabe, dass die Welt den Unterschied zwischen Leben und Werk irgendwann doch noch kapieren könnte. Die Empörung, die auf Cyrus’ MTV-Auftritt folgte (sowie auf die diversen Halbnacktbilder im Fahrwasser ihres tollen neuen Albums "Bangerz“), ließen auf ein profundes Missverständnis schließen, nämlich dass da eine 22-Jährige öffentlich erwachsen werde und dabei - wie übrigens jeder andere erwachsen Werdende - ziemlich viel Blödsinn mache.

Wahr ist vielmehr, dass Miley Cyrus das Erwachsenwerden schon längst erledigt hat und nur deshalb öffentlich Blödsinn macht, weil es zu ihrer Job Description gehört. Ein Schrei nach Aufmerksamkeit? Ja, schon. Aber mit Psychologie hat er so viel zu tun wie mit Mannschaftssport.

Der beste Expertenkommentar zur Causa stammt denn auch von Miley Cyrus selbst, die auf die öffentliche Sorgenkrämerei ihrer ehemaligen TV-Mutter Brooke Shields zum Thema "junge Frauen und öffentliche Sexualität“ verwundert replizierte: "Aber Brooke hat doch schon mit zwölf eine Prostituierte gespielt.“ Das ist richtig und wahr und wird in seiner Weisheit nur vom finalen Experten in all diesen Fragen übertroffen, nämlich von Billy Ray Cyrus: "Sie ist noch immer mein kleines Mädchen.“

Die Menschen des Jahres 2013:

# Angela Merkel hielt den deutschen Haushalt sauber.

# Frank Stronach sorgte für Erheiterung

# Maria Fekter quasselte sich ins politische Out

# Marcel Hirscher bewies wieder einmal Zug zum Tor

# Matthias Strolz beflügelte den Wahlkampf mit Heilsleere

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.