Gustav Kuhn

profil-Morgenpost: Vertreibung aus diversen Paradiesen

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Angelika Hager

„Ob Sie es glauben oder nicht: Erl war das Paradies, weil es ja nur eine einzige Herzlichkeit ist”, ließ der geschasste Intendant der Erler Opernfestspiele Gustav Kuhn das Gremium der Gleichbehandlungskommission wissen, vor dem er sich des Machtmissbrauchs und zahlreicher sexueller Übergriffe während seiner Intendanz zu verantworten hatte. Wahrscheinlich war sich der alte, weiße, monomanische Mann der zynischen Doppeldeutigkeit seiner Aussage in diesem Moment gar nicht bewusst. Denn in seinem Tiroler Mini-Bayreuth herrschte eine Diktatur der physischen Gewalt, Angst und Abwertung, die viele Sängerinnen jahrelang als Teil der Alltagskultur des Festivals erdulden mussten. Paradiesische Zustände für einen Mann, der sich „ein Recht auf sexuelle Dienste” heraus nahm, so eine der fünf Sängerinnen, die mitgeholfen hatte, dass am vergangenen Donnerstag „#Metoo”-Geschichte geschrieben wurde”, so die Autorin Edith Meinhart. Denn da wurde bekannt, dass das „unabhängige, im Bundeskanzleramt angesiedelte Gremium den Künstlerinnen glaubte - und nicht ihrem mächtigen Gegenüber”, so Meinhart. In ihrer Geschichte „Der Triumph der Sängerinnen” gibt Meinhart, die das Unwesen des vom Bau-Tycoon Hans Peter Haselsteiner gesponsorten Dirigenten und Intendanten 2018 als erste in profil aufdeckte, exklusive Einblicke in die oft erschütternden Vernehmensprotokolle, führte lange Interviews mit den Künstlerinnen und analysiert die bizarre Welt und den Machtwahn eines Mannes, in dessen Selbstbild Frauenverachtung, Narzissmus, Hybris und Sexismus eine so schäbige wie jahrelang unbeanstandete Allianz eingehen konnten. Nicht nur ein Triumph für die Sängerinnen, sondern auch für Edith Meinhart, die über ein Jahr im Sumpf in und um Erl akribische Recherchearbeit betrieben hat.

Eine weitere Vertreibung aus einem anderen Paradies, nämlich dem des Postenschachers und der Günstlingswirtschaft, legen Christina Hiptmayr und Stefan Melichar in der aktuellen Ausgabe da. Protagonisten dieses Austro-Thrillers: Zwei ehemalige Finanzminister der ÖVP, ein Ex-Staatssekretär und ein Ex-Vizekanzler der FPÖ. Der Plot: ein mutmaßlicher Deal zwischen Politikern und einem privaten Glücksspielunternehmen, der anschaulich zeigt, wie alte weiße Männer über neue Technologien stolpern. Lesen Sie, warum der ehemalige FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo, in seiner Funktion als Finanzvorstand schon seit drei Monaten nicht mehr in seinem Büro aufgetaucht ist, und warum er noch im Februar 2019 laut der Handynotiz des Aufsichtsratpräsidenten Walter Rothensteiner „ein Muß” war.

Als Genrebezeichnung würde hierbei die tragische Posse passen, nach der Lektüre stellt man sich in jedem Fall die Frage: „Wieviel Österreich verträgt dieses Land?”

Paradiesische Lektüre wünscht

Angelika   Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort