Jakob Pöltl im Wiener Esterházypark

NBA-Spieler Jakob Pöltl: "Die Ibiza-Affäre hat mich an Trump erinnert"

Ein Gespräch über das Leben in den USA, Falco-Songs beim Training und Freundschaftspflege via "Fortnite".

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Jakob Pöltl ist eine Erscheinung, zu der man aufblickt: zwei Meter, 13 Zentimeter. Zum Interview im Wiener Café Ritter erscheint der 23-Jährige mit Ball, im Sportoutfit und leicht verspätet. "Die letzte Einheit hat leider länger gedauert, es ist gerade etwas stressig", sagt der Center der texanischen NBA-Mannschaft San Antonio Spurs, Rückennummer 25. Pöltl bestellt ein großes Soda-Zitrone. Demnächst beginnt seine vierte Saison in der National Basketball Association (NBA), der besten Liga der Welt.

profil: Sie spielen als erster Österreicher in der NBA. Wie reagieren die Menschen in den USA, wenn sie hören, dass Sie aus Österreich kommen? Jakob Pöltl: Der Name Arnold Schwarzenegger fällt normalerweise als Erstes. Danach kommt oft Falco. Bei meiner Mannschaft in San Antonio hat ein Coach während des Trainings eine Soundmaschine in der Halle platziert und "Der Kommissar" sowie "Vienna Calling" von Falco gespielt. Das fand ich sehr lustig, da ich als Kind immer gerne Falco gehört habe.

profil: Sie sind mit 18 Jahren von Wien nach Nordamerika übersiedelt, zunächst an das College in Salt Lake City, dann zu Ihrer ersten NBA-Station nach Toronto. Mittlerweile sind Sie in Texas gelandet. Wie haben Sie Amerika in diesen fünf Jahren erlebt? Pöltl: Die Unterschiede sind enorm. Vom Lebensgefühl her hat es mir in Toronto am besten gefallen. Die Stadt ist sehr multikulturell und riesig, da ist immer was los. Die zwei Jahre im konservativen Salt Lake City waren aber auch sehr aufregend. Ich kam frisch aus der Schule, lernte viele Menschen kennen und konnte mich optimal auf das Basketballspielen konzentrieren. Nun bin ich seit einem Jahr im basketballverrückten San Antonio. Für meine sportliche Entwicklung war das wichtig, weil ich als Spieler eine größere Rolle bekommen habe. Zudem sind die Spurs ein großer Name in der NBA.

Die San Antonio Spurs aus der zersiedelten Autostadt San Antonio sind ein Vorzeigeverein der NBA. In den vergangenen zwei Jahrzehnten gewann der Verein aus dem Süden von Texas fünf Meistertitel, er steht für makellosen Teamsport und ein schönes Spiel. Trainerlegende Gregg Popovich (70) gilt als uneingeschränkte Autorität und meldet sich regelmäßig kritisch zu gesellschaftspolitischen Entwicklungen in den USA zu Wort. Ganz freiwillig erfolgte Pöltls Wechsel von Toronto nach San Antonio allerdings nicht. In einem sogenannten Trade wurde er für einen anderen Spieler getauscht.

profil: Wie läuft ein solcher Wechsel ab? Standen Sie nichts ahnend bei Starbucks in der Schlange und erhielten einen Anruf: "Jakob, pack deine Sachen, ab morgen spielst du in Texas?" Pöltl: Ungefähr so. Ich machte mit meiner Familie gerade Urlaub in Österreich, als mich mein Agent anrief. Zu Beginn wollte ich den Anruf noch ignorieren, weil ich den Urlaub genießen wollte. Als ich dann aber noch eine SMS bekam, war schnell klar, dass meine Zeit in Toronto vorbei war. Gerechnet habe ich mit dem Wechsel aber nicht.

profil: Niemand hat auch damit gerechnet, dass Ihr Ex-Verein heuer im Juni als erste kanadische Mannschaft einen NBA-Titel holen würde. Hat Sie das gewurmt? Pöltl: Natürlich wäre es cool gewesen, mit den Toronto Raptors den Titel zu gewinnen. Ich habe dort als Rookie zwei tolle Jahre verbracht. Aber es überwiegt die Freude, dass einige meiner ehemaligen Teamkollegen den Traum des NBA-Titels verwirklichen konnten. Mit Was-wäre-wenn-Fragen will ich mich nicht länger aufhalten. Da schaue ich lieber nach vorn.

profil: Aktuell bereiten Sie sich in Wien auf die kommende Saison vor und leiten zum ersten Mal Ihr eigenes Nachwuchscamp. Werden Sie in Österreich mittlerweile auf der Straße erkannt? Pöltl: Mein Bekanntheitsgrad hat stark zugenommen. Immer mehr Leute kommen auf mich zu und sprechen mich an. In San Antonio und in Toronto ist das aber ganz anders, dort hat Basketball einen unglaublichen Stellenwert, und ich kann mich nicht so frei bewegen wie hier in Wien.

Pöltls Heimataufenthalt in Österreich fiel in eine außergewöhnliche Zeit. Vom Ibiza-Video hörte er noch beim Kofferpacken in San Antonio, bevor es ins Flugzeug nach Wien ging. Kurz darauf trat Vizekanzler Heinz-Christian Strache zurück, die Koalition zerbrach, und die Übergangsregierung übernahm die Geschäfte.

profil: Wie haben Sie die österreichische Regierungskrise als Wahl-Amerikaner wahrgenommen? Pöltl: Noch bevor ich das Video gesehen hatte, war mir klar, dass etwas Gröberes passiert sein musste. Es geschieht nicht oft, dass politische Neuigkeiten aus Österreich in dieser Intensität zu mir durchdringen. Ich bin mittlerweile fast schon ein Außenstehender. Für mich war das eine sehr eigenartige Situation, und ich fand das alles ziemlich lächerlich. Eigentlich bleibt einem nichts anderes übrig, als das Ganze mit Humor zu nehmen.

profil: Sind Sie durch US-Präsident Donald Trump schon abgehärtet? Pöltl: Die Ibiza-Affäre hat mich tatsächlich an so manchen Trump-Skandal erinnert. Aus Österreich bin ich solche Geschichten aber nicht gewohnt. In den USA werden derartige Vorfälle recht schnell satirisch aufgearbeitet. Das hilft.

profil: Ihre aktuelle Heimat San Antonio ist nach Detroit die zweitärmste Stadt der USA. Wie nehmen Sie das wahr? Pöltl: Es gibt gewisse Gegenden in San Antonio, die sehr arm sind. Die Stadt ist sehr weitläufig, und man lebt in seiner eigenen kleinen Welt -dadurch bekommt man auch nicht viel mit. Der Verein organisiert immer wieder wohltätige Projekte, und als Spieler verteilt man Essenspakete an bedürftige Familien oder bringt zu Weihnachten Geschenke. Erst vor Kurzem habe ich in einer Obdachlosenküche mitgeholfen. Es ist in der NBA durchaus üblich, dass Vereine auf gesellschaftliche Probleme eingehen und ein Bewusstsein dafür schaffen.

Ich war immer schon sehr zielstrebig, das habe ich wohl von meiner Mutter.

profil: Durchaus üblich ist es auch, dass bekannte Spieler wie LeBron James die sozialen Medien für politische Statements und Selbstdarstellung nutzen. Sie halten sich auf diesen Kanälen lieber zurück? Pöltl: Das soll jeder Spieler handhaben, wie er will. Mich interessiert es einfach nicht genug, auch wenn ich dadurch vielleicht gewisse Vorteile hätte. Ich schaue zwar hin und wieder auf Instagram oder Facebook, aber ich verbringe meine Freizeit lieber mit Freunden.

profil: Eine NBA-Saison umfasst 82 Spiele, Sie sind ständig im Flieger und treten alle paar Tage in einer anderen Stadt an. Wo finden Sie Ihren Ausgleich? Pöltl: Und das ist nur die reguläre Saison -meistens kommen noch die Playoff-Spiele hinzu. Das ist äußerst kräfteraubend. In meiner spärlichen Freizeit ist es vor allem wichtig, dass ich körperlich und mental abschalten kann, um mich für die nächsten Spiele vorbereiten zu können. Viel Energie bleibt dann nicht mehr übrig. Ich will vor allem Kontakt zu meinen Freunden zu Hause und vom College halten. Das funktioniert am besten über die Play- Station. Zuletzt habe ich mit ihnen sehr viel "Fortnite" gespielt. Natürlich geht es da auch ums Zocken, aber wichtiger ist mir der Austausch mit meinen Freunden.

Der sportliche Ehrgeiz, die Körpergröße und das besondere Ballgefühl wurden Jakob Pöltl in die Wiege gelegt. Seine Eltern Martina Pöltl und Rainer Ömer spielten beide in der Volleyball-Nationalmannschaft. Entdeckt wurde er im Sommer 2013 bei der U18-Europameisterschaft in Mazedonien, als er von Andy Hill, dem Assistenz-Coach seiner späteren College-Mannschaft, gescoutet wurde. "Manchmal siehst du einen Spieler, und es ist dir sofort klar, dass du ihn verpflichten willst", beschrieb der Talentesucher seinen ersten Eindruck des jungen Pöltl. Heute verdient Pöltl rund drei Millionen Dollar pro Jahr. Sein Trainer Gregg Popovich sagt über ihn: "Jakob ist ein sehr intelligenter Spieler, der sich gut bewegt und sich ständig verbessert. Er wird dem Team weiterhelfen können." Vor allem in der Verteidigung hat sich Pöltl in dieser Saison zum Schlüsselspieler entwickelt.

profil: Feuern Ihre Eltern Sie regelmäßig an? Pöltl: Vor allem meine Mutter ist stark in meine Karriere involviert. Sie steht oft in der Nacht auf und schaut sich die Spiele live im Fernsehen an. Vor dem Spiel bekomme ich eine "Viel Glück"-Nachricht, und ihre Kurzanalyse nach dem Spiel kann schon mal schärfer ausfallen. Sie hat mir auch bei meinen Umzügen in den USA geholfen und mir schon mal ein Bett in der richtigen Größe gesucht.

profil: Zweifeln Sie auch manchmal an sich selbst? Pöltl: Ich wollte unbedingt Profi-Basketballer werden. Ich bin aber nicht mit der Einstellung aufs College gegangen, in der NBA landen zu müssen. Wenn es für die NBA nicht gereicht hätte, würde ich heute wohl irgendwo in Europa spielen. Innerhalb der ersten Monate hat sich aber gezeigt, dass es möglich ist, und ich hatte keine Zweifel mehr, diesen Weg gehen zu wollen.

Jakob Pöltl mit Fotograf Peter M. Mayr

profil: In der abgelaufenen Saison haben Sie sich in die Startformation gespielt. Jetzt kommen Sie ins vierte Profijahr, danach läuft Ihr Vertrag aus. Setzt Sie das unter Druck? Pöltl: Es ist sicherlich ein sehr wichtiges Jahr für mich. Am Ende des Rookie-Vertrages strengen sich die Spieler besonders an, weil sie eine Vertragsverlängerung anstreben oder bei einem anderen Verein unterkommen möchten. Ich gehe mit der gleichen Einstellung in diese Saison wie in den Jahren zuvor. Ich will mich verbessern und meiner Mannschaft weiterhelfen. Bei mir gibt es sicherlich noch einiges an Verbesserungspotenzial.

profil: Zum Beispiel Ihre Dreierquote? Pöltl: Das Basketballspiel hat sich in den vergangenen Jahren rasant verändert. Die Drei-Punkte-Würfe wurden immer wichtiger, aber auch die klassische Rolle des Center wandelt sich. Früher wurde der lange Mann angespielt, der dann versuchte, Ball und Körper in Richtung Korb zu schieben. Heute ist es genauso wichtig, den Ball zu verteilen, Kommandos zu geben und das Spiel lesen zu können. Darin liegen auch meine Stärken. Heuer war es das erste Mal, dass ich eine tragende Rolle in einer Playoff-Serie spielen durfte. So eine Serie kann bis zu sieben Spiele gegen den gleichen Gegner gehen. Das hat noch einmal eine ganz andere Intensität und fordert die Psyche besonders.

profil: Haben Sie einen sportlichen Lebensplan? Pöltl: Ich war immer schon sehr zielstrebig, das habe ich wohl von meiner Mutter. Einen Langzeitplan oder eine Checkliste, die ich abhake, hatte ich allerdings noch nie. Ich lasse die Dinge lieber auf mich zukommen.

profil: Die Siegermannschaft wird traditionell ins Weiße Haus eingeladen. Werden wir Sie dort auch einmal sehen? Pöltl: Damit beschäftige ich mich nicht. Momentan konzentriere ich mich nur auf das kommende Jahr in San Antonio.

Jakob Pöltl, 23

Der gebürtige Wiener begann seine Profikarriere bei den Traiskirchen Lions, bevor er 2014 in die USA an das College von Salt Lake City wechselte. Nach der Auszeichnung zum besten College-Spieler in seiner Spielklasse bekam der 2,13 Meter große Center im Jahr 2016 einen Profi-Vertrag bei den Toronto Raptors, der einzigen kanadischen NBA-Mannschaft. Zwei Jahre später wurde er nach Texas zu den renommierten San Antonio Spurs getauscht. In der vergangenen Saison erreichten Pöltl und seine Mannschaft die erste Runde der Playoffs, mussten sich aber nach einer umkämpften Serie über sieben Spiele knapp mit 3:4 gegen die Denver Nuggets geschlagen geben.

Über diese Geschichte:

Einen ersten Gesprächstermin mit Jakob Pöltl mussten Stephan Wabl und Philip Dulle kurzfristig absagen: Die Ibiza-Affäre und ihre Auswirkungen machten den beiden passionierten NBA-Fans einen Strich durch die Rechnung. Pöltl nahm es auch gelassen, als Wabl schließlich mit einer Kappe der New York Knicks zum Interview erschien. Dulle hofft indes noch immer, dass es die Los Angeles Lakers nach Jahren der Durststrecke endlich wieder in die Playoffs schaffen. Auf dem Weg dorthin könnten sie aber an Jakob Pöltl und seinen Spurs scheitern.

Hartes Pflaster

Sportlich konnten sich bisher nur wenige Österreicher in den USA durchsetzen. Erst ein Österreicher konnte sich bisher in die Siegerliste einer der vier großen amerikanischen Sportligen Football, Basketball, Eishockey und Baseball eintragen. Anton Fritsch tauschte seine Karriere als Fußballer bei Rapid Wien mit jener als Kicker beim Footballteam Dallas Cowboys und gewann 1971 die Super Bowl. Seither waren vor allem österreichische Eishockeyspieler in den USA erfolgreich. Der Steirer Thomas Vanek geht heuer in seine 15. Saison in der NHL und ist derzeit auf Vereinssuche. Der Kärntner Michael Raffl ist seit sechs Jahren bei den Philadelphia Flyers unter Vertrag. Seit 2009 ist Michael Grabner, ebenfalls aus Kärnten, in der amerikanischen Profi-Eishockeyliga aktiv, derzeit bei den Arizona Coyotes. Daniel Royer ist der einzige Österreicher, der aktuell als Fußballer in den USA sein Geld verdient; er spielt seit 2016 für Red Bull New York. Andreas Ivanschitz gewann im selben Jahr mit den Seattle Sounders den Titel in der Major League Soccer. Es war der letzte Erfolg des ehemaligen Kapitäns der österreichischen Fußballnationalmannschaft.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.