Neue Alben: Britney Spears, Bright Eyes, Farewell Dear Ghost
Von Philip Dulle, Sebastian Hofer und Stephan Wabl
Britney Spears: Britney Jean (Sony Music)
Ende der neunziger Jahre war Britney Spears der Name einer Pop-Prinzessin, die es vom Mickey-Mouse-Club bis zum globalen Megastar schaffen sollte. Seitdem dient die heute 32-Jährige als Schablone für all die Teenie-Stars der Nuller- und Zehnerjahre, war Südstaatenjungfrau, zweifache Mutter, kahlgeschorenes Psychowrack und schwerreicher Star in einem. 14 Jahre nach ihrem Debütalbum ...Baby One More Time ist sie nun da gelandet, wo ein Gutteil ehemaliger US-Stars ihr Gnadenbrot genießen: auf einer der unzähligen Showbühnen in Las Vegas. Ganz nebenbei hat Spears nun auch noch ihr achtes, sehr persönliches und völlig ironiefreies Album Britney Jean veröffentlicht. Britney bleibt eben Spears, auch wenn sie sich nach ihrem Alter Ego nennt, über the Loneliness of Pop Life lamentiert und ein textliches Spiegelkabinett amerikanischer Obsessionen baut und das in Zeiten, in denen sich selbst die US-amerikanische Mainstreamkultur lustvoll am eigenen Niedergang erfreut. Musikalisch bietet Spears (respektive ihre Produzenten Will.i.am und David Guetta) Massenware von der Disco-Pop-Stange, dazu Techno-Gestampfe, Powerballade und Synthie-Spielerei. Rein vermarktungstechnisch dürfte das wenig stören, immerhin konnte der Markenname Spears noch einmal gerettet werden. Mit Britney Jean steuert das Ex-Teenie-Idol nun auf die ritualisierte Musealisierung ihres musikalischen Ichs zu. Letzte Ausfahrt Las Vegas. (2.5/10) Ph. D.
Bright Eyes: A Christmas Album (Saddle Creek/Cargo)
Schon wieder diese Zeit im Jahr, schon wieder das Übliche: schunkeliges Schneeflöckchenbestarren, punschschwangeres Sentimentalwerden und seliges Plattenschrankentstauben. Alles schön und gut, vor allem aber letzteres, und vor allem, wenn man dabei auf so etwas stößt: A Christmas Album von der Lieblingsband des fühlenden Indiefans, Bright Eyes aus Nebraska. Elf Jahre nach der extrem limitierten, offenbar charityartigen Erstveröffentlichung dieser Weihnachtsliedersammlung wird sie nun, dem Christkind sei Dank, in größerem Maßstab noch einmal vermarktet, und man kann sich einmal abgesehen von Sufjan Stevens absolut unantastbarem Indie-Weihnachts-Klassiker Songs for Christmas derzeit wirklich nichts Schöneres anhören als Conor Oberst, Maria Taylor und Freunde beim Stille-Nacht-, Little-Drummer-Boy- und White-Christmas-Singen (großteils übrigens in ziemlich traditionellen Arrangements, bloß der kleine Trommlerjunge kriegt eine Portion Verzerrer ab). Punsch und Schneeflöckchen helfen aber auch. (7.6/10) S. Ho.
Farewell Dear Ghost: We Colour the Night (Schönwetter Schallplatten)
Da ist am Ende einiges richtig zusammengekommen. Phantomähnlich tauchte Philipp Szalay in den vergangenen Jahren immer wieder auf zumeist kleinen Bühnen auf. Seine Wahlheimat Graz und das erweiterte grün-weiße Landesumfeld wurden dabei allerdings nur selten verlassen. Die aufmerksamen Hörer nahmen zwar Notiz vom jungen Singer-Songwriter, tratschten ein bisschen, vernahmen ihn ab und an im lokalen Radio, empfahlen weiter. Bevor der Name aber eine größere Runde machte, war das Phantom schon wieder verschwunden. Jetzt, nach zwei Jahren, die der Steirer vorwiegend im Proberaum verbrachte, ist Szalay wieder aufgetaucht. Das Phantom wurde zum Geist, dem im Zuge der Transformation ordentlich Feuer unter dem Hintern gemacht wurde. Und dafür hat sich der 23-Jährige Verstärkung geholt. Einige der zehn Stücke auf Farewell Dear Ghosts Debütalbum We Colour the Night kursieren noch als alte Versionen im Internet, Demons II hat Szalay bereits vor zwei Jahren als EP veröffentlicht. So richtig in Herz und Hirn einbrennen tun sich die Stücke indes erst im neuen Kleid. Szalay und seine Mitstreiter verstehen es, Gegensätze zu vereinen, zu sprengen, sie nebeneinander bestehen zu lassen, aufzuwecken, in Ruhe zu lassen und in letzter bzw. erster Konsequenz - und das ist ihre große Stärke - zuzulassen. Das zeigen alleine die Songtitel, die man mühelos in Paare aufreihen kann: Cool Blood/Fire, Fade Out/Wake Up, City Nights/Fears, Words/Doubts. Atmosphärisch und textlich bewegt sich Fire in die selbe Stoßrichtung: Schwebend zwischen Angstgefühl und Euphorie, Zusammenbruch und Aufbruch, Totengräber und Feuerschlucker. Am Ende jedoch und das ist für heimische Indie-Musik ungewöhnlich überwiegt die Freude über das Anbrechen des neuen Tages, die Nacht wird freundlich, aber bestimmt zurückgelassen, der Geist verschwindet wenn auch nur für einige Stunden. (7.7/10) S. W.
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