Die gesellschaftspolitischen Entwicklungen bewegen sich aber wieder deutlich rückwärts, was die Rechte von Frauen, der LGBTQ-Community und der Menschenrechte ganz allgemein betrifft. Nationalismus und Fremdenhass wachsen, der Rechtsstaat wird sogar wie in den USA ausgehebelt.
Niavarani
Amerika ist tatsächlich eine Diktatur geworden.
In unserem Nachbarland Ungarn herrschen seit geraumer Zeit ähnliche Verhältnisse. Ein Rechtsruck zieht sich durch das gesamte Europa.
Niavarani
Wir erleben gerade deswegen einen extremen Rückschlag, weil das Patriarchat und der Nationalismus sich zu Ende neigen. Jetzt schlagen diese narzisstischen Männer wie Trump und Orban noch einmal zu und machen sich wichtig, indem sie Kriege führen und Grenzen verschieben. Sie agieren auch so, weil sie wissen, dass ihre Ideologie am Ende ist. Das ist ein letztes Aufbäumen, das sind die letzten Zuckungen des Patriarchats und des Nationalismus. Diese Typen merken einfach , dass sie die liberalen Strömungen nicht mehr aufhalten können. Deswegen verbietet Orban die Pride Parade und der Herr Trump möchte, dass es nur zwei Geschlechter gibt. Und das Konzept der Nationalstaaten hat sich auch erledigt.
Auf diesem Gebiet wird aber gerade besonders scharf gemacht.
Niavarani
Diese Nationalisten spüren auch das. Es hat nämlich überhaupt keinen Sinn mehr zu sagen, das ist China und dort ist Amerika. Wir leben alle voneinander und miteinander. Wir sind so verwoben, dass es keinen Sinn mehr hat, Grenzen aufzustellen. Was nicht heißt, dass man nicht sehr patriotisch sein und sein Land lieben kann, aber wir brauchen keine Grenzen mehr. Das Konzept hat sich erledigt.
Ist diese grundoptimistische Haltung, dieser Alles-wird-gut-Optimismus, den Sie eingangs beschrieben haben, für die Arbeit eines Komikers und Kabarettisten nicht kontraproduktiv?
Niavarani
Gar nicht. Außerdem wird es ja noch vierhundert Jahre dauern, bis alles so ist, wie es sein sollte. Denken wir nur an die Aufklärung. Das ging 1600 los und bis alle kapierten, dass die Sklaverei und Herrscher von Gottes Gnaden nicht ok sind, hat es ebenso lange gedauert. In meinem Solo „Homo Idioticus” sage ich ja auch: „Der Mensch ist einfach ein Trottel. Was soll man machen? Wir sind einfach Affen. Wir sind zwar die Affen, die am neugierigsten sind. Aber wir sind einfach Affen.” Ich habe gestern einen Satz gelesen von einem Anthropologen,der überzeugt war: „Die Erde hat ohne die Menschen begonnen und sie wird auch ohne die Menschen enden.” Wir sind also eine Spezies, die eine Zeit lang auf diesem Planeten verbringt.Und die Zeit sollten wir nutzen, dass wir einander nicht umbringen,vergewaltigen und Genozid betreiben, sondern dass wir einander helfen und versuchen, gemeinsam darauf zu kommen, was das alles soll hier in diesem Universum.
Sind Sie Patriot?
Niavarani
Ja, natürlich. Wir können stolz sein auf Österreich. Ich liebe dieses Land, ich bin aber auch ein englischer Patriot, weil ich liebe England auch so wahnsinnig. Also bis auf Wales. Meine Eltern haben ja eine zeitlang in London gelebt: Mein Vater war Tellerwäscher bei Harrod’s, meine Mutter an der Kasse in einem Supermarkt. Sie sind dann aber wieder zurück nach Wien, als sie mit mir schwanger wurde, weil mein Vater meinte: Hier sind wir beide Ausländer, in Österreich nur einer von uns.
Ihr Vater war Perser. Und wie sieht es mit Ihrer Beziehung zum Iran aus?
Niavarani
Ja, ein persischer Teppichhändler, deswegen hab ich es auch so gern, dass die Fransen immer ordentlich sind. Ich bin natürlich auch iranischer Patriot, weil ich das persische Essen so gern habe. Ich war aber nie dort, außer einem einzigen Mal als Kind.
Was ist das Persische an Ihnen?
Niavarani
Dass ich wie ein Terrorist aussehe.
Wie ein Terrorist, der eine späte Zweitkarriere als Teppichhändler anpeilt.
Niavarani
Tja, ich habe leider wieder acht Kilo zugenommen, aber vorher durch Intervallfasten 22 Kilo ab. Damit habe ich dann leider wieder aufgehört, obwohl man solche Energieschübe bekommt. Das kann fast zu einer Sucht werden, dieses Intervallfasten. Die Liebe zur Literatur und Sprache kommt wahrscheinlich auch aus meiner persischen Seite. Persisch ist eine sehr poetische Sprache. Der Humor meines Vaters und meiner Großmutter hat mich auch sehr geprägt. Bei uns ist immer der Schmäh g’rennt. Meine persische Großmutter konnte uns die dramatischsten Geschichten über ihre Flucht in die Türkei erzählen. Zuerst weinten wir, dann lachten wir Tränen, weil sie es so komisch erzählt hat.
Dass Sie wie ein Terrorist aussehen, waren auch Ihre einführenden Worte, als Sie sich John Cleese, einen der Mitgründer von Monty Python, vor einem ersten Treffen beschrieben haben. Später sind Sie mehrmals mit ihm in Ihrem Wiener Theater „Globe” aufgetreten sind.
Niavarani
Ja, ich sagte ihm: „I am half Austrian and half Iranian. I look like a terrorist, but I am Nazi.””. Ich habe ihn natürlich aus tiefstem Herzen verehrt. Dass er mit mir überhaupt aufgetreten ist, hatte mit seinen Geldproblemen zu tun. Er hatte gerade eine harte Scheidung hinter sich und musste seiner vierten Ehefrau 14 Millionen Dollar zahlen, also die Hälfte seines Vermögens.
Der Arme! Wird er wieder kommen, weil das klingt ja schrecklich?
Niavarani
Ich glaube nicht. Als ich ihn einmal angerufen und genau das gefragt habe, sagte er: „Nein danke, ich habe jetzt wieder genug Geld.” Und hat aufgelegt. Aber er ist ja auch schon 85. Als er uns einmal zu Hause besucht hat, hat er zwischendurch einfach so ein Nickerchen gemacht, aber nach unseren Vorstellungen Enten und Gänse gegessen, so richtige Trümmer, besonders gern hat er die aus „Rudis Beisl” gehabt. Kürzlich hatte er eine Idee für ein Stück über ein kannibalistisches Restaurant. Er ist noch immer voller Tatendrang.
Kürzlich erhob die Trans-Community Vorwürfe gegen eine Szene aus „Das Leben des Brian”, die Szene mit dem Mann, der sich als „Loretta” bezeichnet sei, „transfeindlich” und gehöre entfernt. Cleese ignorierte dieses Ansinnen.
Niavarani
Das kann ich nachvollziehen. Es kommt ja immer darauf an, in welchen Kontext ein Witz gemacht wird. Ich kann natürlich einen Rollstuhlfahrer in einen Sketch einbauen, allerdings darf ich mich natürlich nicht drüber lustig machen, dass der oder die nicht gehen kann, sondern muss die Unfähigkeit der Gemeinde, barrierefreie Gehsteige zu machen, ins Visier nehmen. Der Witz ist immer neutral, genauso wie die Wissenschaft. Es kommt auf den Zusammenhang an. Außerdem ganz ehrlich: Diese Debatte über Wokeness ,die ich übrigens sehr begrüße, und Cancelculture,die etwas aus dem Ruder geraten ist, langweilt mich total angesichts der Tatsache, dass wir bald 45 Grad Temperatur haben werden und uns wahrscheinlich schon in einem Dritten Weltkrieg befinden.
Auf Facebook, wo Sie ja früher notorisch gepostet haben rechtfertigten Sie kürzlich eine monatelange Absenz mit den Worten: „Ich habe so lange nichts gepostet, weil ich nichts zu sagen habe.”
Niavarani
Das ist doch das Schreckliche, dass alle sofort zu allem eine Meinung haben. Facebook ist ja inzwischen sowieso sowas wie das Seniorenheim unter den sozialen Medien. Und auf Instagram habe ich, glaube ich, das letze Mal, 1815 was gepostet, also kurz nachdem Napoleon auf St. Helena verbannt wurde.
Gibt es auch Hasskommentare?
Niavarani
Natürlich. Sowas wie „Du linkes Arschloach, geh‘ ham nach Persien” kommt gerne vor. Die blockiere ich dann natürlich sofort, damit diese armen Menschen nie wieder von mir oder meinen Terminen belästigt werden. Ich möchte ihnen einfach nur das Leben erleichtern.
Wie reagieren Sie auf Selfie-Forderungen auf der Straße?
Niavarani
Selfies fallen für mich unter Kundenbetreuung.
Können Sie sich eigentlich Ihren durchgehenden Erfolg als Publikumsliebling erklären?
Niavarani
Ich bin insofern transgender, als dass ich wie viele begabte Frauen mir die Frage stelle, ob ich dieses oder jenes auch wirklich kann. Männer, meistens die halbbegabten, narzisstisch verseuchten, tun das natürllich nicht. Mir geht es ähnlich wie dem Otto Schenk, der sagte: Zwei Prozent von allem, was ich gemacht hab‘, finde ich gut, mit den restlichen 98 Prozent bin ich gerade so durchgekommen. Aber wenn man den Vertrauensvorschuss des Publikums verspielt, wird der Zuschauerraum schnell leer. Dann heißt es wahrscheinlich, ähnlich wie beim Sex: Jetzt hat er sich im Vorfeld so wichtig gemacht und jetzt ist es außer fad nur fad.