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Michael Niavarani: „Selfies sind für mich Kundenbetreuung“

Michael Niavarani strotzt vor Optimismus. Er findet es künstlerisch belebend, dass die Kultur sparen muss, liebt es wieder auf der Bühne zu stehen und ist überzeugt, dass das Patriarchat in den letzten Zuckungen liegt und wir in der besten aller Zeiten leben.

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Nachdem im vergangenen Februar klar war, dass Herbert Kickl nicht Kanzler werden wird, sind wir uns zufällig auf der Straße begegnet. Sie wirkten etwas erschöpft und murmelten sowas „Jetzt muss ich 20 Seiten (Anm. für das neue Simpl-Programm) wegschmeißen.” Ist unsere aktuelle Regierung überhaupt noch satiretauglich?

Michael Niavarani

Nicht, dass es nicht etwas zu kritisieren gäbe, aber ich finde diese Ruhe, diese Unaufgeregtheit, die das Trio Stocker, Babler und Meinl-Reisinger ausstrahlt, eigentlich ganz angenehm. Ich glaube ja, dass man Politik unaufgeregt machen sollte, weil Probleme löst der Herr Trump ja nicht, er macht nur welche. Also die aufgeregten Narzissten, die sich selbst für Genies halten, zu denen der Herr Kickl ja auch gehört, lösen bekanntlich keine Probleme. Ich halte es mit Karl Farkas, der überzeugt war: Leidenschaft ist keine Kategorie in der Politik, denn man kann nicht Vernunft durch hohen Blutdruck ersetzen.

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Dennoch riefen die Sparpläne des Vizekanzlers und Kulturministers Andreas Babler in der Kulturbranche alles andere als Unaufgeregtheit hervor.

Niavarani

Nachdem ich mit der Kulturpolitik wenig zu tun habe, sondern mehr mit der Wirtschaftskammer, weil wir ja ein Privattheater-Betrieb sind, betrifft mich das nicht.

Ihr bekommt keinerlei Subvention?

Niavarani

Nein, keinen Cent. Nur in der Corona-Phase haben wir Geld bekommen, das wir verwendeten, um unsere Mitarbeiter zahlen zu können. Das, was ich mache, ist ein Beruf und kein Hobby. Ich empfände es als schwierig , wenn ich mir diesen Beruf von den Steuerzahlern finanzieren lassen müsste. Ich finde es überhaupt nicht schrecklich, wenn in der Kultur gespart werden muss. Ich hätte auch lieber öfter ein höheres Budget, aber wenn es mir der Hoanzl (Anm: Georg, Niavaranis Geschäftspartner) oder die Bank einfach nicht geben, kann das künstlerisch durchaus inspirierend sein. Darum mache ich Privattheater: Weil der Kitzel, damit auch in den Konkurs schlittern zu können, sehr belebend sein kann.

Besuchen Sie manchmal subventionierte Theater?

Niavarani

Selten. Manchmal gehe ich in die Oper. Kürzlich habe ich die Stefanie Reinsperger im Burgtheater als Elisabeth gesehen und hatte ein echtes Erweckungserlebnis. Die Frau ist ein Genie, sie hat mir endlich wieder einmal gezeigt, was Theater kann. Ansonsten ging es mir schon manchmal so, dass ich nach vier Stunden im Burgtheater oder sonstwo nicht genau wusste, worum es eigentlich genau ging. Ich glaube halt noch immer, dass Theater mit Geschichtenerzählen zu tun hat.

Die Salzburger Festspiele mit „Jedermann” und so, sind auch keine Option?

Niavarani

Um Gottes Willen nein! Das ist ja so ein furchtbar fades Stück. Der Hofmannsthal selbst war ja von seinem eigenem Werk überhaupt nicht überzeugt und hat dem Max Reinhardt kurz vor der Uraufführung in einem Brief geschrieben, ob er sich nicht doch lieber ein anderes Stück überlegen möchte. Den Brief habe ich erst kürzlich gelesen.

Das Archiv ist bekanntlich die Rache des Journalisten. Zitat Michael Niavarani aus einem profil-Interview 2018: „Wir leben in der besten aller Zeiten.” Gilt das 2025 auch noch?

Niavarani

Selbstverständlich. Es geht uns so gut wie nie. Trotz Kriegen und Teuerung. Wir werfen noch immer 30 Prozent unserer Lebensmittel weg. Krise ist aber, wenn man nichts zu fressen hat. Von Krise also keine Spur. Aber natürlich müssen wir wachsam sein, dass wir die Errungenschaften der liberalen Demokratie nicht verlieren. Das schon. Aber ansonsten gilt heute wie damals: Wir leben immer noch in der besten Zeit, die es für die Menschheit jemals gegeben hat. Und die Stossrichtung ist, dass es immer liberaler und empathischer werden wird.

Angelika Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort