Prinzessin mit Grauschleier

Oliver Hirschbiegels Lady-Di-Porträt „Diana“: Prinzessin mit Grauschleier

Kino. Prinzessin der Schmerzen: Oliver Hirschbiegels Biopic „Diana“

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Sie sitzt vor ihrem Schminktisch. Ihr Blickmodus ist auf das so medientaugliche Genre „angeschossenes Reh“ eingestellt, langsam spricht sie den Satz, der in dem legendären BBC-Interview im November 1995 die Welt erschüttern wird: „Ich schämte mich dafür, nicht mit dem Druck fertigzuwerden. Ich habe mir Verletzungen zugefügt – an meinen Armen und Beinen.“

Glitzern in ihren Augen
Es ist einer der wenigen Momente analytischer Wahrheit, den der deutsche Regisseur Oliver Hirschbiegel seiner Hauptdarstellerin Naomi Watts in dem Spielfilm „Diana“ (Filmstart: 10. Jänner) gönnt. Das triumphierende Glitzern in ihren Augen, das sie am Ende der Szene ihrem Spiegelbild zuwirft, legt bloß, was wir ohnehin schon wussten: Die „Prinzessin des Volkes“, so der von findigen PR-Strategen ausgedachte Wunschtitel der Post-Charles-Diana, war gleichzeitig die Königin der Medienmanipulation. Sie verstand es wie kaum eine andere Frau des 20. Jahrhunderts, sich als Opfer der mit Kameras bewaffneten Jäger und des „Palasts“ zu inszenieren und gleichzeitig mit ihrer in Häppchen verfütterten Leidensgeschichte ihre Sympathiewerte in den Orbit schießen zu lassen. Den ersten Tabubruch hatte sich Diana bereits 1992 geleistet. Damals instrumentalisierte sie den Journalisten Andrew Morton als ihren Biografen und ließ ihn der Welt die Geschichte von jenem armen reichen Mädchen erzählen, das nach einer lieblosen Kindheit in einem dysfunktionalen Aristokratenhaushalt an der Gefühlskälte der Royals zerbrach. Essstörungen, postnatale Depressionen und Selbstmordversuche inklusive. Ihr für die Königsfamilie völlig überraschendes Interview mit dem BBC-Journalisten Martin Bashir drei Jahre später kam dann endgültig einer offenen Kriegserklärung an den Palast gleich und war gleichzeitig Teil eines Emanzipationsprozesses. Jede Kunstpause, jedes Adjektiv, jeder Wimpernschlag in der Befindlichkeitsbeichte war, wie inzwischen bekannt ist, von Spindoktoren vorgefertigt und einstudiert gewesen. Mit diesem Alleingang legte Diana ihr Meisterstück an Manipulationstalent vor.

Naomi Watts war noch nie so farblos
Doch die Chance, am Fall der Prinzessin von Wales die Geschichte einer neuen Medieninstrumentalisierungskultur sowie einer weiblichen Befreiung zu erzählen, verpufft bereits in der ersten Viertelstunde des Films. Statt den Fokus auf Dianas Metamorphose vom Opferlamm zur Medienwölfin zu richten, muss Hirschbiegel eine Seifenoper abspulen, die irgendwo zwischen „Notting Hill“, „Plötzlich Prinzessin“ und dem alten Hollywoodschinken „Ein Herz und eine Krone“ mit Audrey Hepburn als protokollmüder Prinzessin angesiedelt ist. Naomi Watts war noch nie so farblos wie bei der Darstellung der angeblich charismatischsten Frau der Welt. Die Kritik des „Boston Globe“, dass Watts als Diana in etwa so glaubwürdig wie Wesley Snipes mit einer blonden Perücke wäre, ist um der Polemik willen überspitzt, aber de facto stellt die Australierin die Prinzessin von Wales eher nach, als dar. Vorrangig beschwören die exakten Repliken der Prinzessinnen-Kleider wie das hellblaue Versace-Abendkleid und die babyrosa Sloane-Kostümchen, die sie gerne für ihre Umarmungstourneen bei den Bedürftigen wählte, Erinnerungen an die einst „berühmteste Frau der Welt“, wie der Drehbuchautor Stephen Jeffreys mehrfach seine Figuren sagen lässt. Watts’ Prinzessin trägt einen Grauschleier, der kaum gelüftet wird, sie kann sich zu keiner Konturierung der Figur entschließen.

„Diana – Her Last Love”
Bei der Banalität des Drehbuchs wäre auch eine weniger bemühte Darstellerin unter die Räder gekommen. Kreist der Plot doch fast ausschließlich um die geheime Romanze zwischen Diana und dem pakistanischen Herzchirurgen Hasnat Khan, „inspiriert“ von dem Buch „Diana – Her Last Love“ der britischen Journalistin und Filmemacherin Kate Snell. Khan selbst distanzierte sich in der Presse, ganz Gentleman, von einem Werk, „das nur auf Tratsch und Wichtigtuerei gewisser Personen“ basiere.

Die Welt hinter den goldenen Mauern des Kensington-Palasts wird bei Hirschbiegel so erzählt, wie sie sich der kleine Maxi vorstellt. Menschenleere Prunksalonfluchten, einsames Bach-Geklimper am Steinway an zerfließender Wimperntusche, Traurigkeit auf Kaschmirplaids. Wenn der behäbige Doktor (Naveen Andrews) durch die Bewachungsschranken geschmuggelt wird, will er Hamburger von Burger King und Bier statt Butler und Chardonnay. Normalität kann ja für narzisstisch gestörte Prinzessinnen so sexy sein.

Khan, so suggeriert die Geschichte, wäre die wahrhaftige Liebe ihres Lebens gewesen. Dianas fatale Beziehung zu dem muslimischen Playboy Dodi Al-Fayed wäre nur eine Trotzreaktion auf den Schlussstrich gewesen, den Khan zugunsten eines ungestörten Privatlebens und den Wünschen seiner pakistanischen Familie gezogen hat. Doch für solche Erkenntnisse muss man nicht ins Kino gehen, da reicht die Lektüre von „Bunte“ und „Hello!“. Verglichen mit Hirschbiegels „Diana“ war Stephen
Frears’ (Regie) und Peter Morgans (Drehbuch) kongeniale Charakterstudie „The Queen“ aus dem Jahr 2006 Shakespeare für das 21. Jahrhundert.

„Diana“ hat bestenfalls das Zeug zu einem TV-Highlight der Woche auf RTL. Die legendäre New Yorker Kritikerin und Schriftstellerin Dorothy Parker hätte in einem solchen Fall befunden: „Wenn Sie ins Kino gehen, vergessen Sie mir bitte nicht, Ihr Strickzeug mitzunehmen.“

Angelika   Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort