Orte der Heilung und des Austausches: "Safe Spaces" für LGBTIQ-Personen

Gewaltvolle Übergriffe im öffentlichen Raum sind für LGBTIQ-Personen tägliche Realität.

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Die Türkis-Rosa-Lila Villa ist seit den 1980er-Jahren DAS Community-Center für LGBTIQ (Lesbisch, Schwul, Bi, Trans*, Inter*, Queer)-Personen in Wien. Das Haus wurde nachdem es nach und nach von Lesben und Schwulen besetzt wurde, schließlich der Community von der Stadt Wien übergeben. Viele andere ehemals besetzte Räume in Wien haben keine dauerhaften Verträge mit der Stadt, die Villa noch bis mindestens 2045. Mit dem vielfältigen Angebot an Wohnraum, Freiräumen, Beratung und Unterstützung ist die Villa als "Safe Space" besonders wichtig. Marty Huber ist seit 1996 im Beratungskollektiv für LGBTIQ-Personen in der Villa aktiv. Seit ein paar Jahren mit dem Fokus auf die Beratungsstelle für geflüchtete LGBTIQ-Personen "Queer Base". Als Autorin von "Queering Gay Pride. Zwischen Assimilation und Widerstand", kritisiert Huber den ausgeprägten Fokus der internationalen LGBTIQ-Community auf die Regenbogenparaden und die Vernachlässigung von anderen Baustellen, wo Aktivismus dringend benötigt werden würde. In Form einer Parade Raum einzunehmen ist für viele LGBTIQ-Personen sehr wichtig. Im Alltag würden viele Personen es aber vorziehen "zu verschwinden". Um das zu ändern, fehle es dann oft an Mut und Ressourcen. Wie eine Studie der "Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen" zeigt, ist nur die Hälfte der befragten Personen im Job "out". An Schulen ist kaum eine Lehrkraft vor Eltern oder der Klasse geoutet.

Die momentan größte Herausforderung für die Community sieht Huber in der Unterstützung von Transidentitäten und Intergeschlechtlichkeit, sowie von nicht-weißen LGBTIQ-Personen. Bei diesen Personen ist das Risiko, Opfer von Übergriffen und Diskriminierung zu werden, besonders hoch. Einzelpersonen sind im öffentlichen Raum sehr häufig von Gewalt betroffen. Aus Angst davor werden dann Vermeidungsstrategien angewandt. LGBTIQ-Personen assimilieren sich im öffentlichen Raum und verschwinden privat in ihre Safe Spaces. Dieses Normalisieren von Diskriminierung führt bei vielen zur Resignation.

Huber lobt die Fortschritte der Stadt Wien in Form der Einrichtung der "Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen". Hier bemüht man sich um Fortbildungen an den Magistraten und die Beseitigung von Diskriminierungen in eigenen Strukturen und im Rechtsbereich der Gemeinde. In einem Fachzirkel mit der WAST (Wiener Antidiskriminierungsstelle), der HOSI (Homosexuelle Initiative), der Menschenrechtsabteilung des Innenministeriums und Ausbildnern der Polizei versucht Huber primär im Schulungsbereich zu erreichen, dass es nicht mehr zu polizeilichen Übergriffen kommt und somit die Polizei auch für LGBTIQ-Personen eine sichere Anlaufstelle wird. Huber sieht hierbei die Verantwortung aber genauso bei der Legislative. Diese müsse Formen von Hassverbrechen und Überschreitungen neu bewerten. Sodass auch Diskriminierungen, die keine sichtbaren Spuren hinterlassen, mehr Aufmerksamkeit erhalten.

Als Transperson wurde mir ohnehin lange vermittelt, dass ich es, wenn mich wer zu Boden stößt und mich tritt, nicht besser verdient habe.

Zu dem Thema Gewalt und Safe Spaces sprach profil mit dem Betroffenen Leo (Name auf Wunsch der Person anonymisiert):

profil: Wenn Ihnen Unrecht geschieht, gehen Sie dann zur Polizei? Leo: Ich fühle mich nicht wohl zur Polizei zu gehen. Nicht nur bei trans- oder homophoben Übergriffen, sondern auch, wenn mir etwas gestohlen wurde. Zum Beispiel wurde mir mal vor einer Kamera etwas aus meinem Rucksack entwendet und ich bin zur Polizei, um das anzuzeigen. Dann habe ich mitbekommen, wie die Polizisten über mich als "Schwuchtel" geredet haben. Sobald du offensichtlich queer oder trans aussiehst, einfach nicht hetero, hast du das Gefühl, dass dein Wohlbefinden der Polizei nicht wichtig ist. Das gilt natürlich nicht in 100 Prozent der Fälle, aber es geht den meisten so. Ich würde nur zur Polizei gehen wenn eine Person mit rechtlicher Expertise von einer Organisation mitkommt. Da traut sich die Polizei weniger.

profil: Wenn es zu einer Anklage kommt, wie ist die Situation dann für Betroffene? Leo: Ich kenne wenige Personen, die Übergriffe angezeigt haben. Es ist abschreckend die Person, die dich traumatisiert hat, nochmal vor Gericht sehen zu müssen. Außerdem gibt es die berechtigte Angst, dass es zu einer Wiederholung kommen könnte. Denn wenn es zur Anklage kommt, haben beide Parteien das Recht auf Akteneinsicht. So könnte die Person, die dich traumatisiert hat, an deine Adresse kommen. Da werden dann oft andere Adressen, z.B. von der Türkis-Rosa-Lila Villa angegeben. Aber diese Schutzinformationen- und Angebote kommen nicht von der Polizei.

profil: Wie sehen Sie die Berichterstattung über Gewaltakte gegen LGBTIQ-Personen? Leo: Bei rassistischen oder sexistischen Übergriffen wird meistens die Schuld bei den Opfern gesucht. Besonders wenn der Täter ein weißer, österreichischer Mann ist, wird oft die passive Formulierung benutzt: ‚Person X wurde angegriffen oder vergewaltigt’. Wenn es sich bei dem Täter aber um eine nicht-weiße Person handelt, lautet die Formulierung: ‚Afghane vergewaltigt Person X’ oder ‚Person X mit Migrationshintergrund greift Person Y an’. Eine passive Formulierung zieht den Täter aus der Verantwortung. Wenn ich das Opfer bin, werde ich auch oft durch Beschreibungen meiner Person als z.B. links, mit Migrationshintergrund oder aus einer niedrigeren Bildungsschicht de-legitimiert. Damit wird indirekt impliziert, dass ich selber schuld bin. Als Transperson wurde mir ohnehin lange vermittelt, dass ich es, wenn mich wer zu Boden stößt und mich tritt, nicht besser verdient habe. Dieser Gedanke ist immer im Hinterkopf und ist schwer abzuschütteln.

Bei rassistischen oder sexistischen Übergriffen wird meistens die Schuld bei den Opfern gesucht.

profil: Was macht für Sie Safe Spaces so wichtig und warum gibt es in manchen Räumen eine "Invitation Policy" (im queer-feministischen Kontext: kein Zutritt für Hetero-Männer)? Leo: Es ist wichtig zu wissen, dass es einen Ort gibt an dem ich mich wohlfühle, wo Austausch und Heilung stattfinden kann. Wenn dabei eine Person präsent ist, die sich mit meiner Realität nicht identifizieren kann, verschließe ich mich und damit ist es kein Safe Space mehr für mich. Dass es solche Orte in der Stadt gibt ist wichtig. Vor allem nachdem ich sexuell angegriffen wurde, habe ich einen Ort gebraucht, wo ich wusste, da kann ich mich darüber austauschen, ein Glas Wein trinken und tanzen ohne Angst zu haben. Ängste, die schwarze Menschen haben, die queere Menschen haben, die Frauen haben. Das sind Ängste die für Nicht-Betroffene nicht nachvollziehbar sind. Ich finde es immer wieder traurig und lustig zugleich, wenn es Cis-Männern (die Geschlechtsidentität bei Cis-Personen stimmt mit dem Geschlecht überein, das bei der Geburt zugeteilt wurde) ausnahmsweise einmal nicht erlaubt ist, dabei zu sein, wo ihnen doch alle Räume auf dieser Welt gehören, und sie sich darüber dann oft aufregen.

profil: Wie würden Sie sich wünschen, dass Cis-Männer bzw. Heteros mit LGBTIQ-Themen umgehen? Leo: Ich finde es wichtig, sich mit Dingen auseinander zu setzen, die neu für einen sind. Die Frage ist für mich dabei aber immer: Interessiere ich mich wirklich für eine Person oder möchte ich sie nur als Informationsquelle nutzen und sie dann stehen lassen? Viele wählen dann die Strategie, Diskriminierung zu negieren z.B., dass es für sie persönlich ja nicht schlimm ist, wenn sie nach ihren Genitalien gefragt werden. Viele Menschen denken auch, dass schwarze und/oder LGBTIQ-Personen ihnen alles erklären müssen, was sie noch nicht verstehen und sie für ihr Interesse auch noch gelobt werden müssen. Besser wäre, sich zuerst selbst zu informieren. Ich empfehle dazu sehr das Buch: "Exit Racism" von Tupoka Ogette.

Leo (19) studiert Psychologie und Soziologie in Wien und arbeitet in der Pflege.