Momenten kämpft er einen Vorzugsstimmen-Wahlkampf um einen Abgeordneten-Job, der zwar rein mathematisch betrachtet nicht sehr aussichtsreich scheint – aber der inzwischen angenommene Familienname Lugner könnte nach der kollektiven Staatstrauer um den verstorbenen Unternehmer und Entertainer vielleicht doch Schlagkraft entwickeln: Auf der freiheitlichen Bundesliste ist er auf Platz 25, auf der Wiener Liste mit Nummer 11 gereiht.Das Adjektiv „rechtsextrem“, mit dem Leo vormals Kohlbauer häufig beschrieben wird, erklärt er bei einer Rolltreppenfahrt durch die an Richard-Lugner-Reminiszenzen in Form von Kerzen, Fotos und Illustrationen reiche „City“, rühre ihn nicht wirklich: „Ich habe mir eine Art Teflon angelegt, das perlt alles ab an mir, dieser linke Schwachsinn.“ Es werden ja auch Vereine mit Staatsgeldern finanziert, „die nur darauf abzielen, die FPÖ ins rechtsextreme Eck zu drängen“.
Nuancenarmes Weltbild
Im recht nuancenarmen Weltbild des Leo Lugner gibt es zwei Arten von Ausländern: die, die „einen tollen Job machen“, sich vorbildlich integriert haben, (mutmaßlich) in der Lugner-City einkaufen und FPÖ wählen. Und dann die, die Sozialschmarotzer und Messerstecher sind, oft aus Afghanistan und Syrien kommen, in der Regel Muslime sind und die sofort abgeschoben gehören, da müsse man sich an Singapur und den Arabischen Emiraten ein Beispiel nehmen: „Es gibt tatsächlich keinen Grund, warum eine Familie aus Syrien zu uns nach Österreich kommen soll und von einem System profitiert, in das sie nie eingezahlt hat.“ Man könne, so seine völlig zweifelsfreie Überzeugung, in weiten Teilen Syriens „sehr bequem und in Frieden leben“. Laut Leo Lugner helfen nur „Remigrationszentren außerhalb Europas“. Er beutelt in diesem Zusammenhang auch ein Zitat des konservativen deutschen Welterklärers Peter Scholl-Latour aus dem feinen Zwirnärmel: „Wer halb Kalkutta aufnimmt, hilft nicht Kalkutta, sondern wird selbst zu Kalkutta.“ Und schießt dann mit einem verschmitzten, etwas selbstgefälligen Schmunzeln hinterher: „Und am Ende des Tages sind wir auch kaputt.“ Leo Lugner genießt es sichtlich, Journalisten mit Bausteinen aus seinem ideologischen Arsenal zu füttern. Er hat da viel abrufbereit.Später wird er im Interview in einem Sitzungssaal in jenem „City“-Trakt, wo sein Schwiegervater Richard Lugner oft noch spätabends am Schreibtisch saß, vor dessen quietschbuntem Porträt über „die Multikulti-Gesellschaft“ als eine Utopie von „linken Träumern und Sozialromantikern“ referieren. Den Familiennamen seiner Frau Jacqueline, die ATV-Aficionados der radikal schonungslosen Familiendoku „Die Lugners“ schon als Kind im Dauer-Showmodus konsumieren konnten, hat er sofort nach der (nahezu) medienfreien Hochzeit im Sommer vor einem Jahr angenommen: „Privates soll privat bleiben, das ist der Jacqueline und mir sehr wichtig.“ Für ein Mitglied jener Sippe, die medialen Exhibitionismus zum Teil ihres Geschäftsmodells werden ließ, ein ungewöhnlicher Satz. Das Motiv für die Änderung seines Nachnamens ist schnell erklärt: Er sei jetzt eben Teil eines Familienunternehmens und wolle nicht, dass seine zukünftigen Kinder einen anderen Namen tragen: „Das fanden alle Familienmitglieder total in Ordnung.“
„Ich kann nur Positives über ihn sagen“, erklärt auch Schwiegermutter Christina Lugner auf Anfrage. „Er ist ein eloquenter Politiker und liebevoller Ehemann zu meiner Tochter. Auch Richard hat große Stücke auf ihn gehalten, er hat seine politischen Ambitionen unterstützt und hätte ihn sehr gern im Nationalrat gesehen.“ Richard und Leo waren sich sogar so nahe, so erzählt der Schwiegersohn, dass sie die Kältekammer – eine von Lugners zahlreichen Gesundheitsstrategien – in der Grinzinger Villa gemeinsam benutzten: „Hintereinander natürlich“.
Sein aktuelles Aufgabengebiet im Konzern, so Leo Lugner, sei so etwas wie „ein Key Accountant Manager“, aber Richard habe solche englischen Ausdrücke nicht gemocht, das sei zu respektieren: „Nennen wir es so: Ich bin an der Schnittstelle zwischen Buchhaltung, Mietern und Zentrumsleitung.“
Noch ist das ihm zugewiesene Büro bescheiden klein, an der Wand prangt die erste Baustellen-Tafel der Firma Lugner, ein Geschenk des Schwiegervaters.
Rebellion gegen das Herkunftsmilieu
Wahrscheinlich haben seine Eltern Gabriele und Martin Kohlbauer – die Mutter studierte Judaistin und angestellt in einer jüdischen Institution, der Vater ein bekannter Architekt – die rechte Ausrichtung ihres Sohnes nur schwer akzeptieren können: „Ich komme aus einem SPÖ-nahen Umfeld, das war sicher nicht einfach.“ Und ja, möglicherweise sei sein Weg ins rechte Lager auch Teil einer Rebellion gegen dieses Milieu gewesen: „Ich war in einem linken Schulmodell, so eine Montessori-Schule, und das hat mich im Bestreben, rechts zu sein, massiv geprägt. Da ist viel Schwachsinn passiert, und man versuchte, mich politisch zu instrumentalisieren.“
„Links“ ist ein Lieblingshasswort von Leo Lugner: Da sind „die linken Meinungsmacher“, die die „rechten Politiker miesmachen, kriminalisieren und am liebsten wegsperren würden“, wie man ja jetzt auch an Benjamin Netanjahu in Israel ganz klar sehen könne, „einem Mann, der sich, wie ich das auch möchte, für sein Volk einsetzt“. Ihre „Globohomo-ideologie“ machten sich die Linken auch zum politischen Inhalt: „Ich bin weder homophob noch lesbenfeindlich. Auch in der FPÖ gibt es, wie in anderen Parteien, auch in der ÖVP, schwule Politiker. Aber ich bin gegen diese Regenbogen-Propaganda. Für diesen Schwachsinn werden Steuergelder hinausgeworfen. Es gibt nur zwei Geschlechter, aus. Und kleinen Kindern soll nicht von einem Mann in Frauenkleidern vorgelesen werden, dass sie sich ihr Geschlecht aussuchen können.“ Vorbildhaft sei die deutsche AfD-Chefin Alice Weidel, die ihre lesbische Beziehung „nicht heraushängen lässt“.
Er selbst sei, wie schon erwähnt, ein Opfer „linker“ Pädagogik gewesen. Wahrscheinlich waren auch die „Linken“ ein bisschen daran schuld, dass seine Schulkarriere mit einer „Externistenmatura in Eisenstadt“ spät, aber dann doch im Alter von 21 Jahren endete. Die Frage nach der Zahl der schulischen Ehrenrunden übergeht er. Gleich nach der Matura machte er dort weiter, wo er schon ein Ferialpraktikum absolviert hatte: als Verkäufer bei der Modekette Don Gil. Später avancierte er zum Filialleiter. In seiner Filiale habe HC Strache gerne eingekauft, „vor allem italienische Anzüge“, und diese Begegnung habe ihn bestärkt, wenn nicht sogar den Ausschlag dafür gegeben, „unwiderruflich rechts zu werden“. Ibiza sei übrigens gar nicht so sehr der Grund für das Zerwürfnis zwischen Strache und Kickl gewesen. Da sei Strache ja „unschuldig in die Falle getappt“. Aber was ihm die Partei nicht verziehen hat, „ist, dass er seine Frau als Abgeordnete
installiert hat. Und es steht noch immer im Raum, dass er sie auch auf Parteikosten finanziert hat.“ Kickl findet er naturgemäß „genial, ein echter Parteiintellektueller“; als jemand, der aus dem Textileinzelhandel kommt, begrüßt er auch die neuen Outfits und die mildere Gangart seines Parteichefs: „Er kommt jetzt staatsmännischer daher und trägt gute Anzüge, das fiel mir als sehr visueller Mensch sofort auf. Auch in seinem Auftreten ist er nicht mehr so laut und aggressiv wie als Innenminister.“ Während der Trauerphase um seinen Schwiegervater hatte Leo Lugner das Wahlkämpfen eingestellt. Jetzt ist er wieder mit vollem Elan dabei, tourt durch Talkshows wie „Fellner live“, bekennt dort seine Freude über den Wahlsieg der AfD in Thüringen („Gut so!“) und erklärt im „profil“-Gespräch, dass es wieder ein Produkt „von diesen linken Meinungsmachern“ sei, Björn Höcke den Spruch „Alles für Deutschland“ als bewussten Einsatz eines SA-Slogans anzukreiden: „Messerstecher laufen frei herum, ohne Konsequenzen, und Björn Höcke ist zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden, weil er unwissentlich einen SA-Spruch benutzt hat? Der hatte doch davon keine Ahnung. Ich finde, es verharmlost massiv das grauenhafte NS-Regime, wenn ständig Freiheitliche damit verglichen werden.“ Sind auch misogyne Sprüche harmlos, wie der von seinem früheren Mentor Harald Vilimsky, der drei EU-Politikerinnen, darunter Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, als „Hexentrio“ bezeichnete, das man die „Peitsche spüren lassen“ müsse? Das Zitat amüsiert ihn erneut: „Wir lachen darüber. Nun ja, es ist nicht zu leugnen, dass Provokation und überspitzte Formulierungen ein Mittel von uns Freiheitlichen ist, um auf Missstände aufmerksam zu machen.“ Er freut sich, dass er diesen Baustein so gut rübergebracht hat.
Zum Abschied gibt’s noch die klassische Keule gegen die EU: „ Da wird viel zu wenig hingeschaut, dass wir uns auf Kosten der Steuerzahler eine Politikerkaste in Brüssel herangezogen haben, die da ihre sinnlosen Macheloikes macht.“