Rapid-Trainer Dietmar Kühbauer

Rapid Wien - der Kampf ums Spiel

Rapids Fußballspiel stockt. Die kämpferische Attitüde der letzten Wochen verdeckte bloß alte Probleme.

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Die Richtung stimmt, lautete der Tenor im Rapid-Umfeld. Mit Fakten untermauern lässt sich der Aufwärtstrend nicht. Aber mit Gefühlen. Zwar ergatterte man zuletzt gegen den Wolfsberger AC und RB Salzburg nur ein mickriges Pünktchen – was aber egal schien. Rapid kämpfte wieder. Die Spieler grätschten und rackerten; im Verein wurde von einer guten Entwicklung gesprochen und der Anhang schien neu verliebt. Zuletzt verlor man in Salzburg nur knapp 1:2 und kämpfte nahezu plakativ aufopferungsbereit. Dabei verdeckte die kämpferische Attitüde bloß alte Probleme: Rapid kann defensive Gegner schwer ausspielen. Das 0:1 vor 20.000 Zuschauern gegen den Tabellenletzten St. Pölten zeigte am Samstag die große Schwäche deutlich auf. Rapid tut sich mit dem Fußballspielen schwer.

Die jüngste Geschichte beginnt – wie so oft bei Rapid zuletzt – mit Kampf. Als man vor einem Monat im Cup die verhassten Bullen empfing, passierte etwas Bedeutungsvolles: Rapid bespielte den Gegner nicht, sondern bekriegte ihn. Am Ende waren (nach zwei Ausschlüssen) nur neun Rapidler auf dem Feld, die sich derart aufopferungsvoll gegen die Niederlage stemmten, dass sie zwar nicht das Spiel, aber die Herzen der Fans gewannen. Die Geschichte der kämpfenden Rapidler lässt sich gut verkaufen. Rapid stand immer für Kampf. In Hütteldorf schätzte man den brüllenden Kühbauer, den bärtigen Ivanov, den blutverschmierten Jancker. In den letzten Jahren wurden Rapid-Spieler „Prinzessinnen“ genannt, Kühbauer spricht nun von „Männersport“. Keiner könnte die Geschichte der kämpfenden Rapidler besser verkaufen als Kühbauer, der sogar vor Fernsehkameras zu kämpfen scheint. Ein Mann, in dem es immer brodelt, und dessen Mannschaft (jedenfalls gelegentlich) ebenso hitzig agiert. Gegen den Wolfsberger AC und RB Salzburg setzte Rapid das neue Markenzeichen mal etwas brutal, dann wieder situationsadäquat ein. Kämpfen ist grundsätzlich eine gute Eigenschaft; vorausgesetzt, der Kampf ist die Basis für das Fußballspiel und erschöpft sich nicht im Kämpfen. Bei Rapid ist noch nicht ganz klar, wofür der Kampf die Basis sein soll und wohin er führt. Zu einem einfallsreichen Fußballspiel jedenfalls noch nicht.

Kampf ersetzt Kreativität nicht

Der beherzte Kampf der wütenden Wiener gegen den Kommerz-Klub aus Salzburg ließ das Umfeld aber hoffen. Denn wer mit dem Ligakrösus mithält, muss doch den Tabellenletzten zerlegen. Weit gefehlt. Gegen Mannschaften wie Salzburg, die große Räume herschenken, kann ein kämpferisches Rapid mit dosierter Härte und exaktem Umschaltspiel schnell gut aussehen. Die Königsdisziplin heißt aber St. Pölten. Ein defensiver Gegner, der sich im eigenen Strafraum verbarrikadiert und Rapid den Ball zuspielt. Genau dort liegt das alte Problem des Vereins: Ballbesitz. Wer mit Trainern spricht, erfährt schnell, welcher Fußball einfach zu gestalten sei und welcher schwierig. Einfach sei abwarten, den Gegner kommen lassen und bei Ballgewinn schnell umschalten. Aber was tun, wenn der Gegner nicht kommt? Da liegt die Schwierigkeit: bei Ballbesitz kreativ werden. Denn: Kreativität kann nicht durch Kampf ersetzt werden.

Rapid hat diese Probleme nicht erst, seitdem Didi Kühbauer die Mannschaft trainiert. Schon unter dessen Vorgängern verlangte das oft ansehnliche Offensivspiel nach feinmechanischer Akribie. Mit der Verpflichtung von Kühbauer wollte man Ruhe in den Verein bringen, erklärte der damalige Sportdirektor. Doch das ging an den dringenden Bedürfnissen der Mannschaft vorbei, die gute Lösungen bei eigenem Ballbesitz benötigt. Doch die musste Kühbauer bei seinen Klubs nie finden. Kühbauer stand für kampfbetonten Konterfußball, der in etwa so funktioniert: Hinten abwarten, aggressiv Bälle erkämpfen, schnell umschalten, freie Räume nützen. Das klappt hervorragend mit Außenseitern. Doch Rapid ist die Nummer zwei der Liga, verfügt über das zweithöchste Budget, ein modernes Stadion, große Erwartungen. Rapid kann gegen das reiche Salzburg als Außenseiter auftreten; und tut das neuerdings gegen die ärmeren aber sportlich enteilten WAC und LASK auch. Aber gegen St. Pölten, Altach, Admira, Mattersburg, Hartberg, Wolfsberg, Wattens, also die Mehrzahl der Ligaklubs, muss Rapid neben der Basis Kampf auch Fußball spielen. Nicht nur aus ästhetischen, sondern aus pragmatischen Gründen: Die Kleinen schieben Rapid die Kugel zu.

Dreifachbelastung rechtfertigt nichts

Die großen ungelösten Probleme des österreichischen Rekordmeisters verdeutlichen sich in den Kennzahlen der aktuellen Meisterschaft. Im eigenen Stadion konnte Rapid von sieben Spielen nur zwei gewinnen. Rapid hat ein Problem mit der Favoritenrolle, dem eigenen Ballbesitz, dem kreativen Fußballspiel. Zuletzt konnte vor eigenem Publikum gegen Hartberg, den Wolfsberger AC (zweimal Remis) und gegen den Tabellenletzten St. Pölten (Niederlage) nicht gewonnen werden. Vor allem gegen St. Pölten – die bisherige Schießbude der Liga – erspielte Rapid kaum Torchancen.

Rapid war in den letzten Jahren durchaus kreativ: im Ausreden finden. Die Dreifachbelastung aus Meisterschaft, Europacup und Cup wurde oft als Rechtfertigung für eine maue Hinrunde ins Feld geführt. Nun stehen jene drei Klubs mit Dreifachbelastung (RB Salzburg, der Linzer ASK und der Wolfsberger AC) weit vor Rapid, während man selbst trotz Einfachbelastung weiterhin Durchschnitt ist. Nach Spielen wurde die Schuld auf den Schiedsrichter, lauffaule Spieler, zu viel Leistungsdruck, eine schlechte Kader-Zusammenstellung geschoben. In der aktuell erzählten Vereinsgeschichte heißt es, man habe die faulen Äpfel entfernt und leistungswillige Profis geholt: Kämpfer.

Doch Rapid versucht Mannschaften zu bekämpfen, die außer Kampf nichts anzubieten haben – und begibt sich damit auf Augenhöhe mit Außenseiter-Teams anstatt das Rollenverhältnis durch ein ausgefeiltes Fußballspiel hervor zu streichen. Einen ähnlichen Fehler beging Niko Kovac beim großen FC Bayern München. Sein Ensemble sollte kämpfen anstatt spielen. Dadurch wirkte die hochveranlagte Startruppe (vor allem gegen Außenseiter) wie ein Team voller Rumpelfüßler. Nach Niederlagen kritisierte der Trainer seine Spieler und sprach ihnen Einsatzbereitschaft ab. Für Kovac war Fußball Kampf, was ein legitimer Zugang ist. Nur passte er nicht zum schöngeistigen FC Bayern, der aufgrund der Machtverhältnisse ordentlich Fußball spielen sollte. Nun hat Rapid keine Weltklassemannschaft. Aber auch keine Weltklassegegner. Für österreichische Verhältnisse verfügt man über eine gute Truppe, man ist kein Außenseiter. Den finanziellen Möglichkeiten nach startet Rapid jedes Jahr aufs Neue von Position zwei, gleich hinter Red Bull Salzburg, ins Rennen. Rapid aber konnte anders als der FC Bayern die Erwartungshaltung senken. Die Öffentlichkeit erwartet derzeit keinen Meistertitel, sondern bloß Grundtugenden und einen Platz im oberen Mittelfeld. So lange die Austria desolat ist, scheint passabel auszureichen.

Der Konjunktiv ist dem Fußball sein Tod

Kühbauer betonte nach der Heimniederlage vom Wochenende, sich die „Entwicklung nicht schlechtreden“ zu lassen, wenngleich er einräumte, dass St. Pölten „gar nicht so gut verteidigen darf, dass wir nicht zu einem Tor kommen.“ Nachsatz: „Ich glaube trotzdem, dass wir auf einem guten Weg sind, nur muss man halt anders auftreten hier.“ Was soviel heißt wie: Wir wären auf einem guten Weg, hätten wir anders gespielt. Die letzten Spiele zeigten deutlich: Rapid bespielt die Außenseiterrolle. Problematisch wird das gegen tatsächliche Außenseiter. Als Tabellenvierter liegt man nach 13 Runden bereits 14 Punkte hinter Spitzenreiter Red Bull Salzburg, selbst der Dritte WAC ist bereits sechs Zähler entfernt. Rapid ist dem sechsten Rang näher als dem dritten. Vor allem die inferiore Austria und das schwächelnde Sturm Graz sichern Rapid den vierten Rang. Stimmt die Richtung (tabellarisch und ästhetisch) tatsächlich? Von den letzten fünf Meisterschaftsspielen konnte nur eines gewonnen werden. „Wir waren im Offensivspiel als Mannschaft nicht vorhanden, die Bewegung ohne Ball war ganz schlecht", bemerkte Rapid-Verteidiger Christopher Dibon nach dem 0:1 gegen St. Pölten.

„Fußball ist Zweikampf“, erklärte Trainer Kühbauer trocken, und den habe man nicht abgerufen. Man könnte ihm ein Zitat von Sportdirektor Zoran Barisic entgegengehalten, das er vor der Saison im Gespräch mit profil formulierte: „Man wolle natürlich kämpfen, sagte Barisic, „aber es heißt ja Fußballspiel und nicht Fußballkampf. Mir ist dieses Kämpfen und Siegen zu einfach.“

Rapid wird nicht drum herumkommen, die Entwicklung abseits der Kampfpose voranzutreiben: Nun muss man Fußball spielen.