Leuchtraketengesang

Sopranistin Krassimira Stoyanova zählt zu den besten Sängerinnen

Klassik. Sopranistin Krassimira Stoyanova zählt zu den besten Sängerinnen ihres Fachs

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Von Manuel Brug

Eine feine Stimme. Lyrisch fest, lauter, rein. Mit solidem, sicherem Kern und Spitzen, die hohe Töne in Schwingung geraten lassen, bis diese wie Leuchtraketen Bahnen durch das Auditorium ziehen. Eine bulgarische Stimme.

Es gibt auch im Vokalen so etwas wie nationalen Charakter. Man höre die Aufnahmen der in Wien bis heute unvergessenen Ljuba Welitsch, von Karajans später Lieblingssopranistin Anna Tomowa-Sintow, von der einst als Tosca berühmten Raina Kabaivanska, dazu die erdigen Mezzotöne Vesselina Kasarovas: Sie alle haben einen ominösen Glanz in ihren Stimmen, von dem man sofort mehr hören möchte.

Keine temperamentsprühende Diva
Krassimira Stoyanova beansprucht längst einen Platz in der Reihe dieser legendären bulgarischen Sängerinnen - mit einem Unterschied: Steht einem Stoyanova gegenüber, begegnet man keiner temperamentsprühenden Diva, eher einer Frau, die allem Anschein nach in sich ruht und ganz bescheiden auftritt. Die sich gern klein macht, der Lob erkennbar peinlich ist, die jedoch über eine Singstimme und ein Können verfügt, das jenem einer Anna Netrebko durchaus gleichwertig ist. Geschäftsfördernde Extrovertiertheit scheint Stoyanova, Jahrgang 1962, fremd zu sein, auch wenn sie auf offener Bühne gern an ihre Grenzen geht - und zur Freude ihres stetig wachsenden Publikums dabei neue stimmliche und darstellerische Facetten zu entdecken versteht.

Stoyanova wie Netrebko haben ihre Wohnsitze in Wien, beide singen an der Staatsoper. Doch während Netrebko gleichsam ein globales Publikum bedient, ist die 2009 zur Kammersängerin geadelte Stoyanova vorwiegend Wien treu. Dennoch wird sie von einer internationalen Kennerschaft geschätzt, allen voran von den Dirigenten Mariss Jansons, Franz Welser-Möst und Christian Thielemann. Ihre Aufnahmen sind über diverse Labels verteilt, zentral sind zwei Ariensammlungen bei Orfeo.

Missachtung des Glamourfaktors
Stoyanovas Karriere kann als Beleg dafür gelten, dass man auch unter Missachtung des Glamourfaktors des Opernmetiers durchaus zur bedeutenden Sängerin avancieren kann. Stoyanova schwankte lange zwischen den Fächern Geige und Gesang. Heute zehrt sie von der soliden Basis ihrer Musikausbildung in Russe und Plovdiv. Seit ihrem Wiener Debüt als Bizets Micaela 1998 eroberte sie sich die Opernwelt, so bedachtsam wie nachhaltig. Dabei verirrt sich vielleicht kein "Seitenblicke“-Publikum auf der Suche nach dem ultimativen Klassik-Kick ins Theater, dafür ist der Sängerin die Dankbarkeit eines hingerissenen Publikum von Enthusiasten gewiss, die "ihre“ Stoyanova in unterschiedlichen Rollen bejubeln: als Gräfin in Mozarts "Nozze di Figaro“; als eine in ihren zartgliedrigen Legatobögen aufblühende Königin Elisabeth in Verdis "Don Carlo“, von mehr als nur einem Hauch Melancholie umweht; als die in ihrer Todessehnsucht ergreifende, nie gipsern-kühl wirkende Griechenprinzessin in Richard Strauss’ "Ariadne auf Naxos“; als Dvoráks traurige Nixe Rusalka, die wegen ihrer Liebe zu den Menschen nicht froh wird.

Ende Jänner feiert Krassimira Stoyanova als Dvoráks Wassergeschöpf an der Wiener Staatsoper ihre jüngste Premiere. Für den Part hat sie lange und ausführlich geübt. "Die Rollen müssen in mir wachsen“, sagt sie: "Dvorák ist ein Kosmos, in dem man immer neue Welten entdeckt. Ich bin immer wieder tief berührt von Rusalkas Einsamkeit, je länger ich die Figur mit mir herumtrage.“

Krassimira Stoyanova ist eine Künstlerin mit einem beeindruckenden Spektrum von Partien - von lyrischen Charakteren bis zu dramatischeren Figuren, sie ist in Offenbachs sentimentalischer Musikwelt ebenso zu Hause wie in den empfindsam-jungmädchenhaften Ausführungen der Tatjana in Tschaikowskys "Eugen Onegin“; als Puccini- und Verdi-Sopranistin ist Stoyanova allererste Wahl, renommierte Häuser und Dirigenten arbeiten regelmäßig mit ihr. Schnellschüsse kennt die Sängerin nicht. Sie vertieft sich in ihre Rollen, lässt diese förmlich sacken. Es passiert nicht selten, dass ihre Stimme in Technik und Ausdruck nicht weniger als vollkommen ist.