Impulsivreaktion

Staatsoper: Warum Musikdirektor Franz Welser-Möst zurücktrat

Staatsoper. Warum Musikdirektor Franz Welser-Möst das Handtuch warf

Drucken

Schriftgröße

ie Gerüchteküche kochte schon in Salzburg. Während Franz Welser-Möst sich mit Festspiele-Intendant Alexander Pereira wieder bestens vertrug und als Dirigent des "Rosenkavaliers" fast ungetrübte Triumphe feierte, tuschelte man bereits, dass er Staatsoperndirektor Dominique Meyer ein Ultimatum gestellt habe. Der so streitbare wie sensible Maestro, seit 2002 auch Chef des Cleveland Orchestra, fühle sich im Repertoire-Alltag an der Wiener Staatsoper trotz seiner Position als Generalmusikdirektor übergangen. Angeblich war er in Besetzungsplanungen nicht eingebunden, das Vorsingen habe oft ohne ihn stattgefunden -er hatte sich mit Kompromissen abzufinden, wie sie im größten Opernbetrieb der Welt wohl unumgänglich sind. Am Freitag vergangener Woche hat der 54-jährige Franz Welser-Möst sehr abrupt die Konsequenzen gezogen und sein Wiener Amt mit sofortiger Wirkung zurückgelegt -wegen der "seit längerer Zeit bestehenden Auffassungsunterschiede in künstlerischen Belangen", die "auch in mehreren Gesprächen nicht aufzulösen waren". Meyer muss nun überstürzt 34 Dirigate neu besetzen, darunter drei Premieren: Verdis "Rigoletto", "Elektra" von Richard Strauss sowie den Strauss-Ballettabend "Verklungene Feste/Josephs Legende". War hinter den Kulissen so viel Porzellan zerschlagen worden? Und ist es denn so schlimm, wenn der Musikchef die Nummer zwei am Haus ist? Ganz neu sind Welser-Möst-Eklats nicht. Im Herbst 2010 war er an der Seite von Meyer angetreten, bereits im Januar 2012 war sein Vertrag bis 2018 verlängert worden.

Hatte das Leitungsduo zunächst den demonstrativen Schulterschluss gesucht, hing der Haussegen schon bald schief: Ein anvisierter Mozart/da-Ponte-Zyklus wurde verfrüht auf Eis gelegt. Und auch die Liebesheirat mit den für das Haus so entscheidenden Wiener Philharmonikern entwickelte sich zum Ehealltag. Oft war Welser-Möst im Graben zu laut, seine beiden Neujahrskonzerte wirkten wenig entspannt. Welser-Möst, an sich kein großer Charismatiker, gehört dennoch zu den erfahrensten Operndirigenten von Rang. Insofern war seine Berufung nach Wien ein Idealfall, noch dazu für die sich stets nach einem Österreicher an der Musikspitze sehnende Nation. Andererseits wurde er schon als (zu) junger Chef des London Philharmonic Orchestra in den 1990er-Jahren von der britischen Presse gern als "worse than most" (schlechter als die meisten) verspottet. Dann freilich holte ihn Pereira für lange Jahre als Musikdirektor nach Zürich, wo er schließlich im Streit schied. Welser-Möst wird die Absage von 34 Dirigaten finanziell empfindlich treffen, zumal er keine andere Position in Aussicht hat. Auch für die Nachfolge von Simon Rattle bei den Berliner Philharmonikern ab 2018 steht er eher nicht auf der imaginären Kandidatenliste. Und in Wien hat man nun einen weiteren Theaterskandal. Nach den heftigen Turbulenzen am Burgtheater wird die mit 99,98 Prozent ausgelastete Staatsoper, bei der es finanziell ebenfalls immer enger zugeht, erst einmal sehr viel mehr Geld für kurzfristig zu verpflichtende Dirigenten ausgeben müssen.

Von Manuel Brug