Thomas D: Die Drogen müssen auf dem Tisch liegen
Interview: Florian Wörgötter
profil: Sie verkaufen Ihr fünftes Album als Zusammenarbeit zwischen Thomas D und einem gewissen Tommy Blank, der aber auch Sie selbst zu sein scheinen. Mit wem habe ich nun das Vergnügen mit Thomas D oder Tommy Blank?
Thomas D: Mit Thomas D natürlich. Tommy Blank bin nicht ich, auch wenn ich die harten Sachen in seinem Namen rappe.
profil: Was eint Sie? Was trennt Sie?
Thomas D: Wir sind beide auf der Suche nach Bestand, gehen den Dingen gern auf den Grund. Tommy meint, dass Geld und Erfolg nicht glücklich machen. Ich glaube schon daran. Und ich bin viel netter als Tommy.
profil: Warum brauchen Sie ein Alter Ego?
Thomas D: Ich wollte ein dickes HipHop-Album. Derbe Songs wie Hurensöhne, Ihr könnt mich mal oder Erfolg is a Bitch würde ein Thomas D aber nicht machen. Da kam mir die Figur des Tommy Blank gelegen, die diesen streitbaren Part für mich übernimmt. Man identifiziert sich mit ihr, wenn man allen einmal den Mittelfinger zeigen möchte.
profil: Warum teilen Sie nicht in Ihrem eigenen Namen mit, was Sie bewegt?
Thomas D: Wahrscheinlich geht es mir viel zu gut, als dass ich sagen könnte, es läuft alles scheiße. Es herrscht eine zu große Diskrepanz zwischen meinem täglichen Leben und den Gedanken, die ich mir dazu mache. Das will ich als Thomas D nicht vertreten.
profil: Hätte diese Geschichte nicht auch funktioniert, ohne Blank künstlich zum Star zu machen?
Thomas D: Der Erfolg, die Macht, die Verlockungen müssen groß sein. Die Drogen müssen auf dem Tisch liegen, die Frauen sich Blank an den Hals werfen.
profil: Müssen sie das?
Thomas D: Ich befasse mich lieber mit einem großspurigen Helden als mit einem Versager, der allein mit sich rumphilosophiert. Ich habe das große Showbiz gewählt, obwohl Blank selbst dieses vermieden hat.
profil: Sie spielen mit Fakten und Fiktion, inszenieren mit Blank eine ruhmlose Legende, die nie existiert hat. Haben Sie das aus Musik-Mockumentaries wie Spinal Tap oder Fraktus?
Thomas D: Spinal Tap ist grandios. Der größere Einfluss war aber Fight Club.
profil: Es verwirrt ein wenig, dass ein Rapper namens Tommy Blank bereits existiert und schon vor Jahren Amateurvideos auf YouTube veröffentlichte. Wussten Sie das?
Thomas D: Ja, aber das ist nicht der Tommy, von dem ich spreche.
profil: Schlecht recherchiert?
Thomas D: Vielleicht. Für mich leitet sich der Name von dem legendären Kölner Musikproduzenten Conny Plank ab.
profil: Also kein Werbedeal mit Tommy Blank, der auf YouTube wohl bald mehr als 2000 Klicks haben wird?
Thomas D: Nein.
profil: Sieht man Ihr Album wie einen Film, fehlen die entscheidenden Wendungen. Es geht um Aufstieg und Fall, dazwischen passiert wenig Überraschendes. Warum kein riskanteres Drehbuch?
Thomas D: Vielleicht bin ich kein guter Drehbuchautor. Es geht um Zweifel, Gefühle, Verlust und den Blick hinter die Kulissen. Natürlich hat mein Film auch Regiefehler, und das Mikrofon hängt ins Bild.
profil: Warum haben Sie so viele Gäste vors Mikro gebeten?
Thomas D: Ich schreibe nicht die besten Refrains und bin kein guter Sänger, deshalb habe ich mir Leute wie Herbert Grönemeyer, Samy Deluxe und andere geholt, die dem Ganzen mehr Farbe geben. Sie dienen der Abwechslung und der Unterhaltung.
profil: Castingshows sind das Symbol für schnellen Aufstieg und Fall. Warum haben ausgerechnet Sie bei der ARD-Sendung Unser Star für Baku als Juror mitgemacht?
Thomas D: Ich wollte einen Star finden und ihn langfristig begleiten. Da haben sie mich bei Universal noch alle angenickt, obwohl damals jeder wusste, dass das nicht funktionieren würde.
profil: Sind Sie zufrieden mit der Karriere des Gewinners Roman Lob, dessen Album Sie nun mitproduziert haben?
Thomas D: Die Zeichen stehen nicht gut. Lobs erstes Album ist sehr schnell produziert worden, war für viele uninteressant. Das zweite Album entsteht nun in Eigenregie, mit eigenen Musikern, und ich helfe bei den Texten. Im Februar nehmen wir auf.
profil: Sie haben es also nicht geschafft, die Mechanismen des schnellen Talenteverbrennens zu brechen?
Thomas D: Nein. Man hat mir erzählt, dass jeder Tag, an dem die Platte später rauskäme, den Verkauf bremsen würde. Und dann hat der Pool an Songs, die du vom Label bekommst, auch keine Triple-A-Qualität. Hätten sie diese, so würden sie von Miley Cyrus oder Britney Spears gesungen werden. Natürlich klingt das Album nun entsprechend durcheinandergewürfelt.
profil: Castingshow-Sieger bekommen immer nur die B-Ware?
Thomas D: In Deutschland und Österreich bestimmt. Wenn jemand einen Hit schreibt, verkauft er ihn lieber weltweit statt 30.000 Mal in Deutschland mit Roman Lob. Aber du kannst es einer Plattenfirma nicht übelnehmen, wenn sie Geld verdienen will. Dass der Glaube an die Langfristigkeit nicht mehr da ist, nehme ich Universal aber persönlich übel: Sie ließen Roman einfach fallen.
profil: Fühlen Sie sich von Universal über den Tisch gezogen?
Thomas D: Ja! Mein Lieblingswitz geht so: Ich rufe Sigi Schuller an, den A&R-Chef von Universal Deutschland. Er hebt ab und sagt: Thomas, ich rufe dich gleich zurück. Auf diesen Rückruf warte ich seit eineinhalb Jahren.
profil: Was hätte passieren müssen?
Thomas D: Man hätte mir von Anfang an sagen sollen: Thomas, wach auf, wir sind hier in einer Castingshow. Der Gewinner kriegt ein Album, danach gehen wir weiter. Dann hätte ich gesagt: Hart, aber okay. Das zweite Album interessierte niemanden. Nun machen wir es ohne Universal, geht auch.
profil: Wie ließe sich die Musikindustrie nachhaltiger gestalten?
Thomas D: Die Zeiten der großen Plattenbosse, die gefühlt fünf Stockwerke über dir standen, sind vorbei. Es macht auch mehr Spaß, mit wirklich motivierten Menschen zusammenzuarbeiten.
profil: Wie lässt sich Ihr Öko-Image mit Ihren Toyota- und Telekom-Werbedeals vereinbaren?
Thomas D: Ich bin nicht perfekt. Ich entscheide, was für mich okay ist. Es gibt gute, innovative Werbung, die sehr gut bezahlt wird. So kann ich es mir leisten, die Platten zu machen, die ich machen will. In Afghanistan habe ich eine Schule bauen lassen. Außerdem fahre ich gern Toyota.
profil: Hybrid?
Thomas D: Nein, Sportwagen.
profil: Ehrlich?
Thomas D: Ja, ich weiß, schon wieder ein Imageverlust! Aber ich bin Veganer. Selbst wenn ich 15 Sportwagen fahre, stoße ich immer noch weniger CO2 aus als jemand, der Fleisch isst.
profil: Alles geht, solange die persönliche Ökobilanz stimmt?
Thomas D: So ungefähr. Früher haben wir immer gesagt: Im TV kommt so viel Schwachsinn filmt lieber uns, wir haben was zu sagen! Was die Werbung angeht, denke ich: Ihr werdet das Geld ohnehin ausgeben ich nehme es!
Zur Person
Thomas D, 44, eigentlich Thomas Dürr, machte mit der Popband Die Fantastischen Vier deutschen Rap populär. Der Schwabe hat sich vom HipHop-Freak der frühen 1990er-Jahre zum Parade-Öko gewandelt, der in einer ehemaligen Landkommune am Vierkanthof lebt, sich vegan ernährt und gegen die Pelzindustrie demonstriert. Thomas D engagiert sich auch öffentlich gegen Rassismus und Homophobie. Seine Botschaften verbreitete er auf bisher fünf Soloalben. Zudem kürte er als Jury-Präsident der ARD-Castingshow Unser Star für Baku mit Stefan Raab den deutschen Teilnehmer für den Eurovision Song Contest.
Konzeptmeister
In seinem fünften Soloalbum setzt Thomas D sein fiktives Alter Ego Tommy Blank in ein Psychodrama über den Höhenrausch im Musikbusiness, gerät dabei aber künstlerisch selbst ins Taumeln. Aufstieg und Fall des Tommy Blank schildert den Karriereweg eines exzessiven Rappers, der sich als schizophrene Abspaltung von Thomas D entpuppt. Die verwirrende Geschichte spannt sich über 14 Songs, ist aber eigentlich schon nach dem zweiten erzählt und leidet unter allzu klischeehaften Darstellungen von Erfolg und Niederlage. Musikalisch geriet das Album dennoch abwechslungsreich, was der Heerschar an Gästen geschuldet ist. Große Songs fehlen jedoch. Es ist Thomas D aber anzuerkennen, in Zeiten der Tonträgerflaute ein Konzeptalbum zu riskieren mit einer an sich guten Idee, aber zu wenig narrativer Raffinesse.
Thomas D: Aufstieg und Falldes Tommy Blank (Four Music / Sony)