Thorsten Fink

Thorsten Fink: "Mut muss unsere Eigenschaft sein"

Austria-Trainer Thorsten Fink über seine Ziele mit den Violetten, die gesellschaftspolitische Verantwortung von Fußballvereinen und Helmut Kohls Neid auf Oliver Kahn.

Drucken

Schriftgröße

INTERVIEW: CLEMENS ENGERT

profil: Das ÖFB-Nationalteam feiert Erfolge, im österreichischen Clubfußball wechseln Licht und Schatten aber immer noch rasant. Bei der Austria fällt derzeit sehr oft das Schlagwort "Nachhaltigkeit“. Wie kann man das Niveau der österreichischen Bundesliga dauerhaft anheben? Thorsten Fink: Das Ziel muss sein, weiterhin möglichst viele Punkte in der UEFA-Fünfjahreswertung zu holen und sich einen Champions-League-Fixplatz zu erarbeiten. Ich denke, dass das durchaus realistisch ist. Im Bereich der Infrastruktur kann man in Österreich sicher auch noch einiges verbessern. In der Schweiz gibt es in der ersten Liga keine Spielstätte, die kein richtiges Stadion wäre. Das ist in Österreich doch anders.

profil: Bei Ihrem Ex-Verein, dem FC Bayern München, wurde ja auch mit dem Bau der Allianz Arena ein Boom eingeläutet. Fink: Ich kann mich erinnern, dass wir zu meiner aktiven Zeit einmal in der Champions League gegen Rosenborg Trondheim daheim vor nur 13.000 Zusehern gespielt haben. Das wäre heutzutage undenkbar.

profil: Wie sehen Sie die derzeitige Entwicklung bei den Bayern? Fink: Da gibt es eigentlich gar nichts zu bemängeln. Der Verein wird top-professionell geführt und steht überragend da. Trotzdem: Ohne Uli Hoeneß ist es für mich nicht der Club, der er einmal war. Darum hoffe ich, dass er bald wiederkommt und auch wieder eine leitende Funktion im Verein einnimmt.

profil: Apropos Führungsfiguren: Haben autoritäre Trainer, "Schleifer“, wie der berüchtigte Felix Magath, im modernen Fußball ausgedient? Fink: Nein, ich glaube nicht, dass ein bestimmter Trainerypus ausgedient hat. Jeder Trainer hat seine eigene Philosophie, und Felix Magath hat ja auch große Erfolge vorzuweisen. Es wird immer wieder Perioden geben, in denen Vereine genau auf solche Trainertypen setzen, weil es eben auch sehr viele verschiedene Ansätze gibt, wie man eine Fußballmannschaft führen kann.

Wenn ich eine Mannschaft habe, die nicht laufen will, bringt die beste Taktik nichts.

profil: Gibt es eine Trainerkategorie, der sie sich persönlich zugehörig fühlen? Fink: Ich habe damals, zu HSV-Zeiten (Anm.: Fink war von 2011 bis 2013 Cheftrainer der Hamburger), einmal gesagt, dass ich mich - wenn ich mich selbst einschätzen müsste - so ähnlich wie Jürgen Klopp sehen würde. Das kam nicht so gut an. Mittlerweile möchte ich mich nicht mehr direkt mit einem Kollegen vergleichen. Ich bin aber vom Führungsstil her nicht so autoritär wie etwa ein Felix Magath. Ich habe einen anderen, eigenen Stil.

profil: In Österreich wurde die Bedeutung der Taktik im Fußball von manchen Trainern - sogar von Teamchefs - lange kleingeredet. Wie wichtig ist sie wirklich? Fink: Natürlich ist Taktik wichtig. Jeder Spieler sollte wissen, was er auf dem Platz zu tun hat, die Mannschaft sollte einen klaren Plan haben. Das Um und Auf sind allerdings Leidenschaft, Charakter und Teamwork. Wenn ich eine Mannschaft habe, die nicht laufen will, bringt die beste Taktik nichts. Andererseits zeigen Trainer wie Pep Guardiola, was mit der richtigen taktischen Ausrichtung alles möglich ist.

profil: Wie wird der österreichische Fußball heute in Deutschland wahrgenommen? Hat sich durch die Erfolge des ÖFB-Teams etwas verändert? Fink: Ich denke schon, dass in Deutschland und anderen Ländern wahrgenommen wird, dass das ÖFB-Team derzeit tollen, offensiven Fußball zeigt, der noch dazu erfolgreich ist. Ob sich konkret etwas am Stellenwert geändert hat, kann ich nicht sagen. Es ist aber sicherlich so, dass österreichische Spieler auf dem Transfermarkt wieder begehrter sind.

profil: Ist es für Vereine wie die Austria in solchen Zeiten besonders schwierig, junge Spieler zu halten? Fink: Ja, junge Spieler werden ja oft auch von ihren Beratern oder Eltern "verheizt“ und wechseln zu früh ins Ausland. Der Großteil der Spieler, die mit 15, 16 Jahren nach England gehen, kann sich nicht etablieren. Spieler, die in der heimischen Liga bleiben, bis sie 20 oder 21 sind, entwickeln sich in der Regel besser. Es gibt natürlich immer Ausnahmen. Als Trainer hat man da leider meist wenig Einfluss - die jungen Spieler hören doch eher auf ihre Berater.

profil: Kann der Spagat zwischen der Funktion als Ausbildungsverein und internationalen Erfolgsansprüchen überhaupt gelingen? Fink: Es ist auf jeden Fall möglich - da muss man nur einen Blick auf andere Länder werfen. Natürlich ist der FC Basel (Anm.: Thorsten Fink war von 2009 bis 2011 Trainer beim Schweizer Serienmeister) in dieser Hinsicht ein gewisses Vorbild. Auch dort wechseln die besten Spieler immer wieder in europäische Topligen, und man kann trotzdem international mithalten. Bei der Austria sind wir im Nachwuchsbereich gut aufgestellt. Man sieht das auch am aktuellen ÖFB-Team, in dem zuletzt neun Spieler mit Austria-Vergangenheit gespielt haben. Man braucht natürlich auch ein gutes Scouting-System und den Mut, jungen Spielern auch tatsächlich Einsatzzeit zu geben. Mut muss hier unsere Eigenschaft sein.

Helmut Kohl hat einmal zu Oliver Kahn gesagt, dass er froh wäre, wenn er selbst so viel Sendezeit wie ein Fußballer bekäme.

profil: Was sind Ihre Ziele mit der Austria? Fink: Wir wollen uns in dieser Saison zunächst einmal unter den ersten drei etablieren. Die Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb bleibt das Ziel. Wir müssen uns nicht verstecken, aber qualitativ sind Red Bull Salzburg und Rapid im Moment wohl noch ein bisschen besser. Auf längere Sicht wollen wir die Austria aber auf jeden Fall so weit bringen, dass wir in jedem Jahr um den Meistertitel mitspielen können.

profil: Die Austria war einer der ersten Vereine in Österreich, die Flüchtlinge zu Trainingseinheiten einluden. Haben Fußballklubs auch eine gesellschaftliche Verantwortung? Fink: Auf jeden Fall. Die Austria ist ein moderner Klub und macht viele Dinge in diesem Bereich. Fußballer haben ja einen gewissen gesellschaftlichen Status, und den sollte man auch dazu nutzen, sich für soziale Initiativen starkzumachen. Helmut Kohl hat in diesem Zusammenhang übrigens einmal zu Oliver Kahn gesagt, dass er froh wäre, wenn er selbst so viel Sendezeit wie ein Fußballer bekäme. Ich denke, in diesem Sinne sollte man sich einer gewissen Vorbildfunktion durchaus bewusst sein.

profil: In Fußballvereinen treffen ja meist Spieler aus verschiedensten Kulturkreisen aufeinander. Wie geht man als Trainer damit um? Fink: Als Trainer muss man nicht zuletzt ein guter Psychologe sein. Es ist wichtig, aufeinander zuzugehen, weil natürlich nicht jeder Spieler die selben Werte hat oder aus dem gleichen kulturellen Umfeld kommt. Da muss man als Coach ein gutes Gespür haben.

profil: Wen halten Sie für den besten Fußballer aller Zeiten? Fink: Da gibt es viele: Gerd Müller, Beckenbauer, Matthäus, Pele. Wenn ich mich jedoch für einen entscheiden müsste, würde ich Diego Maradona nehmen.

profil: Und wer war der beste Spieler, mit dem sie jemals gemeinsam in einer Mannschaft gespielt haben? Fink: Mario Basler.

Thorsten Fink, 47, wurde in Dortmund geboren und spielte während seiner aktiven Zeit unter anderem für die SG Wattenscheid 09 und den Karlsruher SC. Von 1997 bis 2004 absolvierte er 150 Bundesliga-Spiele für den FC Bayern München und gewann im Jahr 2001 Champions League und Weltpokal. Als Trainer war er bisher unter anderem beim FC Ingolstadt (2008-2009), dem FC Basel (2009-2011) und dem Hamburger SV (2011-2013) tätig. Seit Mai dieses Jahres ist er Chefcoach bei der Wiener Austria.