mich hat aber niemand gefragt

Kärnten. Die „Causa Birnbacher“ könnte die amtierende Kärntner Landesregierung in den Abgrund ziehen

Drucken

Schriftgröße

An dem Papier ist eigentlich nichts auszusetzen. Zwei schlanke A4-Seiten, mit Bedingungen, Zielen und Honoraren. Aufgesetzt im April 2007 in der Villacher Kanzlei eines angesehenen Steuerberaters, adressiert an „Herrn Landeshauptmann Dr. Jörg Haider und Landesrat Dr. Josef Martinz, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Kärntner Holding“.
Betreff: „Anteilsveräußerung Hypo Alpe-Adria-Bank International AG“. Das ¬Schreiben trägt drei Unterschriften: die des Steuerberaters Dietrich Birnbacher sowie jene von Haider und Martinz.

Die Unterschriften sind echt – doch das Dokument an sich ist Lug und Trug. Verfasst in der Absicht, einem Honorar in der Höhe von sechs Millionen Euro im Nachhinein eine Rechtsgrundlage zu verschaffen. Oder anders gesagt: einer krummen Geschichte einen legalen Anstrich zu verpassen.
Mittwoch, 11. Juli 2012, Landesgericht für Strafsachen Klagenfurt. Dietrich Birnbacher, Beschuldigter, entlarvt mit einem einzigen Satz ein politisches System: „Ich bekenne mich schuldig, einen strafbaren Beitrag geleistet zu haben.“

Der 71-Jährige, bisher unbescholten und unauffällig, steht im Zentrum jener Affäre, die längst seinen Namen trägt: die „Causa Birnbacher“.
Sechs Millionen Euro brutto. So viel kassierte der Steuerberater einst für seine angeblichen Dienste rund um den Verkauf der Klagenfurter Hypo Alpe-Adria-Bank 2007 an die Bayerische Landesbank. Bezahlt aus Steuergeldern, auf ausdrückliche Anweisung von Haider und Martinz.
Haider ist im Oktober 2008 tödlich verunglückt und kann nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden; Martinz, amtierender ÖVP-Obmann in Kärnten, steht heute ebenso vor Gericht wie Birnbacher und die Manager der landeseigenen Kärntner Landes- und Hypothekenbank-Holding, Hans-Jörg Megymorez und Gert Xander. Der Verdacht: Untreue.

Und die Causa könnte sich noch ausweiten. Die damaligen Büroleiter von Jörg Haider und Josef Martinz sitzen heute in Regierungsfunktionen: Harald Dobernig gibt unter Landeshauptmann Gerhard Dörfler den FPK-Finanzlandesrat, Achill Rumpold folgte Martinz als VP-Landesrat. Beide waren, wie profil vorliegende Unterlagen belegen, im Frühjahr 2008 bei entscheidenden Sitzungen dabei, als versucht wurde, einem fragwürdigen Millionenhonorar eine legale Basis zu zimmern.

Wenn’s pressiert, dann steht ein Steuerberater wie Birnbacher seinen Klienten auch am Wochenende zur Verfügung. Am 9. Februar 2008 zum Beispiel. In Birnbachers Villacher Kanzlei tauchte – ob vorangemeldet oder nicht, ist heute nicht mehr zu eruieren – Hans-Jörg Megymorez auf.
Die beiden Herren standen vor der kniffligen Aufgabe, ein Schreiben zu konstruieren, das eigentlich schon ein Jahr zuvor angefertigt hätte werden müssen. Was wiederum voraussetzte, dass in keinem Satz Ereignisse angedeutet werden durften, die schon wieder Vergangenheit waren. Also, Betreff: „Anteilsveräußerung Hypo Alpe-Adria-Bank International AG“. Und weiter: „Die Bayerische Landesbank hat ihr Interesse an einem außerbörslichen Erwerb bekundet. Rechtlicher Eigentümer der Anteile ist die Kärntner Landesholding.“

Als diese Sätze niedergeschrieben wurden, hatten die Bayern die Mehrheit der ehemaligen Landesbank längst übernommen und das Land Kärnten 800 Millionen aus München kassiert.
Aber weiter: „Ich (Anm.: Birnbacher) soll nunmehr die Sinnhaftigkeit, Zweckmäßigkeit und Machbarkeit des als äußerst vertraulich zu behandelnden Vorhabens aus Sicht des Landes Kärnten beurteilen … Erkenntnisse, Einschätzungen, Feststellungen und Beurteilungen durch mich haben grundsätzlich mündlich zu erfolgen; auf Verlangen können je nach Erkenntnisstand und Lageentwicklung schriftliche Detailausführungen verlangt werden.“ Vereinbartes Honorar: 100.000 Euro fix inklusive Umsatzsteuer zuzüglich 1,5 Prozent „des Veräußerungserlöses im Erfolgsfall“.

Das mit „Villach, im April 2007“ datierte Dokument langte vier Tage später, am 12. Februar 2008, in der Chefetage der Kärntner Landesholding ein – unterschrieben von Haider, Martinz und Birnbacher.
Damit war die Basis für jene Konspiration gelegt, an deren Ende der Steuerberater sechs Millionen Euro aus Steuergeldern kassieren sollte.
Bereits am 20. Juli des Vorjahres hatte Birnbacher in einer Einvernahme offenbart, wie und wann der Brief zustande gekommen war: „Tatsächlich stammt dieser nicht vom April 2007, sondern wurde am 9.2.2008 in meiner Kanzlei geschrieben … Er (Anm.: Megymorez) hatte ein vorbereitetes Schreiben mit … Über Ersuchen des Dr. Megymorez wurde dieses … von meiner Mitarbeiterin auf meinem Briefpapier über Diktat des Dr. Megymorez … neu geschrieben … Zum damaligen Zeitpunkt war der Vorgang für mich grundsätzlich unbedenklich, zumal damit ja nur die im April 2007 erfolgte mündliche Auftragserteilung durch Dr. Haider in Schriftform festgehalten wurde … Aus heutiger Sicht macht diese Vorgangsweise (Rückdatierung) insofern Sinn, als diese einen Baustein für die Honorarüberwälzung an die Holding darstellt.“

Das heißt nichts anderes als: Der damals amtierende Landeshauptmann und dessen Stellvertreter haben 2008 ein Papier unterschrieben, von dem sie wussten, dass es rückdatiert und daher manipuliert war.
Die Frage ist nur: Warum das alles?
Birnbacher, Martinz’ langjähriger privater Steuerberater, war im Frühjahr 2007 unter bis heute ungeklärten Umständen als „Gutachter“ zu den Verkaufsverhandlungen mit der Bayerischen Landesbank hinzugezogen worden. Zu einem Zeitpunkt, da es ohnehin nichts mehr zu be¬gutachten gab. Ein schriftlicher Auftrag fehlte, nicht aber eine -Honorarzusage von Haider und Martinz über zunächst zwölf Millionen Euro (unter öffentlichem Druck wurde diese später auf sechs Millionen reduziert).

Vergangene Woche bekannte Birnbacher ein, dass selbst sechs Millionen Euro weit jenseits des Plausiblen gewesen seien: „Es war für alle evident, dass meine tatsächliche Leistung nicht zwölf oder sechs Millionen Euro entspricht“, gestand er vor Gericht. Und weiter: „Im Kopf habe ich es für möglich gehalten, dass irgendwann einmal einer kommt und sagt, jetzt zahlst mir was.“

Birnbachers Aussage lässt nur einen Schluss zu: Haider und Martinz haben seinerzeit über einen befreundeten Steuerberater Geld auf die Seite räumen lassen. Möglicherweise in der Absicht, die Parteikassen finanziell aufzupolstern. Wie profil bereits im Juni 2010 unter Berufung auf einen anonymisierten Zeugen berichtete, sollen Haider und Martinz schon 2008 die Verwendung der Birnbacher-Millionen debattiert haben. „In der Kärntner Landesregierung gab es ein Gespräch in kleiner Runde. Martinz hat dort über Abwicklung und Durchführung der Parteienfinanzierung gesprochen. Und zwar mit einer ¬Gelassenheit, als würde dies zum Tagesgeschäft eines Politikers gehören. Er hat gesagt, er wolle das Schwarzgeld für den Landtagswahlkampf 2009 einsetzen“ (profil 26/10).
Martinz hat dies stets bestritten – und wollte profil damals klagen. Es blieb bei der Ankündigung.

Auch vor Gericht wies der VP-Obmann bisher jede Verfehlung von sich: „Ich würde alles wieder so machen.“ Richter Manfred Herrnhofer empfahl ihm, seine Verteidigungslinie zu ändern, andernfalls, so der Richter vergangene Woche, „könnte es schlecht für Sie ausgehen“. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Birnbacher schwört, dass er von den sechs Millionen Euro keinen Cent weitergereicht habe. Nach eigener Aussage hat er das Geld ordnungsgemäß versteuert, mit dem verbleibenden Betrag alte Steuerschulden beglichen, die Kanzlei renoviert und etwas mehr als eine Million Euro angelegt.

Zurück ins Jahr 2008. Am 9. Jänner empfing Haider Birnbacher in seinem Büro: „Bei diesem Gespräch hat mich Dr. Haider aufgefordert, meine Rechnung über zwölf Millionen Euro an die Landesholding zu fakturieren. Zu dieser Fakturierung ist es letztlich nicht gekommen, da kurz darauf medialer Wirbel wegen meines Honorars beziehungsweise dessen Höhe einsetzte“, so der Steuerberater gegenüber den Ermittlern. Die Einbindung der Kärntner Landesholding an sich glich schon einem rechtlichen Parforceritt. Der Steuerberater war ja von Haider und Martinz quasi privat mandatiert worden – ohne formellen Beschluss der Landesregierung. Haider, sehr kreativ, wollte das Honorar nun der Landesholding umhängen. Diese stand und steht zwar im Eigentum des Landes. Der Grat zwischen öffentlichem und privatem Eigentum war für Haider bekanntlich immer ein schmaler. Ungeachtet dessen, dass er in der Holding im Gegensatz zu Martinz – dieser war damals Aufsichtsratsvorsitzender – noch nicht einmal eine Funktion innehatte.
Am 5. März 2008 bot der Sitz der Kärntner Landesregierung die Bühne für eine denkwürdige Sitzung. Am Besprechungstisch: Haider, Martinz, deren Büroleiter Harald Dobernig (heute FPK-Landesrat) und Achill Rumpold (heute ÖVP-Landesrat) auf der einen Seite; die Holding-Vorstände Megymorez und Xander auf der anderen. Und mittendrin: Alexander Klaus, Rechtsvertreter der Holding – und Spielverderber.

Klaus legte zwei Tage später einen Aktenvermerk an, der profil vorliegt. Da heißt es: „Ich verweise darauf, dass Haider und Martinz nicht für die Holding rechtsgeschäftlich tätig werden konnten … Demgemäß liegt die Zahlungspflicht gegenüber Dr. Birnbacher primär bei Dr. Haider und Dr. Martinz, die ihrerseits einen Regressanspruch gegen die Landesholding haben. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Aufwand, der gemacht wurde, angemessen ist.“

Zu diesem Zeitpunkt waren Haider und Martinz immer noch fest entschlossen, Birnbacher zwölf Millionen auf den Tisch zu legen. Wie aber sollte die „Angemessenheit“ des Honorars plausibilisiert und in weiterer Folge öffentlich kommuniziert werden?

Auftritt Gerhard Altenberger, einer der renommierteren Vertreter seines Fachs. Der Wiener Wirtschaftsprüfer und Gerichtssachverständige, zuletzt unter anderem im Immofinanz-Komplex zugange, wurde noch an diesem 5. März beauftragt, die Höhe des Honorars zu evaluieren. Seine Expertise lag schon am nächsten Tag vor. Dumm nur: Altenberger hatte sich geweigert, das Birnbacher-Honorar als „angemessen“ zu bezeichnen. Der Gutachter hatte sich vielmehr zu der Feststellung verstiegen, dass „nicht im Detail nachvollzogen werden kann, inwieweit Birnbacher für die Höhe des Verkaufspreises verdienstlich wurde“.

Am 6. März kamen Xander, Dobernig und Megymorez erneut zusammen. Was dann passierte, gewährt tiefe Einblicke in die Usancen der Sachverständigenszene. Wieder saß ein Anwalt der Holding mit am Tisch, wieder wurde ein Aktenvermerk angelegt: „Wir erreichen Herrn SV DDr. Altenberger telefonisch und diskutieren mit ihm die offenen Punkte durch … Hinsichtlich der Haupt- und Kernfrage, nämlich der Frage der Angemessenheit … ist Dr. Altenberger nicht bereit, eine Formulierung dahingehend vorzunehmen, dass das Honorar als angemessen zu bezeichnen ist … Nach Diskussionen ist Dr. Altenberger bereit, eine Umänderung dahingehend zu machen, dass der vereinbarte Prozentsatz … für den Erfolgsfall im Vergleich zu … Honoraren von Investmentbanken darstellbar ‚und plausibilisierbar‘ ist.“

Es brauchte also nur ein Telefonat, um den Gutachter zu einer Formulierung zu bewegen, mit der das Birnbacher-Honorar öffentlich gerechtfertigt werden konnte.

Blieb noch das politische Problem. Die Empörung von Opposition und Medien – gefällige Expertisen hin oder her – wollte nicht verstummen. Haider wäre nicht Haider gewesen, hätte er dieses dräuende Desaster nicht noch in einen Erfolg umgemünzt. Am 12. März 2008 bejubelte er, ganz Landesvater, sich selbst: Er habe Birnbacher einen „Patriotenrabatt“ herausgerissen. Der Steuerberater werde auf die Hälfte des Honorars verzichten, auf sechs Millionen also. Und diese Summe fließe künftig in Sozialprojekte. In der Ausgabe der „Kronen Zeitung“ vom 14. März 2008 liest sich das so: „,Birnbacher hätte aufgrund der Gutachten alles fordern können. Der Mann ist sicher auch zwölf Millionen Euro wert gewesen, weil er ausgezeichnete Arbeit geleistet hat und ein diskreter und fundierter Berater war‘, erklärt Haider. Die öffentliche Diskussion um das Honorar sei aber an der Kanzlei Birnbacher nicht spurlos vorübergegangen: ,Birnbacher hat einen sehr großen Schritt gemacht. Jetzt stehen sechs Millionen für die Bevölkerung zusätzlich zur Verfügung.‘“

Ganz so war es freilich nicht. Birnbachers Version, niedergeschrieben im Einvernahmeprotokoll vom Juli 2011, liest sich so: „In weiterer Folge kam es in meiner Kanzlei am 11.3.2008 zu einer Besprechung, an welcher neben mir Dr. Haider, Dr. Martinz, Dr. Megymorez, Mag. Xander, Mag. Dobernig und ein Adjutant des Dr. Martinz (Anm.: Achill Rumpold) teilgenommen haben … Dr. Haider hat das Gespräch sofort an sich gezogen und mich gefragt: ,Birni, wir können dir die zwölf Millionen Euro nicht zahlen, bist du mit sechs Millionen auch zufrieden?‘ Ich habe daraufhin gesagt: ‚Ja.‘“

Auf die Nachfrage der Ermittler ergänzte er: „Wenn ich gefragt werde, ob ich auch mit einem niedrigeren Betrag wie z. B. zwei Millionen zufrieden gewesen wäre, so antworte ich, ja, mich hat aber niemand gefragt.“
So viel zum „Patriotenrabatt“.

Es darf nicht weiter überraschen, dass auch das reduzierte Honorar von sechs Millionen Euro, dessen Höhe mittlerweile auch Birnbacher überrascht, mit weiteren Gutachten unterfüttert wurde. Sowohl die Kanzlei Deloitte – Birnbacher vor der Justiz: „Konkret kontaktierte Mag. Dobernig Dr. Spitzer von Deloitte“ – als auch Wirtschaftsprüfer Rudolf Siart kamen zu dem Schluss, dass die Gage „angemessen“ sei.
Birnbacher hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt, wie wenig es brauchte, um in Haiders Kärnten mit Millionen anderer Leute überschüttet zu werden: ein gerade einmal acht Seiten umfassendes „Gutachten“ zur Angemessenheit des Hypo-Verkaufspreises; dies auf Grundlage eines mündlichen Zurufs durch den Landeshauptmann und dessen Vize, der später um eine frisierte, weil rückdatierte „Auftragserteilung“ ergänzt wurde.

So einfach lief das im südlichsten Bundesland.