Abgasreinigung: Staub zu Staub

Abgase: Staub zu Staub

Katalysator: Erfolg und Misserfolg nach 20 Jahren

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Kohlschwarz färbt sich der Wischlappen beim Fensterputzen. Zumindest an den Durchzugsstraßen der Ballungszentren bläst der motorisierte Straßenverkehr Unmengen von Rußpartikeln in die Luft – und das, obwohl der vor 20 Jahren eingeführte Katalysator einen Technologieschub in der Abgasreinigung brachte. Was aber ist seither geschehen, um die Luftqualität in Ballungsräumen zu verbessern? Können effizientere Motoren und Filtersysteme die Abgasproblematik einer wachsenden Zahl von Kraft- und Schwerfahrzeugen lösen?

Erstaunlicherweise waren in den USA schon seit 1974 Katalysatoren zur Abgasreinigung bei Kraftfahrzeugen vorgeschrieben, also zwölf Jahre früher als in Europa. Es handelte sich dabei allerdings noch um eine weniger wirksame Technologie. Mit der Entwicklung des so genannten Dreiwegekatalysators gelang Anfang der achtziger Jahre der technische Durchbruch, nämlich die fast vollständige Filterung der Schadstoffe aus den Abgasen benzinbetriebener Kfz. „Der Dreiwege-Kat ist eine tolle Erfolgsgeschichte der internationalen Umweltpolitik“, urteilt Günther Lichtblau, Experte für Abgastechnologien im Umweltbundesamt. „Bis vor 20 Jahren waren die Benziner durch ihren Kohlenwasserstoff- und Stickoxidausstoß das Hauptproblem. Der Kat hat dieses Problem praktisch vollständig gelöst!“

Kat-Pioniere. Als erstes europäisches Land verordnete die Schweiz ab 1986 im Alleingang Katalysatorpflicht für Neuwagen. Österreich folgte im Jahr darauf: Ab dem 1. Jänner 1987 mussten alle benzingetriebenen Neuwagen mit einem Hubraum von mehr als 1500 Kubikzentimetern einen Kat besitzen, ab dem 1. Jänner 1988 galt dies auch für alle übrigen neuen Benziner. Ein erfreulicher Nebeneffekt war die mit dem Kat-Einsatz notwendig gewordene Verwendung von bleifreiem Treibstoff, da die hochgiftigen bleiorganischen Antiklopfmittel die Katalysatoren ruiniert hätten.

Bei dieselbetriebenen Fahrzeugen erwies sich die Abgasreinigung als wesentlich schwieriger – deren höherer Luftanteil verhinderte die Umwandlung der Stickoxide in Luftstickstoff. Schon damals gab es Hinweise auf das gesundheitsschädigende Potenzial der Dieselpartikel. Während also die ab 1987 neu zugelassenen Benziner geradezu Umweltmusterschüler waren, blieben die Dieselfahrzeuge aufgrund der von ihnen ausgestoßenen Stickoxide und Rußpartikel ein Problemfall.

Und dies umso mehr, als die in Österreich verfügte günstigere Besteuerung des Dieselkraftstoffes einen wachsenden Trend zu Dieselfahrzeugen auslöste. Gab es im Jahr 1990 hierzulande 2,4 Millionen Benziner und 380.000 Diesel-Pkws, so waren es 15 Jahre später 2,1 Millionen Benziner und mehr als zwei Millionen Diesel-Pkws. Vor allem aber boomt seit der Ostöffnung und dem EU-Beitritt Österreichs sowie ehemaliger Ostblockstaaten auch der dieselbetriebene Lkw-Verkehr, was eine Lösung der Abgasproblematik umso dringlicher erscheinen lässt.

Dem Trend zu Dieselfahrzeugen und dem rasch wachsenden Schwerverkehr versucht nun die Politik Einhalt zu gebieten. Unter dem Titel Verminderung des Treibhausgases CO2 beschloss die österreichische Bundesregierung am Mittwoch der Vorwoche eine Erhöhung der Mineralölsteuer um drei Cent bei Benzin und um fünf Cent bei Dieselkraftstoff, was auch den Gütertransport verteuern wird. Denn in den vergangenen Jahren haben sich die Transportwege vieler Produkte durch wettbewerbsverzerrend niedrige Transportkosten und das Fallen aller Handelsschranken erheblich ausgeweitet.

Wie die „Salzburger Nachrichten“ vergangene Woche recherchierten, haben etwa die Bestandteile eines normalen Einkaufs für einen Vierpersonenhaushalt Transportwege von insgesamt rund 85.000 Kilometern hinter sich. Wenige Tage zuvor kritisierte der Verkehrsclub Österreich, dass sich die jährlichen Leerfahrten von alpenquerenden Lkws auf beachtliche 136 Millionen Kilometer summieren, wobei diese 150.000 Leerfahrten nur fünf Prozent des gesamten Lkw-Alpentransits ausmachen.

Umso problematischer erscheint die gleichzeitige Einstellung der „rollenden Landstraße“, also des Lkw-Transports per Bahn, zwischen Ungarn und Oberösterreich. Wie der neue Generaldirektor der Raab-Ödenburger Eisenbahn Csaba Szekely im vorwöchigen profil berichtete, wechselten die Frächter im Jahr 2004 nach dem Ende der Ökopunkte-Kontingentierung wieder auf die Straße.

Rußbelastung. Die zentrale Frage ist aber, wie schädlich die Abgase und Partikel all dieser Dieselfahrzeuge für die Gesundheit tatsächlich sind. Während Johann Nimmrichter, Experte des Bundesdenkmalamtes, den Eindruck hat, dass die Rußbelastung von Fassaden in den vergangenen Jahrzehnten eher abgenommen hat, sehen Lungenfachärzte die Entwicklung nicht ganz so rosig. Da zwischen Einwirkung der Stäube und erkennbaren Lungenschäden oft große Zeiträume liegen, ist das Gefährdungspotenzial winziger eingeatmeter Partikel nicht direkt wahrnehmbar.

Der sichtbare Staub, den wir etwa an Baustellen sehen, wird großteils im Nasen- und Rachenbereich abgefangen. Kleinere Partikel gelangen bis in die Bronchien und bleiben dort an einer Schleimschicht kleben. Ein regelrechter Rasen sich bewegender winziger Härchen transportiert Schleim samt Partikeln wieder aus den Atemwegen hinaus. Nur die allerkleinsten Partikel im Nanometerbereich, wie sie beispielsweise in Dieselmotoren entstehen, können bis in die Lungenbläschen gelangen, wo sie entweder von Fresszellen verdaut werden oder aber langfristig eine entzündliche oder allergische Reizung der Zelle auslösen können.

Laut Norbert Vetter, Primarius der Zweiten Internen Lungenabteilung auf der Wiener Baumgartner Höhe, „rufen Stäube jeglicher Größe vor allem bei vorgeschädigten Personen wie etwa Asthmatikern weitere Schädigungen der Bronchien hervor“. Besonders feine Stäube, die wie Zigarettenrauch oder Dieselpartikel bis in die tiefsten Lungenbläschen vordringen, „können Lungenbläschen zerstören oder in die Blutbahn vordringen und dort Entzündungsprozesse in den Gefäßen fördern. Die höchste Feinstaubbelastung gibt es aber in einer Raucherwohnung, höher als auf der Straße“, sagt Vetter.

Vor allem aber entscheidet nicht nur die Partikelgröße, sondern auch die chemische Zusammensetzung darüber, ob Feinstaub die Gesundheit schädigt. Und genau dieser Punkt betrifft die Dieselabgase: All jene Partikel, die bei Verbrennungsvorgängen entstehen (etwa in Öfen, im Zigarettenrauch, aber vor allem in Dieselmotoren), haben auf ihrer Oberfläche diverse Substanzen angelagert, die zum Teil (wie etwa Benzpyren) kanzerogen und lungenschädigend wirken.

Experten wie der Hygieneexperte und Umweltmediziner Hans-Peter Hutter vom Institut für Umwelthygiene der Medizinischen Universität Wien sehen deshalb im Bereich Feinstaubbelastung großen Handlungsbedarf. Der Autofahrerclub ÖAMTC tritt zwar vehement für die finanzielle Förderung von Dieselpartikelfiltern ein, meint aber, Kraftfahrzeuge würden ohnehin nur wenig zum Feinstaubproblem beitragen.

„Es reicht nicht, mit populistischen Forderungen und blanker Anti-Auto-Ideologie – von der die Feinstaubdiskussion derzeit dominiert wird – Autofahrer als Sündenböcke an den Pranger zu stellen“, schreibt der ÖAMTC-Cheftechniker Max Lang auf der ÖAMTC-Homepage. Unter den zahlreichen Feinstaubemittenten zähle der Straßenverkehr mit rund 15 Prozent nicht zu den Hauptverursachern. Und nur etwa die Hälfte dieses Wertes entfalle auf den Pkw-Verkehr.

Partikelgröße. Allerdings sagt der von Lang zitierte Gewichtsanteil über das Gefährdungspotenzial wenig aus. Bei einem kürzlich in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften abgehaltenen Feinstaub-Fachgespräch erläuterte Umweltmediziner Hutter, dass ein Partikel mit einer Größe von 2,5 Mikrometern das gleiche Gewicht hat wie 15.000 Partikel mit einem Durchmesser von 0,1 Mikrometern. Die gesamte Partikeloberfläche beträgt im zweiten Fall aber mehr als das 20-Fache.

So bringt es beispielsweise ein Gramm Dieselruß auf eine Gesamtoberfläche von 100 bis 200 Quadratmetern. Die Dieselrußpartikel aus dem Verkehr umfassen deshalb nur wenige Prozent der Gesamtfeinstaubmasse, sind aber durch ihre enorme Partikelzahl, ihre Eindringtiefe in die Lunge und ihre große, mit kanzerogenen Stoffen behaftete Gesamtoberfläche medizinisch weitaus relevanter als andere Feinstaubfraktionen. Daher geht es vor allem darum, solche Partikel mithilfe neuer Technologien aus dem Abgas zu filtern.

Seit 1. Juli 2005 fördert der österreichische Staat den Kauf von Diesel-Neuwagen mit Partikelfilter. Im Vorjahr entfiel immerhin bereits die Hälfte aller Diesel-Pkw-Neuzulassungen auf Fahrzeuge mit Partikelfilter. Während die Steiermark, Oberösterreich und Salzburg befristet auch den nachträglichen Einbau von Partikelfiltern fördern, konnte sich die Umweltmusterstadt Wien zu einer solchen Maßnahme nicht durchringen. 78 Prozent aller Nachrüstungen entfallen auf die Steiermark.

Im Gegensatz zu Dieselruß oder CO2 wird die technisch mögliche Reduktion der Stickoxide kaum thematisiert. Vor allem NO2 reizt in höherer Konzentration die Atemwege. Es ist auch Vorläufersubstanz für die Entstehung von bodennahem Ozon. Inzwischen sind gleich zwei neue Technologien zur Entfernung der Stickoxide aus Dieselabgas einsatzbereit (siehe Kasten „Katalysatoren“). Aber erfahrungsgemäß setzen sich neue Technologien erst durch, wenn strengere Schadstofflimits dies erzwingen.

Schon für 2008 schreiben Japan und die USA strenge Stickoxid-Emissionsgrenzwerte vor, sodass dann nur noch Dieselfahrzeuge mit einer dieser beiden Reinigungstechniken zugelassen werden können. Die EU hat sich jedoch nach langen Diskussionen entschieden, diese strengen Grenzwerte erst ab 2014 einzuführen, da es Widerstände von großen, autoproduzierenden EU-Staaten gab. Das damalige EU-Vorsitzland Österreich setzte sich bei den Verhandlungen vergeblich für die höheren Standards ein.

„Schon jetzt produzieren manche europäischen Hersteller für den amerikanischen Markt schadstoffarme (wenn auch teurere) Varianten wie etwa BlueTec von Mercedes, während am europäischen Markt die herkömmlichen Modelle mit hohem Stickoxidausstoß verkauft werden“, kritisiert Abgasexperte Lichtblau. Für die anderen europäischen Hersteller könnten die laxen EU-Grenzwerte allerdings auch eine technologische Sackgasse bedeuten, weil sich längerfristig jene Fahrzeuge durchsetzen werden, die auch strengen Abgaslimits genügen.

Mittelfristig könnten sich mit Methan, Elektromotor oder Wasserstoff angetriebene Kraftfahrzeuge durchsetzen, die sowohl umweltfreundlich als auch ressourcenschonend unterwegs sind. Biogas oder mit Windenergie erzeugter Wasserstoff hätten überdies den Vorteil, den Treibhauseffekt nicht zu verstärken, wie Ernst Pucher, Professor am Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Kraftfahrzeugbau der TU Wien, betont (siehe Kasten „Neue Antriebstechnik“). Während andere CO2-Emittenten ihren Kohlendioxidausstoß zumindest konstant halten konnten, hat der rasch wachsende Straßenverkehr Österreichs CO2-Bilanz, wie sie im Kioto-Protokoll festgelegt ist, ruiniert.

„Saubere und sparsame Fahrzeuge alleine werden allerdings nicht reichen, um das Abgasproblem zu bewältigen“, glaubt Experte Hermann Knoflacher vom Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der TU Wien. „Nur gemeinsam mit Faktoren wie einer angepassten Fahrgeschwindigkeit und einer Reduzierung der Kraftfahrzeuganzahl durch attraktive Öffis, Radwege und Fußgeherbereiche wird es uns langfristig gelingen, die Luft in unseren Städten wirklich sauber zu halten.“

Von Gerhard Hertenberger