CIA-Affäre: Der amerikanische Freund

Affäre: Der amerikanische Freund

Die brisanten Wünsche der USA an Österreich

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Mohammed Abdul Rahman B., 38, ist ein strenggläubiger Moslem. Er ist Prediger mit einer Mission: seinen Glauben weiterzuverbreiten. Seine Frau tritt nur voll verschleiert in der Öffentlichkeit auf. Das Paar hat sechs Kinder und lebt in Niederösterreich. Beide stammen aus Ägypten. Doch ihre Heimat wollen sie nie wieder sehen.

Und nach heutigem Stand werden sie das wohl auch nicht. Zumindest nicht so bald.

Der Fall B. dokumentiert die rechtlichen und ethischen Probleme, die bei Auslieferungsverfahren zwischen einem westlichen Rechtsstaat und einem – von islamistischem Terror bedrohten – arabischen Land auftreten. Er zeigt die Schwierigkeiten von Behörden, die Menschen- und Bürgerrechte schützen sollen, aber gleichzeitig Staatsinteressen wahren müssen. Und er demonstriert, wie auch Österreich von den Ausläufern des Kampfs der Amerikaner gegen den internationalen Terrorismus erfasst wird: Nach den Irritationen um einen angeblichen CIA-Flug über Österreich droht den österreichisch-amerikanischen Beziehungen hinter den Kulissen eine weitere Belastungsprobe. Denn laut profil vorliegenden Informationen soll die US-Botschaft in Wien großes Interesse an der Person B.s gezeigt haben.

Der grüne Abgeordnete Peter Pilz brachte die Causa vergangene Woche bei seinen Gesprächen mit der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in Washington und New York zur Sprache. Pilz: „Die USA müssen die Souveränität österreichischer Gerichte und Behörden akzeptieren. Es ist unerhört, wenn sie sich in laufende Verfahren in Österreich einmischen.“

„Terrorismusverdächtige“. Schon vor seiner Reise in die USA hatte der grüne Sicherheitssprecher in einem Gastbeitrag für den „Standard“ kryptisch angedeutet, die USA würden in Zusammenhang mit hier lebenden angeblichen Extremisten Druck auf österreichische Behörden ausüben. Pilz im Originalzitat: „Der US-Botschafter hat sich persönlich um Terrorismusverdächtige in Österreich gekümmert. Im Gegensatz zu Schweden ist Österreich allerdings hart geblieben.“

Der Ägypter B. kam 1995 nach Österreich und beantragte politisches Asyl. Drei Jahre später stellten die ägyptischen Behörden einen Auslieferungsantrag. B. war in seinem Heimatland wegen angeblicher terroristischer Aktivitäten für den islamischen Dschihad zu einer 15-jährigen Gefängnisstrafe im Arbeitslager verurteilt worden.

Nach einem langen Verfahren, in dessen Verlauf die Ägypter die Vorwürfe mehrfach abänderten, stimmte das Oberlandesgericht Wien im November 2001 dem Auslieferungsantrag schließlich zu. B. kam in Haft. Doch sein Wiener Anwalt legte Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg ein, der eine so genannte „vorläufige Maßnahme“ erließ. Die Auslieferung wurde buchstäblich im letzten Moment verhindert. B. ging frei.

In der Folge forderten die österreichischen Behörden von den Ägyptern diplomatische Zusicherungen, dass die Menschenrechte im Falle einer Auslieferung B.s nicht verletzt würden. Laut seinen Anwälten war der Ägypter in seiner Heimat vor der Flucht nach Österreich gefoltert worden. Die ägyptischen Stellen verweigerten zunächst eine derartige Erklärung. Doch vor genau einem Jahr änderten sie plötzlich ihre Meinung und akzeptierten die Bedingungen der Österreicher. So wurde etwa zugesichert, dass B. von österreichischen Beamten in der Haft besucht werden dürfe.

Last Exit Justizministerium. Das Auslieferungsverfahren wurde daraufhin neu aufgerollt. Die Prozedur wiederholte sich. Im Oktober erklärte das Oberlandesgericht Wien die Auslieferung für zulässig. B.s Anwältin setzte in Straßburg erneut einen vorläufigen Stopp durch.

Nach Auskunft des verantwortlichen Justizministeriums wird der Ägypter wohl nicht so schnell ausgeliefert werden. Zunächst muss das eigentliche Verfahren am EGMR in Straßburg abgewartet werden. Parallel dazu läuft nach wie vor B.s Asylverfahren. Überdies reichten die diplomatischen Zusicherungen der ägyptischen Behörden noch nicht aus, heißt es aus dem Ministerium. Das letzte Wort im Verfahren hat Justizministerin Karin Gastinger, BZÖ. Erst mit ihrer Unterschrift könnte die Auslieferung vollzogen werden.

Die Anwälte von B. hatten sich in den vergangenen Jahren heftige juristische Scharmützel mit den österreichischen Gerichten und Behörden geliefert. Ihre Argumentation: Die Ägypter verfolgten ihren Mandanten politisch, die ihm vorgeworfenen Delikte habe er nie begangen.

Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen erkannte B. offiziell als Flüchtling an. Auch die Österreich-Sektion von amnesty international kümmert sich um den Fall und appellierte an Gastinger, die Auslieferung zu verhindern, da B. in Ägypten „schwere Menschenrechtsverletzungen wie Folter drohten“. Die Zusicherungen der ägyptischen Behörden, B. nicht zu foltern, seien nicht zu kontrollieren.

Nicht jeder am Fall Interessierte teilt die Meinung, wonach es sich beim Prediger B. um einen harmlosen, zu Unrecht verfolgten politischen Flüchtling handle. Laut profil-Informationen soll der vor Kurzem aus dem Amt geschiedene US-Botschafter in Wien, William Lee Lyons Brown, heftig in der delikaten Causa interveniert haben. Im Jänner sprach Brown bei der neu bestellten Innenministerin Liese Prokop, ÖVP, vor. Österreich, so die Empfehlung des US-Botschafters, möge den Dingen ihren Lauf lassen und seine Haltung, B. nicht auszuliefern, überdenken, da dieser mutmaßlich Kontakte zu terroristischen Gruppierungen unterhalte. Verbindungen zu islamistisch-religiösen Organisationen hatte B. in seinem Asylverfahren selbst angegeben, Kontakte zu militanten Gruppen allerdings stets bestritten.

Liese Prokop ließ den Botschafter abblitzen. Überdies soll sie Brown davon in Kenntnis gesetzt haben, dass für Auslieferungen aus Österreich das Justizministerium zuständig sei. Daraufhin soll sich Botschafter Brown an Karin Gastinger gewandt haben. Das Büro der Justizministerin will die Causa nicht kommentieren. Nur so viel: Man habe keinen Druck von amerikanischer Seite verspürt. Auch Liese Prokop gibt keine Stellungnahme ab. Die US-Botschaft wollte sich gegenüber profil ebenfalls nicht äußern.

Keine Auslieferung bei Gefahr. Nach österreichischem und internationalem Recht wie etwa der Europäischen Menschenrechtskonvention ist die Lage jedenfalls klar: Ob schuldig oder unschuldig – niemand darf an ein anderes Land ausgeliefert werden, wenn ihm dort Todesstrafe oder Folter drohen.

Einen anderen Ägypter, Mohammed Abdul K., 46, bewahrte ein von einem ägyptischen Militärgericht 1999 verhängtes Todesurteil vor der Auslieferung aus Österreich. K. ist hierzulande seit 1995 in Behördenakten vermerkt. Sein Asylantrag wurde mehrfach abgewiesen. In Österreich ist der Mann unbescholten, in Ägypten wurde ihm vorgeworfen, an einem Sprengstoffanschlag beteiligt gewesen zu sein. Im Jahr 2000 beantragte Ägypten seine Auslieferung, die Österreich allerdings ablehnte. Die ägyptischen Behörden hatten sich geweigert zu garantieren, dass das Todesurteil nicht vollstreckt wird.

Für mediale Aufregung sorgte der Fall im Jahr 2001 in Niederösterreich, weil K. – zu Recht – vom Land Sozialhilfe wegen einer Behinderung bezog. Im Jahr 1999 war K.s Wohnung von der Polizei durchsucht worden. In ihrem Gefolge befanden sich auch britische Ermittler, die sich für den Ägypter interessierten.

Verdächtigungen, er hätte Kontakte zu terroristischen Gruppen unterhalten, wies K. gegenüber der Illustrierten „News“ vor einem Jahr heftig zurück. Dennoch ist wohl davon auszugehen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) den Mann nach wie vor im Auge behält.

Gefahrenanalyse. Im aktuellen Jahresbericht des BVT werden die Aktivitäten ägyptischer Gruppierungen in Österreich detailliert behandelt. Von allen arabischen Gemeinden in Österreich ist die ägyptische die größte. Dem Verfassungsschutzbericht zufolge ist die in Ägypten oppositionelle Moslembruderschaft in Österreich stark vertreten. Diese sei insgesamt „gewaltfrei ausgerichtet“. Die Al-Gama’a al-islamiya (Islamische Gemeinschaft) – eine Abspaltung der Moslembruderschaft, die auf der EU-Liste terroristischer Gruppen erfasst ist –, verfügt laut BVT ebenfalls über „eine beträchtliche Anhängerschaft in Österreich“. Hinweise auf aktuelle terroristische Aktivitäten dieser Gruppe würden nicht vorliegen. Allerdings bestehe in Ägypten und Europa die Gefahr, dass sich aus der Gama’a neue extremistische Gruppen entwickeln könnten. Diese Bedrohung gelte „in hohem Ausmaß auch in Österreich“. Von der radikalen ägyptischen Dschihad-Organisation sind in Österreich dagegen laut Verfassungsschutzbericht „nur Einzelaktivisten“ bekannt.

Peter Pilz will die Interventionen der Amerikaner, die angeblichen Lager in Osteuropa und am Balkan sowie die mutmaßlichen CIA-Überflüge mit seinem Parteikollegen Johannes Voggenhuber nun auch im EU-Parlament zum Thema machen.

Dem Verteidigungsminister Günther Platter warf der grüne Abgeordnete vergangene Woche vor, der Öffentlichkeit Unterlagen zu CIA-Flügen über österreichisches Territorium vorzuenthalten.

Zumindest zehn Überflüge verdächtiger Maschinen seien von der Luftraumüberwachung des Bundesheeres „penibel dokumentiert“ worden, so Pilz. Das Verteidigungsministerium schoss scharf zurück. Es gebe „keine wie auch immer gearteten Unterlagen zu CIA-Überflügen“. Und auch im mittlerweile berühmten Fall jener weiß lackierten Hercules-Transportmaschine, die am 21. Jänner 2003 über Österreich flog und von Draken des Bundesheeres kontrolliert wurde, gebe es „keinerlei Hinweise darauf, dass der Flug ein Überflug der CIA war“.

Rechtswidriger Flug. Kanzler Wolfgang Schüssel sagte am Dienstag nach dem Ministerrat, die Maschine habe im Auftrag der US-Regierung „logistisches Material“ nach Afghanistan geliefert. Wenige Stunden vor seinem Treffen mit George W. Bush am Donnerstag (siehe Kasten) wiederholte er seine Version des Vorfalls: „Dieser eine Flug, der dokumentiert ist, war ein Versorgungsflug. Das war ein Regierungsflug, nicht ein CIA-Flug.“

Rechtswidrig war er in jedem Fall: Kurz nach dem Vorfall im Jänner 2003 gestand der damalige Luftattaché der US-Botschaft in Wien, Oberst Jim Keffer, in einem Schreiben an das Verteidigungsministerium ein, dass die Hercules im Auftrag der Regierung der USA unterwegs war. Nach internationalem und nationalem Recht wäre für ein derartiges „Staatsluftfahrzeug“ eine spezielle Genehmigung erforderlich gewesen, die die Amerikaner allerdings nicht eingeholt hatten. Air-Force-Colonel Keffer drückte sein Bedauern aus.

Der Überflug der Hercules – ein vernachlässigbares Versehen der Amerikaner?

Aus hohen Militärkreisen wird auch eine andere Erklärung geliefert. Die Amerikaner, so die Mutmaßungen, hätten wenige Wochen vor Beginn des Irak-Feldzugs abtesten wollen, wie scharf die Österreicher ihren Luftraum überwachen und ob sie Überflüge tolerieren würden. Der damalige Verteidigungsminister Herbert Scheibner hatte die Luftstreitkräfte allerdings im Vorfeld des Irak-Kriegs angewiesen, aus neutralitätsrechtlichen Gründen besonders genau aufzupassen.

Nach einem informellen Protest der Österreicher wurden keine weiteren Flüge der Hercules mit der Kennung N8183J registriert. Ein möglicher Grund: Den Amerikanern soll diskret signalisiert worden sein, dass österreichische Abfangjäger die Maschine im Wiederholungsfall unter Umständen zur Landung zwingen müssten.

Von Gernot Bauer
Mitarbeit: Otmar Lahodynsky