Wiens mächtigster Polizist unter Beschuss

Affäre: Der napoleonische Krieger

Horngacher bestreitet persönliche Verfehlungen

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An einer Wand seines Büros im Polizeihauptquartier am Wiener Schottenring hängt der Wilde Westen: Blaujacken beim Appell, wehende Fahnen, majestätisch im Sattel sitzende Kommandanten. Im Zusammenhang mit Horngachers Person sind oft Bezeichnungen zu vernehmen wie „Napoleon“, „Prätorianer-Garde“ oder „Marschall-Stab“. Selbst sein ihm sonst durchaus wohlgesonnener Vorgesetzter, der Wiener Polizeipräsident Peter Stiedl, nennt ihn gegenüber profil „cholerisch“ und „autoritär“ und manches an seinem Führungsstil „menschlich nicht in Ordnung“.

Roland Horngacher, 46, war Chef der Wirtschaftspolizei, dann Leiter des Kriminalamtes; seit sechs Monaten ist er Landespolizeikommandant für Wien.

Schon oft wurden aus den Reihen seiner eigenen Mitarbeiter Anzeigen gegen ihn eingebracht: bei seinen Vorgesetzten in der Polizei, im Innenministerium, bei der Staatsanwaltschaft. In einer anonymen Anzeige vom 19. April 2004, auch gegen einige von Horngachers engsten Untergebenen gerichtet, war etwa die Rede von Verdacht auf „Amtsmissbrauch, widerrechtliche Festnahmen, missbräuchliche Verwendung von Geldern, Körperverletzung, Weitergabe von Amtsgeheimnissen“. Das Verfahren wurde eingestellt.

Horngacher hatte, bislang jedenfalls, auch einen mächtigen Fan: die „Kronen Zeitung“. Regelmäßig erschienen große Geschichten über die „beeindrucken-den Bilanzen des Polizeigenerals Horngacher“ und über dessen Massenverhaftungen schwarzafrikanischer Straßendealer oder rumänischer Diebstahls-Verdächtigter.

Roland Horngacher selbst wies in einem drei Stunden dauernden Gespräch mit profil sämtliche Vorwürfe gegen seine Person zurück. Seine Aufgabe sei es, die sehr schwierige Polizeireform (Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie) durchzuführen, was da und dort in der Belegschaft auf Ablehnung stoße. Die Vorwürfe, die seit Jahren gegen ihn erhoben würden, stammten alle von einer Hand voll Kriminalbeamter, die bisher schon zu wenig effizient oder überhaupt zu wenig gearbeitet hätten und nun erbost seien, weil er, Horngacher, auch diese Herren vom geliebten Schreibtisch weg auf die Straße zur Arbeit schicke.

Auch was seine menschlichen Füh-rungsqualitäten betrifft, fühlt Horngacher sich „erfolgreich“. Die „Krone“ berichte wohl auch deshalb in so hohen Tönen über ihn, „weil meine Art der Polizeiarbeit vielleicht mit der Linie der ,Kronen Zeitung‘ einhergeht.“

Viele Gegner. Zahlreiche Recherche-Gespräche haben ergeben, dass sich die Gegnerschaft Horngachers innerhalb der Polizei aber nicht auf eine Hand voll Unzufriedener beschränkt, sondern in verschiedenen Abteilungen und bis in höchste Führungskreise zu registrieren ist. Doch offiziell wagt es kaum jemand, Stellung zu nehmen. Seit Ernst Strassers Zeit als Innenminister genieße Horngacher volle Deckung von oben, solange es „Erfolge“ vorzuweisen gebe, heißt es. Und „Erfolg“ in der Kriminalitätsbekämpfung bedeute im Verständnis mancher Herren oft nicht rechtskräftige Verurteilungen, sondern einfach Festnahmen – selbst wenn es Personen treffe, die in der Folge nicht einmal angeklagt werden können. Horngacher: „Für Verurteilungen sind wir nicht zuständig. Dafür gibt es die Gerichte. Wir sind nur die Exekutive.“

Horngachers „Krone“-Connection wird sowohl in einer Anzeige an die Staatsanwaltschaft (April 2004) als auch von mehreren hochrangigen Polizisten aber auch anders dargestellt: Im Jahr 2003 hatten Beamte eines Wiener Kommissariates in einem Streit zwischen einem Mann und einer Frau ermittelt. Bei der Einvernahme gab sie Behauptungen zu Protokoll, die das Privatleben des Hälfteeigentümers der „Kronen Zeitung“, Hans Dichand, betrafen. Aussagen also, die nichts mit dem Gegenstand der Ermittlung zu tun hatten. Horngachers Kritiker behaupten, der Polizeigeneral habe den „Verschlussakt Dichand“ eigenhändig „gesichert“, sprich: aus dem Verkehr gezogen. Just in dieser Zeit habe die „Krone“ mit ihren Horngacher-Jubelgeschichten begonnen. Einer von Horngachers Mitarbeitern habe sogar damit geprahlt, Dichand gerettet zu haben.

Roland Horngacher ist entrüstet: „Ich habe den Dichand-Akt persönlich an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.“ Er habe außerdem nie Kontakt mit Herrn Dichand aufgenommen. Tatsächlich wurde der Akt der Staatsanwaltschaft übermittelt (Zahl 11St119/03a).

Andere Polizisten finden diese Erklärung dennoch nicht nachvollziehbar. Ermittelt habe ein Kommissariat, und normalerweise gehe ein Akt vom Kommissariat direkt an die Staatsanwaltschaft. Horngacher sei als General keine ermittelnde Stelle. Wie also komme er zu diesem Akt?

Auf profil-Anfrage bei Hans Dichand am Mittwoch vergangener Woche ließ dieser ausrichten, er „möchte in dieser Angelegenheit keine Stellung beziehen“. Etwa zur selben Zeit fand eine der regelmäßigen Pressekonferenzen mit Horngacher und Innenministerin Ilse Prokop statt, bei der die gesunkene Kriminalitätsrate gefeiert wurde. Tags darauf fand sich in der „Krone“ kein Wort über den Erfolgspolizisten Horngacher.

Wenn Horngachers Einsatzgruppe für Straßenkriminalität, die sich selbst „Prätorianer-Garde“ (in der Antike die Bezeichnung für Leibgarden, die für ihren König zu sterben bereit waren) getauft hat, wieder einmal „Neger umhacken“ geht, was zu einem allgemein geläufigen Wort innerhalb der Polizei geworden ist, dann soll es dem Vernehmen nach zu überdurchschnittlich vielen Waffengebräuchen und „Einsätzen von Körperkraft“ kommen. Zwei Beamte, die für die Dokumentation von Waffengebräuchen und Körperkrafteinsätzen zuständig waren, wiesen darauf hin und regten Schulungen an – und wurden prompt versetzt, hinaus auf die Straße „zur Erlangung praktischer Erfahrungen insbesondere hinsichtlich Waffengebrauch“. Horngacher steht dazu: „Die haben keine Ahnung und sollen lernen.“ Einer der betroffenen Versetzten: „Und das drei Wochen nach dem Urteil gegen Cheibani Wague.“

Horngacher werden „widerrechtliche Festnahmen“ bei Schwerpunktaktionen auf der Ostautobahn vorgeworfen, mit denen er positive Kriminalstatistiken produziere: Mit seiner Arge Ost, der für die Bekämpfung des osteuropäischen Kriminalitätstourismus zuständigen Gruppe, hat Horngacher zahlreiche Großaktionen auf der Ostautobahn durchgeführt. Er ließ einen Aktenvermerk an seine Polizisten ergehen (siehe Faksimile), in dem er anordnete, rumänische Staatsbürger, die mehr als 5000 Euro bei sich haben und nicht plausibel erklären können, woher das Geld kommt, wegen dringenden Verdachtes der Hehlerei festzunehmen. General Horngacher behauptete in diesem Aktenvermerk, diese rechtlich zweifelhafte Vorgangsweise mit dem – seit Jahreswechsel pensionierten – Chef der Wiener Staatsanwaltschaft, Friedrich Matousek, abgesprochen zu haben.

5000 Euro kein Haftgrund. Matousek dementiert dies entschieden: „Ich habe gesagt, wenn Rumänen überprüft werden, die 5000 oder mehr Euro bei sich haben und das nicht vernünftig erklären können, dass man das dann auf kurzem Weg überprüft: das Auto also für eine halbe Stunde aus der Kolonne herausholt und über Telefonfunk herauszufinden versucht, ob es einen Hinweis dafür gibt, dass dieses Geld aus einer strafbaren Handlung stammen könnte. Wenn man keinen Hinweis darauf hat, dann muss man die Leute sowieso wieder fahren lassen. Aber davon, dass man die Leute in Haft nimmt, war nie die Rede.“

Horngacher, der selbst Jurist ist, erklärt im profil-Gespräch, die Ausführungen von Staatsanwalt Matousek wohl missverstanden zu haben.

Die Horngacher-Gegner haben einen Teil der solcherart erfolgten Festnahmen rekonstruiert und sind auf 40 Fälle innerhalb von sechs Monaten gestoßen. 38 Personen mussten am nächsten Tag entlassen werden. Verurteilung gab es keine einzige. Sogar Geschäftsleute waren festgenommen worden, die in Deutschland ein Kraftfahrzeug erwerben wollten und deshalb Geld bei sich hatten.

Festnahmen um jeden Preis seien erwartet worden. Horngacher habe sogar „Erfolgsprämien“ auf möglichst viele Verhaftungen ausgesetzt und dafür Gelder „missbräuchlich“ verwendet, indem er sie als „Zundgelder“ deklariert habe. Der General weist auch diesen Vorwurf entschieden zurück und verweist auf diesbezügliche Ermittlungen, die vom Büro für interne Angelegenheiten (BIA) des Innenministeriums durchgeführt und von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurden. Tatsächlich benachrichtigte Staatsanwalt Michael Klackl am 7. Dezember des Vorjahres Horngacher von der Zurücklegung der entsprechenden Anzeige des BIA, die allerdings erst am 21. November eingegangen war. Klackl hatte Horngacher um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen ersucht und dann die Erhebungen eingestellt. Klackl räumt gegenüber profil ein, keinerlei weitere Ermittlungen angeordnet zu haben. Horngachers Erklärung habe „ein juristisches Bild ergeben, das dann zur Einstellung geführt hat“. Horngachers Erklärung liegt profil vor und wurde verschiedenen sachverständigen Personen vorgelegt, die allesamt dieser Darstellung keinen aufklärenden Wert zubilligen.

Betroffene Personen wurden dem Vernehmen nach auch von niemandem befragt. Das BIA will dazu nicht Stellung nehmen. Man habe umfangreiche Hinweise und detaillierte Ermittlungsunterlagen geliefert. Der Sprecher des Innenministeriums, Rudolf Gollia: „Wir haben ihnen viele Hinweise geliefert. Wenn nun die Staatsanwaltschaft aber nicht ermittelt, kann das BIA nichts dafür.“

Rückendeckung. Polizeipräsident Peter Stiedl kennt fast alle Vorwürfe, seit sie kursieren. Auch er verweist auf „umfangreiches BIA-Material“, aus dem hervorgehe, dass „nichts an der Kopfgeldsache dran“ sei. Ins Detail gehen könne und wolle er aber nicht. Stiedl verteidigt Horngacher auch in allen anderen gegen seinen General erhobenen Vorwürfen.

Wenn die Horngacher-Gegner ihren ungeliebten Chef charakterisieren, erzählen sie gern die Geschichte vom „Zugüberfall“ nach Wildwest-Manier. Horngachers Truppe habe einen Richtung Ungarn fahrenden Zug räumen und die Passagiere in einer Reihe Aufstellung nehmen lassen. Dann sei „Napoleon“ die Reihe bedächtig abgeschritten und habe gesenkte Häupter mittels seines „Marschall-Stabes“ sachte angehoben.

Roland Horngacher verweist auch den Marschallstab ins Reich der Fantasie: „Ich habe ein einziges Mal einen Stab mitgehabt – und da nur, weil ich bei Durchsuchungen nicht mit den Händen in schmutzigen Kleidern kramen wollte.“ Die Überprüfung der Zuginsassen sei aber völlig normal.

Von Emil Bobi