Kroatische Affäre: General im Kriminal

Affäre: General im Kriminal

Wien: Vladimir Zagorec kommt gegen Kaution frei

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Es war eine höchst unauffällige Gruppe, die am Dienstag vergangener Woche gegen 17 Uhr vom Kohlmarkt in die Wallnerstraße einbog. So ganz passten die fünf Männer nicht in das Ambiente rund um Wiens teuerste Einkaufsstraße. Ein bisschen zu leger gekleidet, ein bisschen zu locker der Gang, ein bisschen zu aufmerksam der Blick. Auffällig unauffällig eben. „Ich dachte, sie würden gleich anfangen, um Zigaretten zu schnorren“, sagt ein Augenzeuge über die meisterhafte Tarnung.

Die Herren waren Beamte des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Ihr Ziel: das Haus in der Wallnerstraße 2. Ihr Auftrag: die Verhaftung von Vladimir Zagorec, ehemaliger Vizeverteidigungsminister Kroatiens (profil 11/07). Gegen den hochdekorierten General a. D. besteht laut Haftbefehl der konkrete Verdacht, er habe „als Angestellter des Verteidigungsministeriums der Republik Kroatien im Jahre 2000 Schmuck im Wert von 5.000.000 (US-Dollar, Anm.), der ihm zuvor anvertraut wurde, unterschlagen“.

Nicht einmal eine Stunde nachdem sie gekommen waren, verließen die fünf Herren das Haus in der Wallnerstraße 2 in Begleitung von Zagorec und seinem Anwalt. Der Kroate hatte keinerlei Schwierigkeiten gemacht, er hatte die Beamten bereits erwartet. „Es gab eine Terminanfrage der Polizei, der Herr Zagorec natürlich zugestimmt hat“, sagt Rechtsanwalt Gerald Ganzger von der Kanzlei Lansky, Ganzger und Partner, die kurzfristig die Vertretung des prominenten Kroaten übernommen hat (siehe Interview auf Seite 40). Die Verhaftung selbst soll schließlich in beinahe amikaler Atmosphäre über die Bühne gegangen sein.

Allzu viel Zeit musste der 43-jährige Zagorec nicht in polizeilichem Gewahrsam verbringen. Bereits am Freitag kam er gegen eine Kaution von einer Million Euro und unter der Auflage, das Land nicht zu verlassen, auf freien Fuß. Keine allzu große Summe für einen Mann, dessen Vermögen auf dutzende Millionen Euro geschätzt wird. Der ermittelnde kroatische Staatsanwalt Lazo Pajic bezifferte vergangene Woche alleine die Summe der Kredite, die Zagorec für seine zahlreichen Bau- und Immobilienprojekte in Kroatien in den letzten Jahren bewilligt wurden, mit 260 Millionen Euro. Ziemlich viel Geld für einen ehemaligen Staatsdiener, der offiziell kaum über werthaltige Sicherheiten verfügt. Und für den nun angeblich Freunde der Familie die Kaution aufbrachten.

Doppelpass. Dass Zagorec aufgefordert wurde, seinen Reisepass bei Gericht zu hinterlegen, entbehrt auch nicht einer gewissen Komik. Schließlich ist erst kürzlich ein alter Pass von Zagorec in den kroatischen Medien aufgetaucht. Das bis ins Jahr 2003 gültige Reisedokument ist auf den Namen Franjo Rudelic ausgestellt. Und: Es handelt sich dabei um keine Fälschung, sondern um ein Original aus dem kroatischen Innenministerium. Also ein Souvenir aus seiner Zeit im Verteidigungsministerium, als er während des UN-Embargos Anfang der neunziger Jahre zum Zwecke der Bewaffnung der kroatischen Armee auf äußerst heikle Auslandsmissionen geschickt wurde. Es ist nicht auszuschließen, dass Zagorec neben dem 1993 ausgestellten Rudelic-Pass noch über andere Papiere verfügt. Laut Anwalt Ganzger denke sein Mandant jedoch nicht daran, das Land zu verlassen. „Er ist hier integriert, hat eine aufrechte Aufenthalts- und Beschäftigungsbewilligung“, so Ganzger. Gemeldet ist Vladimir Zagorec im 2335 Einwohner zählenden steirischen Örtchen Sankt Marein im Mürztal. Die Villa am Gärtnerweg Nummer 57, die Zagorec bewohnt und zumindest früher einmal besessen haben soll, gehört offiziell einem Ziviltechniker aus Kapfenberg. In dessen Unternehmen mit Schwerpunkt Wasseraufbereitungsanlagen war der ehemalige General bis vor etwa einem Jahr in „leitender Funktion“ beschäftigt. Der frühere Arbeitgeber von Zagorec wollte sich gegenüber profil nicht über Zagorec äußern. Seit Herbst des vergangenen Jahres hat Diplomingenieur Zagorec, der sich vor seiner militärischen Karriere als Landvermesser verdingt hatte, ohnehin einen neuen Job. Sein gegenwärtiger Arbeitgeber, ein Wiener Unternehmen für Anlagenbau, war für profil zu keiner Stellungnahme bereit.

Zudem hinterließ der umtriebige Exsoldat auch in der österreichischen Immobilienbranche seine Spuren. Über eine ihm zuzuordnende Gesellschaft mit dem Namen Börseplatz 1 Erwerbs- und Entwicklungsgesellschaft kaufte Zagorec im Jahr 2003 von der Österreichischen Post AG die ehemalige Wiener Telegrafenzentralstation. Aus dem denkmalgeschützten Gebäude sollte ein Luxushotel werden. Zu diesem Zweck tat sich Zagorec mit dem Immobilienentwickler Georg Schwarcz zusammen. Kennen gelernt hatten sich die beiden, als Zagorec nach einer Wohnung in Wien suchte. Damit konnte Schwarcz nicht dienen – Zagorec wohnt mittlerweile in einem Haus der Familie Wlaschek in der Jasomirgottstraße –, aber man unterhielt sich über mögliche gemeinsame Projekte in Österreich und Kroatien. „Es hat sich aber nie etwas ergeben“, so Schwarcz. Seit der Verhaftung bemühe er sich, möglichst rasch alle formalen Geschäftsbeziehungen zu Zagorec offiziell zu beenden.

In Österreich scheint Zagorec das unternehmerische Glück abhold zu sein. Bei Karl Philipp Wlaschek stieß er mit einer Projektidee dem Vernehmen nach auf taube Ohren. Der Salzburger Industrielle Hubert Palfinger zog sich noch vor der Realisierung aus einem Immobilienprojekt zurück, für das im Jahr 2003 eigens eine gemeinsame Gesellschaft mit Zagorec gegründet worden war. Die Errichtung des Büro- und Wohnkomplexes in der kroatischen Hafenstadt Pula verzögerte sich, nachdem auf dem Baugrund Reste einer alten römischen Siedlung gefunden worden waren. Schließlich waren Palfinger Gerüchte zu Ohren gekommen, wonach Zagorec den damals flüchtigen mutmaßlichen Kriegsverbrecher Ante Gotovina versteckt hielte. Die Vorwürfe erwiesen sich zwar als haltlos, Palfinger war die Sache aber trotzdem zu riskant geworden.

Millionenjongleur. Ebenso wie Ante Gotovina, dessen Prozess wegen der Vertreibung und Ermordung serbischer Zivilisten bei der Eroberung der Krajina im kommenden Mai vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag beginnen soll, genießt auch Vladimir Zagorec in weiten Teilen der kroatischen Bevölkerung höchste Anerkennung. Im Gegensatz zu Gotovina war der passionierte Zigarrenraucher Zagorec jedoch niemals in Kampfhandlungen oder gar Menschenrechtsverletzungen verwickelt. Er operierte von seinem Schreibtisch im Verteidigungsministerium aus, zog im Hintergrund die Fäden. Und: Er bewegte enorme Summen. Mit Geld, das zu einem Großteil von der kroatischen Diaspora gespendet wurde, kaufte er im jugoslawischen Bürgerkrieg Waffen für die kaum bewaffnete junge Armee Kroatiens. Eine ehemalige Mitarbeiterin des kroatischen Finanzministeriums bezifferte die Summe, die in den neunziger Jahren für Waffengeschäfte auf Auslandskonten deponiert wurden, mit „weit mehr als 500 Millionen Dollar“. Alleine in Österreich soll es 77 verschiedene Schwarzkonten gegeben haben. Zeichnungsberechtigt waren in den meisten Fällen nur eine Hand voll hochrangiger Politiker, darunter Vladimir Zagorec. Bei einem Konto in Villach, auf dem im Jahr 1998 noch mehrere Millionen Euro lagen, ist mittlerweile bekannt, wo die letzten Überweisungen landeten. Aus der Kriegskasse erhielt ein Karmeliterorden Zuwendungen von einer Million Euro. Damit war es aber genug der Mildtätigkeit. Die restlichen 1,5 Millionen Euro gingen ganz unbürokratisch an eine Stiftung aus dem Einflussbereich der Tudjman-Partei HDZ.

Seine Rolle als Organisator der Waffengeschäfte wird Zagorec in Kroatien als Dienst am Vaterland hoch angerechnet. Tatsächlich wurde kein anderer Armeeangehöriger mit mehr Orden ausgezeichnet, nicht einmal Franjo Tudjman konnte mit den 13 Auszeichnungen des Vladimir Zagorec mithalten. Seit Längerem besteht jedoch auch der Verdacht, Zagorec könnte sich für seine Dienste selbst großzügig entlohnt haben. Bereits im Jahr 2001, die Partei des 1999 verstorbenen Zagorec-Gönners Franjo Tudjman war mittlerweile abgewählt, wurde im Verteidigungsministerium eine interne Untersuchung gegen Zagorec eingeleitet. Für die Veruntreuung von Staatsgeldern gab es offenbar jedoch keine Beweise. Kaum verwunderlich, für die Geschäfte mit Waffenschmugglern gibt es weder Belege noch Rechnungen.

Diesem sinistren Waffenschiebermilieu entstammt auch Hrvoje Petrac. Jener Mann, der einst engster Mitarbeiter von Zagorec war und der seinen ehemaligen Chef nun beschuldigt, Juwelen aus Staatseigentum gestohlen zu haben. Die Edelsteine sollen als Sicherheit bei einem Waffendeal hinterlegt worden sein und sind seit dem Ausscheiden von Zagorec beim Militär unauffindbar. Einfach zu beweisen werden die Vorwürfe nicht sein. Schließlich ist der Kronzeuge Petrac nicht eben gut beleumundet, er gilt in Kroatien als eine Art Mafiaboss. Zu den krummen Geschäften des Hrvoje Petrac zählt unter anderem das Kidnapping von Zagorec’ Sohn Tomislav, der im Jahr 2004 erst gegen eine Lösegeldzahlung freikam. Innerhalb von 40 Tagen muss die kroatische Justiz nun die Begründung für den internationalen Haftbefehl nachreichen. Die Aussagen von Petrac alleine könnten möglicherweise nicht ausreichend sein. Sollten die österreichischen Behörden den Aussagen von Petrac keinen Glauben schenken, könnte eine Auslieferung ganz einfach abgelehnt werden.

Von Josef Redl