Affäre Herberstein: Komödie der Eitelkeit

Affäre: Komödie der Eitelkeit

Nun ermittelt die Justiz wegen Urkundenfälschung

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Heute betont Andrea Herberstein gern nachdrücklich, keine echte, sondern nur eine angeheiratete Gräfin zu sein. Früher hingegen hielt sie es mit ihrem Titel noch nicht so genau. Im Vorfeld mehrerer Empfänge bei dem 2004 verstorbenen Bundespräsidenten Thomas Klestil hatte ihr Büro urgiert, die Einladung müsse auf „Gräfin Herberstein“ lauten. Im Jahr 2001 gab Herberstein in einem Interview mit der „WirtschaftsWoche“ mit gleichsam blaublütigem Selbstbewusstsein zu Protokoll: „Ich bin wirklich stolz darauf, ein derartig großes Projekt mit so geringen Mitteln verwirklicht zu haben.“

So groß das Projekt Herberstein damals schon war, so gering waren die Mittel allerdings nicht. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Land Steiermark den Tierpark, der sich im Laufe der Jahre zu einem Publikumsmagneten entwickelt hatte, sowie das Renaissanceschloss, das regelmäßig für Ausstellungen und gehobene Empfänge geöffnet wurde, bereits mit mehreren Millionen Euro gefördert. Die stille Teilhaberschaft des Landes Steiermark an der eben erst gegründeten Herberstein Tierpark OEG mit einer Einlage von 2,9 Millionen Euro war gerade in Vorbereitung. Mit weiteren Förderungen wurde seitens der Herbersteins fix gerechnet.

Damals schlug der Schlossherrin noch alles zum Glück aus. Hätte sie nicht mit einem immer herrischer auftretenden Anspruch auf ihre vermeintlichen Subventionsrechte gepocht und den zuständigen Politikern, wie man so sagt, die Türen eingerannt, wäre der Förderungsdschungel im Reich der Herbersteins wohl nie ans Licht gekommen. Erst als der Leiter des Tierparks, Andreas Kaufmann, einmal ungeniert ankündigte, wenn das Geld ausbleibe, würde man nicht umhinkommen, unschuldige Schafe an Raubtiere zu verfüttern; oder als Herberstein über ihren Anwalt ausrichten ließ, zur Zukunft des Tierparks habe sie bisher von der Politik nur „Belanglosigkeiten oder dilettantische Aussagen gehört“, begannen selbst gestandene ÖVP-Politiker, aus Zorn über solche Anmaßungen, die Faust in der Hosentasche zu ballen.

Freilich spielte auch der aufkeimende Wahlkampf eine gewisse Rolle. Im vergangenen Herbst kündigte die SPÖ das traditionell gute Klima zwischen steirischer Politik und Provinzadel auf und bestand auf einer Prüfung durch den Landesrechnungshof, die am Ende mit den Stimmen aller Parteien beschlossen wurde.

Klagsdrohungen. Der Rohbericht des Rechnungshofs fiel vernichtend aus: Wie sich herausstellte, hatten die Gesellschafter der Herberstein OEG – Maximillian, Catherine und Felicitas Herberstein – allein im Jahr 2001 nicht weniger als 307.511 Euro für private Zwecke vom Firmenkonto behoben, ein gutes Drittel davon als Apanage an ihre Mutter gezahlt, während Andrea Herberstein zur selben Zeit mit der Drohung, der defizitäre Tierpark müsse sonst zugesperrt werden, weitere Förderungen ertrotzte. Rechnungen wurden doppelt vorgelegt, ihre 600 Quadratmeter große Zimmerflucht im Schlosstrakt soll sich Andrea Herberstein indirekt aus Steuergeldern erhalten haben lassen, die Betriebskosten für ein weiteres Wohnhaus der Herbersteins in Graz wurden laut Rechnungshof über das subventionierte Familienunternehmen bezahlt. Alles in allem „fließt die private Sphäre mit der unternehmerischen Sphäre ineinander“, kritisierte der Rechnungshof. Und das waren offenbar noch die harmloseren Geschichten.

Zu den Schlussbesprechungen am 8. und 13. Juli 2005 in den Räumen des Grazer Rechnungshofs hatte Andrea Herberstein ihren Hausanwalt Hans Kortschak, ihren Steuerberater Herbert Wolff-Plottegg und – zum Befremden der Beamten – den ehemaligen, im Jahr 2003 pensionierten Präsidenten der Landesfinanzdirektion, Wolfgang Pfungen, geschickt, der sich auch gern Wolfgang Baron Pfungen nennt. Die Atmosphäre war gespannt. Mit einer Einstweiligen Verfügung, den Rohbericht vorerst nicht an den Landtag weiterzuleiten, waren die Herbersteins beim Oberlandesgericht bereits abgeblitzt. Nun stand eine Schadenersatzklage gegen das Land Steiermark im Raum, weil die Rechnungsprüfer auch die Buchhaltung der Herbersteins durchforstet hatten. Die gräfliche Familie vertrat durchaus die Ansicht, es gehe niemanden etwas an, wie viel Geld sie von ihren Firmenkonten behebe und was sie damit anstelle. Der Rechnungshof sah das anders, weil das Herberstein-Unternehmen immerhin mit Steuergeldern am Leben erhalten wird. Um des lieben Friedens willen hat der Rechnungshof seine Erkenntnisse über die Finanzgebarung der Herbersteins nach 2001 bisher nicht veröffentlicht, was nach Aussage der Prüfer an ihrer Kritik jedoch nichts ändert. Es war offenbar so weitergegangen, wie der Rechnungshofpräsident Regierungsmitgliedern bestätigte.

Manipulierte Rechnungen. Mittlerweile sind einige ehemalige Herberstein-Bedienstete nervös geworden und haben Selbstanzeige erstattet. Der frühere Tierparkleiter übergab der Staatsanwaltschaft Graz Belege für manipulierte Rechnungen aus den Jahren 1996 bis 1998. Tischler und andere Handwerker, die in der Wiener Jugendstilvilla von Thomas Hampson, Herbersteins Lebensgefährten, Auftragsarbeiten ausgeführt hatten, schrieben – auf Herbersteins Betreiben, sagt der frühere Tierparkleiter – ihre Rechnungen auf Arbeiten im Gut Herberstein um, die dann als Förderungsansuchen beim Land eingereicht und von diesem bezahlt wurden. Eine ehemalige Kassiererin im Tierpark gab an, sie sei angehalten worden, Eintrittskarten schwarz zu verkaufen.

Wenn sich das alles als wahr herausstellen sollte: Ob sich der viel beschäftigte Starbariton Thomas Hampson je gefragt hat, auf welch wundersame Weise einige seiner Rechnungen beglichen wurden? Er sitzt zwar als Beirat in der Herberstein OEG, doch darf man davon ausgehen, dass Andrea Herberstein die praktischen Dinge des Lebens erledigt.

Ihr Eintritt in die feine Gesellschaft vor einem Vierteljahrhundert war vermutlich durch einen ehrgeizigen Charakter und eine allseits hochgerühmte Schönheit befördert worden. Mit 16 Jahren schritt die Tochter eines Salzburger Universitätsprofessors als Model über den Laufsteg, mit 20 Jahren lernte sie in der Salzburger Schickeria Otto Herberstein kennen. Acht Wochen später waren sie verheiratet – eine Mesalliance, so hieß es in der Familie, in der man schon auf einen gewissen Stammbaum achtet.

Die junge Gattin gebar in kurzen Abständen drei Kinder. Mit der traditionell zurückgezogenen Haltung des alten Adels konnte sie sich nicht anfreunden. Sie suchte das Rampenlicht. Der Gatte erwies sich bald als schwerer Alkoholiker, wie in mehreren der insgesamt 88 Verfahren zur Vermögensaufteilung festgehalten wurde, der sich kraft seiner Abstammung nicht um bürgerliche Konventionen scheren mochte, bizarre Auftritte lieferte und mit dem Vermögen der Herbersteins wenig umsichtig hantierte. In den Gasthäusern der Umgebung pflegte sich Otto Herberstein mit der Bemerkung „Ein Graf zahlt nicht“ zu verabschieden. Bei der Eröffnung der Landesausstellung „Brücke und Bollwerk“ bemächtigte sich der fidele Gatte eines Mikrofons und schwenkte Krainer-Würstel in der Luft. Der anwesende Landeshauptmann Josef Krainer nahm’s gelassen.

Längst hatte die junge Frau die Geschäfte in die Hand genommen und Kontakte zur Politik geknüpft. Krainer wurde Taufpate des Stammhalters Maximilian. Im Jahr 1985 hatte er Andrea Herberstein zur Geschäftsführerin der Styriarte ernannt, eines Klassikfestivals, mit dem das Land Steiermark Nikolaus Harnoncourt, einen gebürtigen Berliner, aber Nachfahren des legendären Erzherzogs Johann, an die Steiermark binden wollte.

Eigentlich sollte sich die Konzertreihe selbst finanzieren und das Land nur eine Ausfallshaftung übernehmen. In den drei Jahren unter Herberstein („auch der Name Styriarte stammt von mir“, sagte sie einmal) wurden insgesamt 500.000 Euro an Landesmitteln zugeschossen. Die erhofften Sponsoren waren ausgeblieben, nur Hans Dichand, Herausgeber der „Kronen Zeitung“, hatte sich erweichen lassen. Der Rechnungshof bemängelte fehlende Konzepte und eine verschwenderische Verwaltung. Der damalige Finanzlandesrat Christoph Klauser (SPÖ) schied aus Protest gegen die Freunderlwirtschaft aus dem Styriarte-Vorstand aus. Als Landeshauptmann Krainer einmal gefragt wurde, warum er, ohne mit der Wimper zu zucken, immer wieder Geld für Herberstein lockermache, soll er mit jovialem Augenzwinkern geantwortet haben: „War halt der Ausschnitt wieder einmal sehr tief.“

Der damalige Büroleiter der Kulturabteilung des Landes, Dieter Cwienk, gab 1988 offen zu, dass die Landesgelder von umgerechnet insgesamt 1,5 Millionen Euro, die das Land Steiermark für die Landesausstellung auf Schloss Herberstein ausgegeben hatte, „prima vista dem Haus Herberstein allein“ nützten. Wieder beanstandete der Rechnungshof die recht großzügigen Förderungen. Andrea Herberstein konterte, auch die Liechtensteins mit ihrer Riegersburg und die Familie Meran hätten sich ihre Schlösser für Landesausstellungen mit Unterstützung des Landes herrichten lassen.

Rosenkrieg. Als die Ehe im Jahr 1987 durch Verschulden des Grafen endgültig geschieden wurde, begann ein sieben Jahre währender Rosenkrieg um einen Besitz im Wert von mehr als 14 Millionen Euro. Andrea Herberstein, mittlerweile mit Hampson liiert, beanspruchte die Führung der Geschäfte und zwei Drittel des Vermögens. Am Ende wollte sie Otto Herberstein für unzurechnungsfähig erklären und alles bekommen. Otto Herberstein befand: „Die ist mit einem luckerten Heller eingezogen. Die spinnt ja.“ Außerdem habe sie bloß im schlosseigenen Buschenschank serviert.

Einige Politiker, Ottos nächster Verwandter, sein Cousin Georg Herberstein, und der langjährige Gutsverwalter traten damals zugunsten Andrea Herbersteins in den Zeugenstand und sagten aus, dass „sie allein den schwer verschuldeten Betrieb wieder in die Höhe gebracht und der Graf sich um nichts gekümmert hat“ (so der Gutsverwalter). Als Otto Herberstein 1994 starb, waren immer noch nicht alle Verfahren ausjudiziert. In seinem Testament hatte er seine jüngste Tochter zur Universalerbin eingesetzt, die anderen Kinder mit Legaten bedacht und „bei sonstigem Verlust ihrer Ansprüche“ verfügt, „dafür zu sorgen, dass meine geschiedene Frau Andrea (…) von der Verwaltung meines Vermögens fern gehalten wird“.

Das ist wohl auch der Grund, warum Andrea Herberstein weder am Vermögen der Herbersteins beteiligt ist noch in einem Dienstverhältnis zur Herberstein OEG steht. Dennoch tritt sie als Schloss-herrin auf und führt die Geschäfte, was ihr unter dem Titel „Unterhaltszahlungen“ abgegolten wird. Die ihr gehörenden Antiquitäten und Kunstgegenstände in jenen Schlossräumen, für die sie das Nutzungsrecht besitzt, hat sie gemeinsam mit den drei Kindern in eine Kunstsammlung Herberstein OEG eingebracht, deren Wert von Experten auf Millionenhöhe geschätzt wird. Unklare Transaktionen zwischen den beiden Firmen hat der Rechnungshof ebenfalls beanstandet.

Verlorene Freunde. Zur Tragik Herbersteins gehört, dass ihre einst glühendsten Unterstützer heute auf der Seite ihrer Kritiker stehen. Georg Herberstein, 71 Jahre alt und selbst noch im Schloss aufgewachsen, findet es „außerordentlich peinlich, wie Andrea Herberstein aus Geltungssucht den Gräfinnenstatus übertrieben und mit Talmi übergossen hat“. Er gestehe ihr zu, dass sie einst das Gut Herberstein habe retten wollen. Doch tatsächlich habe sie unter „Ausnutzung eines legendären Namens und einer widerwärtigen Bussi-Bussi-Kultur Millionenförderungen abgesahnt, wo man sich am Ende fragen muss, wo all das Geld hingeflossen ist“. In einem „News“-Interview bezeichnete Thomas Hampson im Gegenzug Georg Herberstein als „absolut tragische Figur – das letzte Aufhusten in einem Leben, das ihm voll danebengegangen ist“.

Der ehemalige Gutsverwalter, der 2000, im Jahr seiner Kündigung, mit einem Schweigegeld von 57.000 Euro abgefunden wurde – wie sich heute herausstellt, offenbar für seine Beteiligung an diversen Malversationen –, erhielt für seine Selbstanzeige von den Herbersteins ein wenig schmeichelhaftes psychiatrisches Ferngutachten.

Selbst Landeshauptfrau Waltraud Klasnic, die Andrea Herberstein im vergangenen Jahr im kleinen Kreis noch versichert haben soll, dass „wir dich sicher nicht im Stich lassen“, will heute von der langjährigen Freundschaft nichts mehr wissen und ist „menschlich zutiefst enttäuscht“. Auch die Freundschaft soll plötzlich nicht mehr so eng gewesen sein wie immer behauptet. Vor wenigen Tagen gestand Klasnic, sie habe weinen müssen, weil sie bei ihren Veranstaltungen dennoch so viel Zuspruch erfahre.

Auch Herberstein will von Freundschaft nichts mehr wissen. Man sei zwar auf Du und Du gewesen, aber Bruderschaft habe man mit Klasnic nie getrunken. Zuletzt sagte sie, sie liege stundenlang wach und weine sich in den Schlaf.

Das Weinen von Frauen in Krisensituationen scheint ein Naturgesetz zu sein.

Von Christa Zöchling