Meinl-Exklusiv: Mohrschlusspanik

Affäre: Mohrschlusspanik

Rücktritte und Sonder- prüfungen - es wird eng

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Es bedurfte weniger Tage, um die Arbeit von fünf Jahren zu entwerten. Am Freitag vergangener Woche durchlebten die Inhaber von Anteilsscheinen der Meinl European Land Limited (MEL) den vermutlich schwärzesten Tag einer Serie düsterer Tage. Die Papiere der börsennotierten Immobiliengesellschaft schlossen bei gerade noch 9,85 Euro und damit auf dem tiefsten Stand ihrer Geschichte.

Ausgerechnet MEL. Die vermeintlich sichere Geldanlage im Zeichen des Meinl-Mohren, seinerzeit beworben mit Slogans à la „Der Vergleich macht Sie reich“.

Verglichen mit dem Ausgabekurs im November 2002 in der Höhe von 11,10 Euro, hat das Papier elf Prozent seines Werts verloren.

Verglichen mit dem Höchststand von 21,3 Euro im Juni dieses Jahres, gingen sogar fast 55 Prozent flöten.

Reich ist darob jedenfalls die piekfeine Wiener Meinl Bank im Eigentum der Bankiersfamilie Meinl geworden. Sie hat über die Jahre ungeachtet aller Fährnisse an Börsengang, Kapitalerhöhungen und Wertpapierhandel deutlich mehr als 100 Millionen Euro verdient.

Das kleine Geldhaus (Bilanzsumme Ende 2006: 5,6 Milliarden Euro) rückt mehr und mehr ins Zentrum jener Vorkommnisse, die den MEL-Kurssturz gleichsam von innen heraus verursacht hatten: Wie ausführlich berichtet, hatte Meinl European Land ab April 2007 begonnen, große Mengen eigener Wertpapiere, so genannte Zertifikate, über die Meinl Bank zurückzukaufen – ohne die Anleger zeitnah zu informieren. In Summe wechselten solcherart klammheimlich 88,8 Millionen Titel im Gegenwert von damals 1,8 Milliarden Euro den Besitzer. Seit Auffliegen der Affäre ist bei MEL der Teufel los. Der Kurs stürzt ins Bodenlose; verprellte Kleinanleger wollen Forderungen in Millionenhöhe anmelden; Wertpapieranalysten mehrerer Banken im In- und Ausland empfehlen MEL-Papiere mittlerweile unverhohlen zum Verkauf; international renommierte Ratingagenturen haben die Gesellschaft auf ihre Watch-Listen gesetzt.

Die Demission. Am Montag vergangener Woche verlor die Meinl Bank ein Aufsichsratsmitglied, wie profil in Erfahrung bringen konnte. Alfred Reiter hat das Amt des stellvertretenden Aufsichtsratspräsidenten zurückgelegt. Er selbst dazu: „Ja, ich werde mich nach Ablauf der vierwöchigen satzungsmäßigen Frist aus dem Aufsichtsrat zurückziehen, weil ich mir mit 67 diesen medialen Druck im Umfeld nicht mehr antun möchte.“

Mehr will er dazu nicht sagen. Der Banker war neben dem greisen Aufsichtsratsvorsitzenden, Wirtschaftsprüfer Walter Jakobljevich, und Jurist Karl Hempel eines von drei familienfremden Organen. Daneben wirken Meinls Vater, Julius IV., beziehungsweise Meinls Onkel Thomas als Kontrollore.

Reiters Rücktritt hat Symbolkraft. Er ist im Bankgeschäft so etwas wie eine lebende Legende. Der frühere Kreisky-Sekretär bestimmte zwischen 1976 und Ende 2001 die Geschicke der Investkredit Bank, ab 2002 saß er im Aufsichtsratspräsidium der Meinl Bank. Wenn ein abgebrühter Banker wie er überhapps demissioniert, muss es handfeste Gründe geben.

Und es kommt noch dicker: Nach profil vorliegenden Informationen steht der Meinl Bank eine so genannte Vor-Ort-Prüfung durch die Oesterreichische Nationalbank ins Haus. Eines der schärfsten Instrumente der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA). Sprecher Klaus Grubelnik: „Selbstverständlich wird die Aufsicht alle gebotenen Instrumente aus ihrem Waffenarsenal auffahren“ (siehe auch Kasten Seite 38).

Der zentrale Verdacht: Julius Meinl V. könnte als Vorstandsvorsitzender der Bank im Frühsommer MEL-Zertifikate bei institutionellen Investoren zu Spitzenpreisen ankaufen haben lassen, um diesen den damals laufenden Börsengang seiner Meinl International Power schmackhaft zu machen – zulasten argloser Kleinanleger. Damit könnte der Markt manipuliert worden sein, möglicherweise wurden auch Insidertatbestände gesetzt. Julius Meinl V. hat jüngst jede Verantwortung von sich gewiesen. Der Bankier in einem profil-Interview in der vorwöchigen Ausgabe: „Ich bekleide bei MEL keine Funktion. Ich führe eine Bank und kein Immobiliengeschäft. Daher konnte die Meinl Bank den Zertifikatsankauf weder anordnen noch orchestrieren“ (Nr. 36/07).

Die Kindesweglegung wirft freilich mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Denn mittlerweile wird der Kreis derer, die nichts mit dem Rückkauf zu tun haben wollen, immer größer. Bereits wenige Tage nach Auffliegen der Aktion hatten die MEL-Manager Francis Lustig und Johann Mantler ihren Rücktritt erklärt. Weil sie, wie sie jetzt betonen, die „völlig sinnlose Aktion“ nicht mittragen konnten. MEL-Vorstand Wolfgang Lunardon, nach eigenen Angaben selbst nur partiell informiert, ist seit wenigen Tagen offiziell im Krankenstand. Wie profil aus zuverlässiger Quelle erfuhr, hat der ausgewiesene Immobilienexperte seine Rechtsanwälte mittlerweile beauftragt, eine Vertragsauflösung zu erwirken.

Die Jersey-Achse. Meinls Versuche, die Immobiliengesellschaft von seiner Person und der Bank zu trennen, wirken im Lichte der jüngsten Vorkommnisse immer plumper. Denn auch bei den übrigen MEL-Exponenten dürfte es sich eher um Befehlsempfänger denn um Entscheidungsträger handeln. Die Gesellschaft ist als Meinl European Land Limited auf der britischen Kanalinsel Jersey registriert. In der Hauptstadt des Steuerparadieses, St. Helier, ist MEL unter der Anschrift „PO Box 75, 26 New Street“, Postleitzahl „JE4 8PP“ zu finden. Wie die beiden anderen börsennotierten Unternehmen Meinl Airports International Ltd. und Meinl International Power Ltd. übrigens auch.

Wahr ist: Die Meinl-Gesellschaften auf Jersey sind nicht viel mehr als gut verwaltete Briefkästen. Die Adresse gehört der auf Steuerrechtsfragen spezialisierten britischen Anwaltskanzlei Bedell Cristin. Sie gewährt unter anderem auch Unternehmen mit klingenden Namen wie Acteuum Limited, Furnival Street Investment Co Limited, Fayair (Jersey) Co Limited oder auch Embassy Development Limited Unterschlupf.

Die Kanzlei erledigt weit mehr als nur die Post. Bei Meinl European Land, Meinl Airports und Meinl Power sitzen jeweils zwei Bedell-Cristin-Anwälte im Management, dem so genannten Board of Directors. Im Falle von Meinl European Land sind dies Michael Richardson und Peter Byrne. Bemerkenswert nehmen sich in diesem Zusammenhang die Äußerungen von Meinl-Power-Manager und Finanzminister a. D. Karl-Heinz Grasser in einem Interview mit der Tageszeitung „Kurier“ vom 2. September aus. Auf die Frage, ob es auf Jersey nur eine Adresse oder auch ein besetztes Büro gebe, entgegnete Grasser wörtlich: „Dort gibt es natürlich ein Büro.“ Und weiter: „Das wäre ein schlechtes Büro, wenn es leer wäre.“

Es ist eher unplausibel, dass die Jersey-Advokaten aus eigenem Antrieb den Beschluss gefasst hatten, im großen Stil mit MEL-Papieren zu jonglieren, und dabei die jetzt vermutete Verletzung von Gesetzen umstandslos in Kauf nahmen. Weder Richardson noch Byrne waren für eine Stellungnahme zu erreichen. Mittlerweile ist auch völlig unklar, ob es bei MEL überhaupt einen entsprechenden Vorstandsbeschluss gab. Eine logistische Herausforderung wäre es allemal gewesen. Richardson und Byrne sitzen auf Jersey, der scheidende Manager Lunardon in London. Die weiteren Vorstandsmitglieder: Karel Römer residiert als Vorstand der Meinl Bank Antigua Ltd. auf Curaçao, Immobilienentwickler Georg Kucian ist hauptsächlich in Prag zugange, und Heinrich Schwägler, Wirtschaftsprüfer, arbeitet im schweizerischen St. Gallen.

Spuren nach Wien. Wie in der Vorwoche berichtet, dürften die Transaktionen über den Wiener Schreibtisch eines gewissen Stephan Visy gelaufen sein, eines von Julius Meinls engsten Vertrauten. Visy ist nicht eben die Auskunftsfreude in Person. Nachdem profil ihn am Donnerstag telefonisch erreicht hatte, beendete dieser grußlos das Gespräch – und schaltete sein Mobiltelefon ab.

Der Oesterreichischen Nationalbank wird Meinl die Antwort auf eine Reihe delikater Fragen nicht ohne Weiteres verweigern können. Mit der Beteuerung, die Meinl Bank und er hätten mit der Sache nichts zu tun, scheint es nicht getan.

Der 48-jährige Bankier dürfte dessen ungeachtet demnächst Gelegenheit haben, Gerichtsluft zu schnuppern. Dem Vernehmen nach erwägt die Staatsanwaltschaft Wien, Julius Meinl als Zeugen im laufenden Bawag-Prozess vorzuladen. Meinl verbanden mit dem befreundeten Investmentbanker Wolfgang Flöttl lange Zeit gemeinsame Geschäfte. So wickelte Flöttl, wie ausführlich berichtet, über die Meinl Bank bis ins Jahr 2006 Milliondeals ab – obwohl er offiziell so gut wie mittellos war.

Von Michael Nikbakhsh und Josef Redl