AUA-Affäre: Neid, Misstrauen, Intrigen

Affäre: Peter und der Wolf

Zwischen Michaelis und Ötsch fliegen die Fetzen

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Die Farbe an den Wänden des neuen Austrian-Airlines-Hauptsitzes am Flughafen Wien-Schwechat war noch feucht, da spielten sich im großen Sitzungszimmer des Vorstands bereits denkwürdige Szenen ab. Am 2. Oktober, wenige Tage nach der Inbetriebnahme des Gebäudes, versammelten AUA-Chef Alfred Ötsch und Finanzchef Thomas Kleibl 14 Führungskräfte zu einem außerordentlichen „erweiterten Vorstandsmeeting“. Einziger Tagesordnungspunkt: „Bericht Strategieaufsichtsrat“.

Nur wenige Tage zuvor, am 26. September, hatte der Aufsichtsrat der teilverstaatlichten Airline die Ausschreibung zweier zusätzlicher Vorstandsposten beschlossen. Die Grundlage für die intern reichlich umstrittene Aufstockung hatte das Kontrollorgan um Präsident und ÖIAG-Alleinvorstand Peter Michaelis der Einfachheit halber selbst geschaffen: Ende Juli war der Österreich-Ableger des dänischen Beratungsunternehmens Directure vom Aufsichtsrat beauftragt worden, die AUA-Führungsstruktur und -Organisation zu untersuchen und zu beurteilen. Kostenpunkt der letztlich 120 Seiten starken und in streng limitierter Auflage versendeten Expertise: schlanke 230.000 Euro – oder in alter Währung: 3,16 Millionen Schilling.

Ötsch hatte an diesem 2. Oktober keine guten Nachrichten für seine Leute. Gestützt auf vertrauliche „Interviews“ mit drei Dutzend leitenden AUA-Angestellten, waren die Directure-Gutachter zu vernichtenden Resümees gelangt. Demnach gebe es in der zweiten Führungsebene von Austrian Airlines keine „Leadership“, dafür aber ausgeprägtes „Bereichsdenken“; die Kommunikation zwischen den Abteilungen sei „mangelhaft“, das Berichtswesen „zu umfangreich“; die Unternehmenspläne seien „nur unverbindliche Zielvorgaben“ und die Sitzungsstrukturen „verbesserungswürdig“.

Eine schallende Ohrfeige für Ötsch, der dem Unternehmen erst Ende 2006, wenige Monate nach Amtsantritt, eine neue Organisationsstruktur verordnet hatte.

Das Protokoll der Vorstandssitzung vom 2. Oktober liegt profil vollständig vor. Und es nährt einen Verdacht: Die Directure-Gutachter könnten Überlegungen leitender AUA-Mitarbeiter zum Zustand des Unternehmens missinterpretiert haben, um Aufsichtsratspräsident Peter Michaelis Argumente für eine Reorganisation des Managements zu liefern – womit Alfred Ötsch in letzter Konsequenz geschwächt würde. Ein Auszug aus dem Protokoll: „Einige Bereichsleiter äußern den Verdacht, dass Directure aus dem Zusammenhang gerissene Einzelaussagen im Studienergebnis überproportional berücksichtigt hat, ohne diese hinreichend zu hinterfragen.“ Und weiter: „Der Vorstand kann diese Aussagen nicht einordnen, da sie ein katastrophales Bild der zweiten Ebene zeichnen, das sich keinesfalls mit der Eigenwahrnehmung deckt.“ Ein Sitzungsteilnehmer, der namentlich nicht genannt werden will, rekapituliert: „Wir waren von der generellen Aussage von Directure sehr überrascht. Man hatte zeitweilig das Gefühl, dass von einem anderen Unternehmen die Rede war.“

Weggesperrt. Was die Führungskräfte den Gutachtern im Rahmen der Befragungen tatsächlich in die Notizblöcke diktiert haben, ist nicht bekannt. Die Gesprächsprotokolle wurden von Michaelis zur Verschlusssache erklärt. „Ich weise den Vorwurf der Manipulation entschieden zurück“, so der AUA-Aufsichtsratspräsident. „Den Mitarbeitern wurde Anonymität zugesichert, weil dem Aufsichtsrat nicht daran gelegen sein konnte, sie später allfälligem Druck auszusetzen.“

Michaelis, er vertritt als ÖIAG-Chef 42,75 Prozent des AUA-Aktienkapitals, kann indes kaum verhehlen, dass die Einschaltung eines externen Gutachters und die daraus abgeleiteten Entscheidungen das zuvor allenfalls lauwarme Gesprächsklima mit Alfred Ötsch deutlich unter den Gefrierpunkt getrieben haben. „Ötsch ist ein zielorientierter, nüchterner und selbstbewusster Manager“, so Michaelis knapp. „Das nehme ich auch für mich in Anspruch.“ Ötsch will, darauf angesprochen, gar nichts sagen. Außer: „Wir haben ein professionelles Verhältnis. Der Vorstand hat Entscheidungen des Aufsichtsrats selbstverständlich zu akzeptieren.“

Hinter den Kulissen freilich, also jedenfalls abseits medialer Aufmerksamkeit, fliegen mittlerweile die sprichwörtlichen Fetzen. So soll Michaelis den AUA-Chef jüngst gegenüber mehreren Aufsichtsräten wörtlich der „Illoyalität“ bezichtigt haben, weil dieser die Erweiterung des Vorstandes in einem Rundschreiben an alle AUA-Mitarbeiter mit den Worten „Es ist ja nicht verborgen geblieben, dass dies nicht meine präferierte Variante war“ kommentiert hatte.

Umgekehrt soll Ötsch im engsten Kreis die Frage erörtert haben, inwieweit ein Aufsichtsratspräsident sich überhaupt ins Tagesgeschäft einer Aktiengesellschaft einbringen kann und darf. Tatsächlich könnte Michaelis, dem ein ausgeprägter Hang zum Formalismus nachgesagt wird, etwa beim Directure-Auftrag aktienrechtlich hauchdünnes Eis betreten haben (siehe Kasten „Ich oder ich“, Seite 50).

Die Dissonanzen gehen mittlerweile so weit, dass das AUA-Management die vom Aufsichtsrat angeordnete Bezahlung der Directure-Honorare in der Höhe von insgesamt 230.000 Euro verweigert – von einer vergleichsweise bescheidenen Anzahlung einmal abgesehen. „Aus aktienrechtlicher Sicht geht es zwar absolut in Ordnung, dass die AUA die Kosten für das Gutachten übernimmt“, sagt Ötsch. „Aber aus den gleichen Überlegungen heraus können wir eine Rechnung erst dann bezahlen, wenn erbrachte Leistungen lückenlos nachgewiesen wurden.“

Michaelis kommentiert das nicht. Er soll peinlich berührt sein, zumal er sich im Aufsichtsrat für das Engagement von Directure ohne Ausschreibung starkgemacht hatte. Insider werten den Zahlungsstopp als eine Art Revanchefoul von Ötsch, weil Michaelis ursprünglich den Vorstand verpflichten wollte, Directure direkt zu beauftragen – was dieser mit Hinweis auf die mangelnde Branchenkenntnis der Gutachter nonchalant verweigerte. Directure, in Österreich allenfalls einer ausgewählten Öffentlichkeit bekannt, verfügte bisher über keinerlei Luftfahrt-Referenzen.

Verpetzt. Möglicherweise wäre alles ganz anders gekommen, hätte nicht AUA-Marketingvorstand Josef Burger Mitte August völlig überraschend alles hingeschmissen. Nach profil-Recherchen soll Burger zuvor versucht haben, bei Michaelis Stimmung gegen den AUA-Chef zu machen. Burger soll es unter anderem gar nicht goutiert haben, dass der frühere Siemens-Manager Ötsch den früheren Siemens-Kollegen Peter Baumgartner im Herbst des Vorjahres als Marketingverantwortlichen in der zweiten Führungsebene installiert hatte – was letztlich einer Teilentmachtung von Burger gleichkam. Ötsch sieht das naturgemäß völlig anders: „Es gehört zu den Aufgaben eines neuen Chefs, den Kurs eines Unternehmens positiv zu beeinflussen.“ AUA-Präsident Michaelis erklärt dazu nur lakonisch: „Es hat unüberbrückbare Auffassungsunterschiede über die Form der Zusammenarbeit im Vorstand gegeben. Ich denke, das ist deutlich genug.“ Ein Vertrauter wird deutlicher: „Burger wäre nur geblieben, wenn Ötsch gegangen wäre. Aber den hatte die ÖIAG ja erst kurz davor geholt. Das wäre ein katastrophales Signal gewesen.“

Umso mehr, als man dem seit 1. April 2006 amtierenden Vorstandschef in wirtschaftlicher Hinsicht eher wenig vorwerfen kann. Der Austrian-Airlines-Konzern hat im ersten Halbjahr 2007 trotz hoher Treibstoffpreise und harter Konkurrenz aus einem nahezu unveränderten Umsatz in Höhe von 1,2 Milliarden Euro einen Verlust vor Steuern von 21,5 Millionen verbucht – im Vergleichszeitraum 2006 waren es noch minus 69,2 Millionen Euro gewesen –, die Folge eines nicht eben populären Sanierungsprogramms, dem allein in den vergangenen zwölf Monaten 659 Arbeitsplätze, ein halbes Dutzend Destinationen und mehrere Flugzeuge zum Opfer fielen.

Vor allem aber ist es Ötsch gegen Widerstände gelungen, Ende des Vorjahres eine Kapitalerhöhung im Ausmaß von annähernd 400 Millionen Euro am Markt zu platzieren, um die bis über die Flügelspitzen verschuldete Airline mit dringend benötigtem Geld zu versorgen.

In diesem Kontext will jedenfalls Aufsichtsratspräsident Michaelis die Aufstockung des Vorstandes verstanden wissen. „Es geht nicht darum, exzellente Einzelspieler zu haben, sondern daraus ein exzellentes Team zu formen.“

Es dürfte nicht schaden, dies bei Gelegenheit auch den Spielern plausibel zu machen.

Von Michael Nikbakhsh