Streit bei Meinl - Jeder gegen jeden

Affäre: „Völlig sinnlose Aktion“

Der Bankier wird von seinen Managern belastet

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Mit der Zahl acht assoziieren die Adepten der fernöstlichen Harmonielehre Feng-Shui gemeinhin Wohlstand, Ausgeglichenheit oder schlicht Glück. Ein bisschen Magie kann nie schaden – beim Umtopfen eines Ficus Benjamin, beim Verrücken eines Sofas, beim Zocken mit Milliarden.

Mitte der neunziger Jahre hatte ein gewisser Nick Leeson, Startrader der britischen Investmentbank Barings, Spekulationen in Fernost über das Konto Nummer 88888 abgewickelt.

Mitte 2007 soll Julius Meinl V., Bankier mit japanischer Stiefgroßmutter, den Rückkauf von 88,8 Millionen Aktien der börsennotierten Immobiliengesellschaft Meinl European Land Limited (MEL) verantwortet haben.

Ein wenig mehr Umsicht wäre den Herren, so unterschiedlich sie auch sein mögen, keinesfalls schlecht bekommen.

Nick Leeson ruinierte die Barings-Gruppe gleichsam im Alleingang und wurde 1996 für drei Jahre in einen Knast in Singapur gesteckt.

Julius Meinl der Fünfte steht unvermittelt im Zentrum einer Wertpapier-Affäre, welche den guten Namen auf Jahre anpatzen könnte.

Das MEL-Papier, lange Jahre eine der Perlen des Wiener Aktienmarkts, hat allein in den vergangenen zehn Tagen rund 20 Prozent seines Werts verloren. Rein rechnerisch wurden 990 Millionen Euro, oder in alter Währung: 13,6 Milliarden Schilling, Börsenwert vernichtet.

Und daran soll Meinl nicht unbeteiligt sein. Mittwoch vergangener Woche musste er im Beisein des eilig verpflichteten „MEL-Kapitalmarktbeauftragten“ Rupert-Heinrich Staller einbekennen, dass die Immobiliengesellschaft zwischen Anfang April und Ende August in mehreren Tranchen insgesamt 88,8 Millionen eigene Papiere über die Börse aufgekauft und dafür 1,8 Milliarden Euro bezahlt hatte. Die Deals liefen ausnahmslos über die MEL nahe stehende kleine Wiener Meinl Bank.

Hinter dem Rücken der Öffentlichkeit.

Meinl rechtfertigt die Transaktionen damit, dass die Immobiliengesellschaft autorisiert gewesen sei, Titel jederzeit vom Markt zu nehmen, ohne dies zeitnah publizieren zu müssen. Weil MEL keine österreichische Aktiengesellschaft, sondern auf der Kanalinsel Jersey eingetragen ist; und weil es sich bei den an der Wiener Börse gehandelten MEL-Titeln nicht um Aktien im eigentlichen Sinne handelt, sondern vielmehr um so genannte Zertifikate. Diese sind von den Meldebestimmungen des Börsengesetzes nicht erfasst.

Nachdem institutionelle Investoren und private Anleger erbost MEL-Papiere auf den Markt geworfen haben, sind die Zertifikate nur mehr einen Bruchteil dessen wert, was sie noch Mitte August brachten. Daneben sollen Spekulationen international tätiger Hedgefonds die Kurse noch weiter gedrückt haben. So oder so: Der Vertrauensbruch ist manifest. Und wird so leicht nicht zu reparieren sein. Auch deshalb, weil die Begleitumstände der Aktion nach wie vor Rätsel aufgeben.

Unter dem Radar. Angeblich hat MEL die Zertifikate erworben, weil die Gesellschaft nach mehreren erfolgreich platzierten Kapitalerhöhungen förmlich in Geld schwamm und dieses ertragreich veranlagen wollte. Angeblich sollten die Titel auch nur zwischengeparkt werden, um sie eventuell auch zu einem späteren Zeitpunkt einem namentlich nicht näher genannten „strategischen Partner“ zu übergeben. „Wenn öffentlich bekannt geworden wäre, dass MEL Gespräche über den Einstieg strategischer Partner führt und dies einer der Gründe für den Rückkauf von Zertifikaten ist, wäre der Kurs mit Sicherheit deutlich nach oben gegangen“, so Rupert-Heinrich Staller. „Um eine Marktmanipulation zu vermeiden, musste der Rückkauf unter größter Geheimhaltung erfolgen.“

Bloß: Julius Meinl V. relativiert die Vorgänge in und um die Immobiliengesellschaft, die seinen Namen trägt: „Ich bekleide bei MEL keine Funktion. Ich führe eine Bank und kein Immobiliengeschäft. Daher konnte die Meinl Bank den Zertifikatsankauf weder anordnen noch orchestrieren.“

Spekulationen, wonach die Meinl Bank den MEL-Kurs vor allem im Juli künstlich hochgehalten habe, um die damals laufende Emission der Meinl International Power nicht zu gefährden (siehe Kasten), weist Meinl entschieden zurück. „Das ist völliger Unsinn. Die Meinl Bank hatte darauf keinen Einfluss. Richtig ist vielmehr, dass auch nach dem Ende der Zeichnungsfrist noch Zertifikate im Gegenwert von 260 Millionen Euro durch MEL angekauft wurden.“ 90 Prozent der Meinl-Power-Investoren, so Meinl weiter, seien „institutionelle Anleger, die sehr wohl zwischen Shopping Centers und Kraftwerken unterscheiden“ könnten.

Die Finanzmarktaufsicht (FMA) hat dessen ungeachtet Ermittlungen aufgenommen. Die Verdachtsmomente: Marktmanipulation, Verletzung der Publizitätspflichten und möglicherweise irreführende Angaben im Kapitalmarktprospekt. FMA-Sprecher Klaus Grubelnik: „Ich kann bestätigen, dass entsprechende Untersuchungen laufen.“

Meinls Zurückhaltung ist, vornehm ausgedrückt, bemerkenswert. Denn auch ehemalige und amtierende MEL-Vertreter wollen plötzlich nicht oder nur am Rande in die Affäre involviert gewesen sein. Bereits Ende vorvergangener Woche hatten Pressesprecher Francis Lustig und Immobilienmanager Johann Mantler die Unternehmensgruppe überraschend verlassen. „Einvernehmlich“, wie es so schön heißt. Lustig widerspricht dem nun vehement. „Kollege Mantler und ich legen Wert auf die Feststellung, dass wir zurückgetreten sind. Wir haben dies getan, weil wir die aus unserer Sicht völlig sinnlose Rückkaufaktion von Aktien, pardon Zertifikaten, nicht mittragen konnten.“ Mehr noch: Auch der nach wie vor im so genannten MEL Board of Directors amtierende Wolfgang Lunardon will nur partiell eingeweiht gewesen sein. „Der Meinl Bank sind als Market Maker gewisse Freiheiten eingeräumt worden. Über den Umfang der Transaktionen waren wir zeitweise sehr überrascht.“ Lunardon soll dem Vernehmen nach überhaupt erst am 23. August, im Zuge der Präsentation des Halbjahresberichts, vom wahren Ausmaß Kenntnis erlangt haben. Julius Meinl V. hält darauf angesprochen fest: „Ich kann mir das so nicht vorstellen. Die Meinl Bank hat als Market Maker die Zertifikate ausschließlich im Auftrag und auf Rechnung von MEL gekauft.“

Was jedenfalls eine Frage aufwirft: Wie wird Meinl European Land, immerhin eine der größten Immobiliengesellschaften Zentraleuropas, eigentlich geführt? Und von wem?

Kopflos. Die Fäden sollen nach profil vorliegenden Informationen bei MEL-Finanzvorstand Stephan Visy zusammenlaufen, einem der engsten Vertrauten von Julius Meinl V. Mag sein, dass Meinl die Rückkäufe nicht extra angeordnet hatte. Es ist jedoch eher auszuschließen, dass die Entscheidung dazu auch hinter seinem Rücken getroffen wurde. Visy war für eine Stellungnahme bisher nicht zu erreichen. MEL-Sprecher Rupert-Heinrich Staller dazu: „Die Entscheidung wurde im Board der MEL getroffen, der Kreis der informierten Personen war überschaubar. Mehr kann und will ich dazu nicht sagen.“

Nach profil vorliegenden Informationen ließ Manager Visy einem ausgewählten Personenkreis in den ersten Julitagen, also kurz nach dem Halbjahres-Bilanzstichtag 30. Juni, eine erste Version des MEL-Geschäftsberichts über die ersten sechs Monate 2007 zukommen. Darin wurden die Aktienrückkäufe mit keiner Silbe erwähnt. Obwohl MEL zu diesem Zeitpunkt bereits 1,1 Milliarden Euro für den Erwerb von 52,3 Millionen eigener Zertifikate ausgegeben hatte. Zum besseren Verständnis: Die Aufwendungen für den Erwerb eigener Titel finden nach geltenenden „IFRS“-Bilanzierungsstandards keinen unmittelbaren Eingang in die Ertragsrechnung, sie werden, vereinfacht gesagt, gegen das Eigenkapital gebucht. In Summe hat MEL über Monate 88,8 Millionen Zertifikate um insgesamt 1,8 Milliarden Euro gekauft, womit sich das Eigenkapital rechnerisch von zuvor 4,9 Milliarden Euro auf nunmehr 3,1 Milliarden Euro reduziert hat. Staller: „Ich kann nur noch einmal betonen, dass aus rechtlichen Erwägungen höchste Geheimhaltung geboten war. Daher wurden die Rückkäufe so spät wie möglich im endgültigen Halbjahresbericht abgebildet.“

Dessen nicht genug, ist mittlerweile völlig unklar, wer die Gesellschaft eigentlich kontrolliert. Nach den veröffentlichten Daten waren zuletzt 300 Millionen stimmberechtigte MEL-Papiere in Umlauf, wovon die Gesellschaft nunmehr 88,8 Millionen oder 29,6 Prozent ihr Eigen nennt. Daneben existieren 150 Millionen ebenfalls voll stimmberechtigte Anteilsscheine, die nicht börsennotiert sind und obendrein nicht voll einbezahlt wurden („partly paid shares“). Die Zeichner mussten dafür lediglich einen Cent pro Aktie im Nominale von jeweils fünf Euro zahlen, insgesamt also bloß 1,5 Millionen Euro. Über deren Identität wird geschwiegen. MEL-Beauftragter Staller betont, es handle sich um „institutionelle europäische Investoren, die in keiner Verbindung mit der Meinl Bank“ stünden. „Man muss sich die ,partly paid shares‘ wie eine Kapitalerhöhung auf Abruf vorstellen“, so Staller.

Das niederländische Investmenthaus Kempen & Co indes wähnt Meinl selbst dahinter. Demnach würden die Anteilsscheine von einer Thsela A.V.V. mit Sitz auf Aruba in der Karibik gehalten – die jedenfalls bis Mitte 2006 im Einflussbereich der Meinl Bank stand. Das hieße: Rund 53 Prozent von MEL könnten jetzt vorübergehend und mittelbar im Einflussbereich von Julius Meinl V. stehen – ohne dass er selbst dafür wirklich Geld in die Hand nehmen hätte müssen. Bezahlt wurde der Rückkauf der eigenen Aktien schließlich aus dem Geld, dass zuvor über MEL-Kapitalerhöhungen bei privaten und institutionellen Investoren aufgenommen worden war.

Dass tatsächlich ein „strategischer Partner“ vor der Tür steht, wird in Branchenkreisen bezweifelt. Die Kursverluste bringen die Gesellschaft zumindest kurzfristig in eine prekäre Situation. Kaum ein Investor, kolportiert wurde zuletzt ein Immobilienfonds aus Hongkong, wird zu einem Preis einsteigen, der doch substanziell über dem aktuellen Börsenkurs liegt. MEL hat sich verpflichtet, die Anteile nicht unter dem Ankaufspreis von durchschnittlich 20,43 Euro abzugeben – am Freitag vergangener Woche schloss das Papier bei 13,4 Euro. Julius Meinl bleibt unbeirrt: „MEL werden aus den Transaktionen keinerlei Buchverluste erwachsen.“ Zugleich gesteht er aber ein: „Man muss in Zukunft gewisse Dinge anders machen.“

Von Michael Nikbakhsh und Josef Redl