Whisky in der Pfarre: Sexuelle Übergriffe?

Affäre: Whisky in der Pfarre

Schwere Vorwürfe gegen Schönborns Stellvertreter

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Längst hatte man freudig damit begonnen, im Stift Heiligenkreuz zu hämmern, zu pinseln, die Fassaden zu behübschen, um dem Papst bei seinem Besuch im September vorzuführen, dass es in der großen, zerrissenen Welt auch eine kleine, heile gibt. Doch in den Klostermauern von Abt Gregor Henckel-Donnersmarck im Wienerwald und in den Gemächern des Wiener Erzbischofs Christoph Schönborn ist der Friede dahin. Höchste Nervosität regiert.

In einem Einzelzimmer der Station 4A der psychiatrischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses in Wien befindet sich Frater Konstantin (Name geändert, Red.) seit der Karwoche in stationärer Behandlung. Zweimal täglich werden Pharmakeulen wie Paroxat oder Trittiko gegen seine „tiefe Traurigkeit“ und „schweren Depressionen“ eingesetzt. Frater Konstantin ist Ende 30, übergewichtig, sehbehindert und am Ende seiner Kräfte: „Mein Vertrauen ins klösterliche Leben ist nicht nur erschüttert, sondern zerstört. Ich kann und will nicht mehr. Ich hoffe, dass man mir wie versprochen eine betreute Wohngemeinschaft vermittelt und eine Arbeit im Computerbereich.“ Die Wochenenden verbrachte er zuletzt im Kloster, doch der Aufenthalt dort belaste ihn immer aufs Neue: „Sobald ich weg und hier im Krankenhaus bin, geht es mir wieder besser.“

Konstantin versuchte, sein Problem innerhalb der klösterlichen „Familie“ zu lösen, im Beichtstuhl, durch Ratsuchen bei Mitbrüdern, bei der kirchlichen Ombudsstelle für Opfer von sexuellem Missbrauch, bei mehreren Psychiatern. Schließlich sahen er und einige seiner Mitbrüder nur noch eine Möglichkeit, mit den Vorkommnissen umzugehen: den Gang an die Öffentlichkeit.

Frater Konstantin berichtet, Bischofsvikar Andreas Pfeifer (Name von der Redaktion geändert), Kardinal Schönborns Stellvertreter für den Süden der Diözese „unter dem Wienerwald“, habe ihn im Herbst 2005 zunächst in die pfarrhöfliche Sauna nach Sittendorf und danach in die Gemächer der Pfarre Alland mitgenommen. Dort habe er eine Flasche Whisky geöffnet, um ihn danach „zu masturbieren“, was er selbst, Konstantin, „gelähmt“ über sich ergehen habe lassen müssen. Danach habe er wochenlang erfolglos versucht, die Sache zu vergessen, und sich schließlich in psychiatrische Behandlung begeben. Kardinal Christoph Schönborn wisse seit Langem davon, doch passiert sei nichts.

Schönborn informiert. Tatsächlich wurde Schönborn sowohl vom Psychiater Max Friedrich (als Leiter der kirchlichen Ombudsstelle für Opfer sexuellen Missbrauchs) wie auch von Abt Henckel-Donnersmarck über die Causa informiert. Bischofsvikar Pfeifer erklärte gegenüber profil, da sei „nichts gewesen“. Genauer gesagt erinnere er sich nicht mehr, schließlich „waren wir beide ja besoffen“.

Erich Leitenberger, Sprecher von Christoph Schönborn, erklärt gegenüber profil, er könne sich nicht vorstellen, dass der Kardinal zu dieser Causa Stellung nehmen werde.

Frater Konstantin stammt aus Deutschland und kam erstmals 1993 als Novize nach Heiligenkreuz. Seine damaligen Freunde hatten ihn vor dem Eintritt in ein Kloster gewarnt, weil es dort so viele Homosexuelle gebe. Doch Konstantin hielt dies für ein Vorurteil. „Heute nicht mehr“, sagt er. Wiewohl man festhalten müsse, dass es auch sehr viele Mönche gebe, die tatsächlich nach nichts anderem als spiritueller Erfüllung strebten.

Schon im Oktober 1993 kam es laut Frater Konstantin zu einem ersten Übergriff: Pater K. habe ihn auf dem Gang in eine Ecke gezerrt und „an den Genitalien berührt“. Frater Konstantin: „Ich war total gelähmt. Ich habe das einfach nicht verstanden. Mein Glaube wurde dabei nicht erschüttert, doch meine Erwartungen vom Kloster waren gestört.“

Er habe sich an Mitbrüder gewandt, auch an den jetzigen Abt und damaligen Pater Gregor. Dieser habe ihm nur geraten, die Oberen über die wahren Gründe zu informieren, sollte er aus dem Kloster austreten. Henckel-Donnersmarck erinnert sich heute nicht mehr daran. Der damalige Abt Gerhard reagierte prompt und entfernte Pater K. umgehend aus dem Kloster. Konstantin begab sich erstmals in Psychotherapie.

Nach dem Noviziat kehrte Konstantin nach Bochum zurück, bevor ihn Abt Gerhard 1995 wieder nach Heiligenkreuz rief, weil er einen Gehilfen für den „Gästemeister“ benötigte. Konstantin freute sich, gebraucht zu werden, und es folgten klösterliche Jahre, die er heute nicht missen möchte. Konstantin war zwar nicht unbedingt die Geselligkeit in Person und hielt nie viel von den weltlichen „Faxen“ einiger Mitbrüder wie dem Bodybuilding-Training in der klösterlichen Kraftkammer, in der auch Jugendliche von außerhalb des Klosters ein- und ausgingen, doch abgesehen davon war er „ganz zufrieden“.

Saunabesuch. Am 14. September 2005, man feierte „Kreuzerhöhung“, habe Kardinal Schönborns Bischofsvikar Andreas Pfeifer ihn, Konstantin, in die Sauna von Pater Augustinus in Sittendorf – wo auch immer wieder Gäste aus dem Ort gesehen worden sein sollen – eingeladen. Nach den Saunagängen, so die Schilderung von Frater Konstantin, habe ihn Pfeifer noch in dessen Pfarre nach Alland mitgenommen. „Ich dachte, er wollte mit mir reden“, erzählt Konstantin. In Alland habe Pfeifer eine Flasche Whisky hervorgeholt, und man habe einiges getrunken. Konstantin: „Plötzlich hat er sich auf das Bett gelegt, und ich musste mich auf ihn legen. Dann hat er meine Hose ausgezogen und begonnen, mich zu masturbieren. Ich hatte wieder diese totale Lähmung. Ich sagte, das funktioniere bei mir nur mit Frauen. Doch er hat eine Zeit lang einfach weitergemacht. Bevor er dann einschlief, sagte er noch, er werde mich eben morgen wachküssen.“ Doch er, Konstantin, sei am nächsten Morgen schon sehr früh aufgestanden, um dem zu entgehen.

Konstantin sagt, er habe das Erlebnis zu verdrängen versucht, „bis es nicht mehr ging“. Er habe „eine tiefe Traurigkeit gefühlt“ und sei sich selbst „so schmutzig vorgekommen“. Ab Ende Oktober 2005 ließ er sich schließlich von einem Psychotherapeuten in Baden bei Wien behandeln. Im Frühjahr 2006 bat Frater Konstantin schließlich Bischofsvikar Pfeifer, ihn zu seinem Therapeuten zu begleiten. Dort erklärte Pfeifer (was er auch im profil-Gespräch bestätigt), nicht ausschließen zu können, „dass da etwas war“, doch glaube er es nicht. Er könne sich nicht erinnern, man sei ja alkoholisiert gewesen.

Frater Konstantin begab sich nun auch zur kirchlichen Ombudsstelle für sexuelle Missbrauchsopfer. Deren Leiter, der Psychiater Max Friedrich, informierte Kardinal Christoph Schönborn im Frühjahr 2006 über die Causa. Friedrich: „Das ist das normale Prozedere. Wir hören die Menschen an, informieren unsere Auftraggeber und helfen, so gut wir können.“

Die angebotene Hilfe bezog sich hauptsächlich auf materielle Unterstützung bei einem Austritt aus dem Kloster.

In der Karwoche 2007 ging es Frater Konstantin schließlich so schlecht, dass er in der Psychiatrie des Wiener AKH stationär aufgenommen wurde. Am Osterdienstag besuchte ihn Abt Henckel-Donnersmarck und fiel aus allen Wolken, als er erstmals Konstantins Geschichte hörte. Umgehend sprach er bei Schönborn vor. Dieser soll laut Frater Konstantin erklärt haben, es handle sich um erwachsene Personen, die selbst wissen müssten, was sie zu tun hätten. Außerdem sei dies alles strafrechtlich nicht relevant, und daher dürften keinesfalls die Medien eingeschaltet werden. Frater Konstantin behauptet, er habe diese Aussage vom Prior in Heiligenkreuz erfahren, der wiederum vom Abt informiert worden sei. Weder der Prior noch der Abt stellen diesen Umstand gegenüber profil in Abrede. Auch der beschuldigte Bischofsvikar Andreas Pfeifer bestätigt, nach wie vor das volle Vertrauen des Kardinals zu haben. Pfeifer zeigt sich selbst betroffen von den Vorwürfen. Er könne sich nicht erklären, warum Frater Konstantin ihm durch Verbreitung von Unwahrheiten schaden wolle.

Klosterausstieg. Abt Henckel-Donnersmarck bleibt zwar dabei, dem aus dem Kloster ausscheidenden Frater Konstantin beim Aufbau einer Existenz unterstützen zu wollen. Doch greift er ihn im profil-Gespräch persönlich massiv an: Dieser Mann habe ohnehin nie wirklich am klösterlichen Leben teilgenommen, sei nur „zum Essenabholen erschienen“, nicht einmal zum Gebet sei er aufgestanden, „aber für das Gasthaus hat er schon Zeit gehabt“.

Auch Schönborn-Sprecher Leitenberger stellt die Glaubwürdigkeit Konstantins in Abrede und sieht dessen psychische Krankheit eher als Ursache für die Verbreitung seiner Behauptungen denn als Folge der Übergriffe. Leitenberger: „Er ist krank. Vielleicht ist er schon als Kind missbraucht worden. Offenbar erträgt er das klösterliche Leben nicht. Er hat es versucht und ist daraufgekommen, dass es nicht das Richtige für ihn ist.“

Was Leitenberger übersieht: Wollte Frater Konstantin nur einem Mitbruder schaden, dann hätte er schon früher Unwahrheiten verbreiten können und hätte nicht in Beichtstühlen und bei der Ombudsstelle Hilfe suchen müssen. Und er hätte seinen „Verführer“ wohl kaum darum gebeten, ihn zum Psychiater zu begleiten. Außerdem bestätigen anonym bleiben wollende Personen aus dem Klerus die „Vorgänge“.

Für Leitenberger steht in der Causa jedenfalls „Aussage gegen Aussage“. Mehr nicht. Und er verteidigt die Haltung von Christoph Schönborn. Auch Abt Henckel-Donnersmarck sieht die Angelegenheit wie der Kardinal: „Ich würde ihm eine Watschn runterhauen. Aber mich ist noch nie ein Homosexueller angegangen. Wohl weil ich ein schiacher Hund bin.“

Von Emil Bobi