Affäre Uwe Scheuch: Von BZÖ und BMW

Affäre: Zwischen BZÖ und BMW

Ungarn suchte den BZÖ-Sprecher per Haftbefehl

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Die ländlich beschauliche Donaustadt Baja in Südungarn nahe der serbischen Grenze lässt Uwe Scheuch nicht mehr los. Zu gerne würde er den Ort nur mit seinem „vorigen“ Leben verbinden, als der jetzt 36-jährige Kärntner Landwirt und Haider-Freund noch nicht in der Politik war, noch kein Abgeordneter zum Nationalrat, noch nicht Generalsekretär der FPÖ, die gegen die nach Österreich überschwappende Ostkriminalität wetterte, bevor Scheuch schließlich Sprecher der Regierungspartei Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) wurde. In diesem vorigen Leben war Scheuch drei Jahre lang – von September 1997 bis September 2000 – Geschäftsführer des landwirtschaftlichen Unternehmens Green 2000 GmbH in Baja, wo das traditionelle jährliche Fischsuppen-Fest zu den aufregendsten Momenten zählt. Doch die Vergangenheit hat Scheuch eingeholt.

Scheuchs Abgang aus Baja gestaltete sich hektisch: Mit seiner Ausreise im August 2000 entging er seiner Verhaftung nur knapp. Die ungarische Polizei hatte den heutigen BZÖ-Sprecher per Haftbefehl zur Fahndung ausgeschrieben. Begründung: dringender Verdacht auf Versicherungsbetrug durch Autoverschiebungen.

Im Dezember 1999 hatte Uwe Scheuch seinen damals nagelneuen Leasing-Wagen, einen BMW, in Ungarn als gestohlen gemeldet und einen neuen Wagen bestellt (siehe profil 26/05). Im Mai 2000, nur fünf Monate später, meldete einer seiner Geschäftspartner einen Toyota Lexus, eine Luxuskarosse, ebenfalls als gestohlen. Kaum drei Monate danach, im August 2000, kurz bevor Scheuch Ungarn ohnehin wieder den Rücken kehren wollte, erstattete der österreichische Parlamentarier schon wieder eine Diebstahlsanzeige. Das erst kurze Zeit davor gelieferte Ersatzfahrzeug für den ersten laut Scheuch gestohlenen Wagen, diesmal ein schwarzer BMW 330 d mit dem Kennzeichen SP 992 BE, sei ebenfalls abhanden gekommen.

Jozsef Tibor Liska, technischer Leiter und Untergebener Scheuchs bei der Green 2000 GmbH, hat nach den Erkenntnissen der ungarischen Justiz und laut seines eigenen Geständnisses Scheuch bei der Vorbereitung der Tat geholfen, ist dafür drei Monate in Untersuchungshaft gesessen und wurde in erster Instanz wegen Beihilfe zum Betrug verurteilt. In zweiter Instanz wurde das Liska angelastete Delikt auf „Beihilfe zur Irreführung der Behörde“ korrigiert und die Strafe herabgesetzt. Scheuch selbst wurde nie gefasst und konnte daher auch nicht persönlich vernommen werden. Doch die Beweislage war nach Ansicht des Gerichts auch ohne Scheuchs Aussage zwingend und eindeutig.

Urteilsbegründung. Laut dem Urteil des Gerichts der Stadt Baja vom 28. Februar 2002 (3.B. 215/2001/13) und dem rechtskräftigen Urteil des Berufungsgerichts des Komitats Bacs-Kiskun, Kecskemet vom 13. November 2002 (1.Bf.428/2002/4) sowie den aktuellen Aussagen der leitenden Staatsanwältin von Baja, Csancidire Dr. Pestality Ibolya, sowie den Aussagen des zuständigen Beamten der Polizei in Baja, Elmer Mark (beide haben vergangene Woche gegenüber profil Stellung genommen), hat sich Folgendes abgespielt: „Uwe Scheuch hat im August 2000 beschlossen, sein Fahrzeug zu veräußern und bei der Polizei eine Meldung mit unwahrem Inhalt zu erstatten, wonach das Fahrzeug gestohlen wurde … Aufgrund der Anzeige mit unwahrem Inhalt erstattete Uwe Scheuch bei der Interunfall RAS Versicherung eine Schadensmeldung und führte die Versicherungsgesellschaft, um sich unrechtmäßig einen Nutzen zu verschaffen, irre“, so die Urteilsbegründung gegen Scheuchs mutmaßlichen Helfer Liska.

Staatsanwältin Ibolya zu profil: „Mir ist es gesetzlich untersagt, über Details der Causa zu sprechen, aber der Inhalt der Ihnen vorliegenden Gerichtsdokumente ist selbstverständlich absolut korrekt und nach wie vor gültig.“

Polizeijurist Elmer Mark zu profil: „Der vom Gericht dargestellte Sachverhalt ist in jeder Einzelheit zutreffend und aufrecht. Wir haben nach Herrn Scheuch per Haftbefehl gefahndet, sind seiner aber leider nicht habhaft geworden und haben dann die Sache der Staatsanwaltschaft übergeben.“ Für einen internationalen Haftbefehl habe der Tatbestand nicht ausgereicht, weil Scheuch auf ungarischem Territorium nur eine falsche Anzeige eingebracht, der Betrugsversuch sich aber gegen ein österreichisches Unternehmen gerichtet habe. Und die „Vorbereitung“ einer betrügerischen Handlung, die Scheuch in Ungarn durchgeführt habe, sei nach ungarischem Recht nicht strafbar.

Alles dreht sich um den 8. August 2002. Scheuchs mutmaßlicher Helfer Jozsef Liska hat nach seiner Verhaftung behauptet, Scheuchs BMW an diesem Tag über die Grenze ins serbische Bajmok gebracht und dort einer Kontaktperson für einen nicht näher definierten Geldbetrag übergeben zu haben. Danach sei er zu Fuß nach Ungarn zurückgekehrt. Am Abend desselben Tages sei er wie geplant mit Scheuch in einem anderen Auto in die nahe gelegene Stadt Pecs gefahren, um dort bei der Polizei anzuzeigen, dass der BMW an diesem 8. August irgendwann vor Mitternacht vor einer Konditorei in Pecs gestohlen worden sei. Liska sagte später aus, Scheuch habe auf diese Weise geplant, seine Versicherung in Österreich zu betrügen.

„Schmutzkübelkampagne“. Uwe Scheuch beteuerte in mehreren Gesprächen mit profil, „mit der ganzen Sachen absolut nichts zu tun“ zu haben. Es handle sich um eine „Schmutzkübelkampagne“ gegen seine Person, er habe nichts mit der serbischen Automafia zu tun, er sei selbst bestohlen worden, allem Anschein nach von Liska selbst, und vor allem sei er niemals von einer Behörde in dieser Sache kontaktiert und um seine Perspektive gefragt worden. Weder in Ungarn noch in Österreich.

Somit stütze sich die ungarische Justiz auf eine „mehr als dubiose Aussage eines Einzelnen“. Er, Scheuch, habe in Ungarn „viel gesehen, was da alles möglich ist, und ich weiß nicht, wie ehrlich die Behörden dort arbeiten“.

Warum sich die ungarischen Behörden auch ohne Scheuchs Einvernahme so sicher sind, hat einen einfachen Grund, den Uwe Scheuch persönlich schwarz auf weiß geliefert hat: Am 8. August war Jozsef Liska den Grenzbeamten verdächtig erschienen, als der einfach gekleidete Mann mit dem auffallend luxuriösen BMW am frühen Nachmittag über die Grenze nach Bajmok fuhr, um einige Zeit später zu Fuß zurückzukehren. Die Beamten erstatteten Meldung an die Polizei. Etwa acht Stunden später betrat Scheuch gemeinsam mit dem zurückgekehrten Liska den Polizeiposten in der Stadt Pecs und behauptete, seinen BMW an diesem Tag zu einem Zeitpunkt – gegen 21.00 Uhr – in Pecs abgestellt zu haben, als das Auto längst nicht mehr im Land war. Der von Scheuch persönlich zu Protokoll gegebene Inhalt der Anzeige war also nach dem Verständnis der ungarischen Polizei unwahr. Dass Scheuch selbst bestohlen worden sein konnte, war damit auszuschließen. Und weil Scheuch danach tatsächlich eine Schadensforderung bei seiner Versicherung in Österreich einbrachte, lag der Verdacht auf versuchten Versicherungsbetrug für die Behörde auf der Hand.

Bald darauf wurde Liska verhaftet. Gegen Scheuch wurde ein Haftbefehl erlassen. Doch der war längst in Österreich.

Mittlerweile hatte das österreichische Unternehmen, bei dem Scheuch seinen BMW versichert hatte, von den Ermittlungen erfahren und weigerte sich nun, die zweite Hälfte der Schadenssumme an die betroffene Leasingfirma zu überweisen, weil es „Obliegenheitsverletzungen“ gegeben habe. Scheuch klagte die Versicherung voller Selbstsicherheit. An diesem Montag findet in Wien eine Prozessrunde statt.

Jozsef Liska, der nach wie vor bei der Green 2000 GmbH in Baja beschäftigt ist, erklärte im profil-Gespräch, er arbeite daran, „diese schwierige Zeit zu überwinden. Aber es wundert mich schon, welche Karriere diese Person (Scheuch, Anm.) mittlerweile in Österreich gemacht hat“.

Ob die Ungarn den Sachverhalt den österreichischen Behörden bekannt gegeben haben und, wenn ja, warum dann gegen Scheuch in Österreich nicht ermittelt wurde, war bis Redaktionsschluss noch nicht zu eruieren. Jedoch signalisiert sowohl Polizei als auch Staatsanwaltschaft gegenüber profil hohes Interesse an dem dargestellten Sachverhalt.

BZÖ-Sprecher Uwe Scheuch selbst verweist auf profil-Anfrage immer wieder darauf, nie gefragt worden zu sein. Somit sei das eine Frage der Glaubwürdigkeit: „Ich habe eine anerkannte Herkunft, bin ziemlich wohlhabend und stehe mit beiden Beinen im Leben. Als ich eineinhalb Jahre alt war, ist mein Vater gestorben, mit zwölf musste ich bereits den Hof übernehmen, habe also in meinem Leben schwere Entscheidungen zu treffen gehabt. Ich sehe die Grundlage nicht, warum ich so was getan haben soll. Ich bin ein rechtschaffener Mann.“ Im Zusammenhang mit seiner politischen Funktion werde es „nicht eng, weil ich nichts getan habe“, und daher sei das alles „irrelevant“.

Von Emil Bobi