Anschuldigungen

AKH: Schuldzuweisungen

Untersuchungs-bericht über die AKH-Frauenklinik

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Das Klima an der Wiener Universitätsfrauenklinik ist mehr als nur angespannt. Nachdem Klinikvorstand Peter Husslein im vergangenen September zwei seiner Kollegen wegen angeblich falscher Abrechnungen in Millionenhöhe bei der Staatsanwaltschaft angezeigt hatte (profil 37/03), wehren sich diese nun mit Privatklagen gegen Husslein. Sie sehen sich durch einen Bericht der internen Revision des Allgemeinen Krankenhauses (AKH) entlastet und fordern von Husslein eine Ehrenerklärung. Dieser aber sieht seine Vorwürfe durch das Untersuchungsergebnis bestätigt. Zwar erhebt der Bericht keine Vorwürfe gegen konkrete Personen, aber er zeigt tatsächlich fragwürdige, allerdings allgemein übliche Abrechnungspraktiken auf und ortet dringenden Handlungsbedarf.

Husslein versucht als für seine Klinik Verantwortlicher schon seit zwei Jahren, Licht in – seiner Ansicht nach aufklärungsbedürftige – Abrechnungsvorgänge in der zu seiner Klinik gehörenden Abteilung für Pränatale Diagnostik und Therapie zu bringen. Deren Leiter, Universitätsprofessor Gerhard Bernaschek, ist zusammen mit Josef Deutinger, einem weiteren Professor seiner Abteilung, auch geschäftsführender Gesellschafter des privaten Wiener Diagnoseinstituts Gynschall.

Der Hauptvorwurf Hussleins: Bernascheks linke Hand (das Institut Gynschall) habe an Bernascheks rechte Hand (die von ihm geführte Abteilung im AKH) durch viele Jahre hindurch Fruchtwasserproben zur Diagnose und Befundung eingesandt, ohne dass diese ordnungsgemäß abgerechnet worden seien. Auch habe das Institut Gynschall Blutproben mit Krankenschein an das Zentrallabor des AKH eingesandt, obwohl die Kasse die verlangten Hormonuntersuchungen nicht bezahle.

Auf diese Weise, so Hussleins Vorwurf, hätten sich Bernaschek und Deutinger Laborleistungen des AKH günstig verschafft, um sie über ihr Privatlabor teuer zu verkaufen. Und sie hätten das AKH per mitgeschicktem Krankenschein über die Verrechenbarkeit der von ihnen bestellten Tests „getäuscht“, wodurch das Spital einen finanziellen Nachteil erlitten habe.

Bernaschek und Deutinger bestreiten die Anschuldigungen. Entgegen den Vorwürfen seien sie es gewesen, die immer wieder darauf gedrängt hätten, dass die Abrechnungen an ihrer Abteilung von sachkundigem Personal durchgeführt werden. Bernaschek: „Wir haben unseren Patientinnen auch nie Leistungen, die von der Kasse bezahlt werden, in Rechnung gestellt.“ Der Untersuchungsbericht attestiert den beiden Professoren, jedenfalls auf die Abrechnungen keinen wie immer gearteten Einfluss genommen zu haben.

Klinikchef Husslein hingegen sieht seine Vorwürfe durch den internen Untersuchungsbericht „inhaltlich bestätigt“. Der Bericht zeige sogar auf, dass im AKH viele Untersuchungen durchgeführt würden, die weit außerhalb des Aufgabengebiets des Spitals lägen – darunter etwa Hormonuntersuchungen, die aus Kärntner oder niederösterreichischen Spitälern via Gynschall eingeschickt wurden. Das AKH wolle die Situation „schönreden“, weil man sonst zugeben müsste, dass durch unsinnige Vorgaben ein Selbstbedienungsladen geschaffen wurde, den private Gesundheitsanbieter zum Schaden der Allgemeinheit nach Kräften ausnützen würden.

In großem Stil. Faktum ist, dass der ärztliche Leiter des AKH, Reinhard Krepler, die Einsendepraktiken durch Gynschall schon im Vorjahr abgestellt hat, „weil diese Leistungen auch von privaten Anbietern erbracht werden“, wie er jetzt sagt. Bei einem diesbezüglichen „Gipfelgespräch“ im Gesundheitsreferat der Stadt Wien schwante auch SPÖ-Gesundheitsstadträtin Elisabeth Pittermann, dass vom AKH womöglich in großem Umfang Leistungen erbracht werden, die durch keine wie immer geartete Verrechnung gedeckt sind. So kritisiert der interne Revisionsbericht das Fehlen jeglicher Regelung darüber, ob und welche externen Einsendungen das AKH annehmen muss und wie die verlangten Leistungen abzurechnen sind.

Diese Grauzone entstand durch eine Neuordnung der Verrechnung von Ambulanz- und Laborleistungen ab dem 1. Jänner 1997. Wurden diese Leistungen zuvor einzeln mit der Kasse abgerechnet, so gibt es seither einen Pauschalbetrag, mit dem die Kassen alle vom AKH erbrachten ambulanten Leistungen abdecken, zu denen auch eingesandte Blut-, Gewebs- oder Fruchtwasserproben zählen. In der Praxis bedeutete das, dass jeder niedergelassene Arzt oder auch jedes andere Krankenhaus Proben zur Untersuchung ans AKH schicken konnte. Und sobald mit der Probe ein Krankenschein oder eine Laborzuweisung mitgeschickt wurde, galt die durch das AKH erbrachte Leistung als abgegolten – auch wenn das AKH dafür nie auch nur einen Cent sah.

Diese übliche Praxis ebenfalls angewandt zu haben, sei ihnen nicht vorzuwerfen, argumentieren die Gynäkologen Bernaschek und Deutinger. „Das ist gang und gäbe im ganzen AKH“, rechtfertigt sich Bernaschek. Täglich würden tausende Proben mit Krankenschein oder einer Facharztzuweisung eingeschickt. Bernaschek und Deutinger drehen jetzt den Spieß um und unterstellen Husslein unlautere Motive für dessen Beschuldigungen: „Er arbeitet seit zwei Jahren auch im Bereich Pränataldiagnostik, für den er nicht qualifiziert ist. Er hat mittlerweile vier Privatordinationen und Institute in Wien und in Krems. Deshalb will er uns vernichten.“ Husslein pocht auf seine Verantwortung als Klinikchef und leugnet seine Konkurrenzinteressen gar nicht: „Aber die durch Gynschall im AKH beschafften Gratisbefunde sind für mich unlauterer Wettbewerb.“