„Alle Parteien pflegen den Populismus“

Interview. Der Industrielle Hannes Androsch über den Budgetentwurf der Regierung und sein Bildungsvolksbegehren

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Interview: Herbert Lackner

profil: Herr Doktor Androsch, wann kann man denn Ihr Bildungsvolksbegehren unterschreiben?
Androsch: Derzeit kann man sich auf www.vbbi.at registrieren lassen. Das gilt allerdings nicht als rechtsgültige Unterstützungserklärung. Diese wird erst möglich sein, wenn ein entsprechendes Formular vorliegt, voraussichtlich ab Jänner. Dann gilt es, 8032 rechtsgültige Unterschriften zu sammeln, mit denen die Einleitung des Volksbegehrens beantragt werden kann. In der Folge wird das Volksbegehren in einer vom Innenministerium festgelegten Woche zur Unterschrift aufliegen – darauf haben wir keinen Einfluss. Unsere Wunschwoche wäre irgendwann im Mai.

profil: Für eine derartige Aktion braucht man auch Leute – oder können Sie auf eine Organisation zurückgreifen?
Androsch: Natürlich brauchen wir ein Mindestmaß an Infrastruktur, aber da haben wir schon einiges vorbereitet, das ist schon im Laufen.

profil: Läuft da vielleicht auch eine Partei ein wenig mit, zum Beispiel die SPÖ?
Androsch: Das hat mit einer Partei nichts zu tun, auch nicht mit der SPÖ. Das ist eine rein überparteiliche Aktion.

profil: Und was werden die Hauptforderungen sein?
Androsch: Sicher die Verlagerung des Schulwesens in die Bundeskompetenz, wie das alle Experten verlangen, eine straffere Schulorganisation und alles, was bildungspolitisch sinnvoll ist. Das Gleiche gilt für die Universitäten.

profil: Mit freiem Hochschulzugang, oder sind Sie für Studiengebühren?
Androsch: Teilweise haben wir ja bereits keinen freien Zugang – wir haben ihn nicht bei den Kunsthochschulen, nicht beim Medizinstudium, nicht beim Studium der Psychologie, nicht bei den Fachhochschulen. Wenn es Kostenbeiträge geben sollte, dann muss es aber auch eine entsprechend großzügige Studienförderung geben.

profil: Sie sind nicht grundsätzlich gegen Studiengebühren?
Androsch: Nicht grundsätzlich. Es soll -Beiträge aber nur in Verbindung mit einer großzügigen Studienförderung geben, damit niemand aus finanziellen Gründen auf ein Studium verzichten muss.

profil: Ist das Ihre Rückkehr in die Politik?
Androsch: Ich war in meinem Selbstverständnis als Citoyen nie aus der Politik weg.

profil: Sie waren ein politischer Mensch, aber nicht aktiv. Jetzt sind Sie es wieder.
Androsch: Ein politisches Amt habe ich auch jetzt nicht. Ich bin ja nur die Galionsfigur, um einen Engpass zu überwinden, damit die Zukunft nicht verloren wird.

profil: Jetzt machen Sie sich klein. Wenn auf einem Volksbegehren „Hannes Androsch“ draufsteht, ist das natürlich etwas anderes, als wenn Franz Pimplhuber draufsteht.
Androsch: Aber es ist kein politisches Amt. Wenn ich seit meinem Ausscheiden aus der Regierung eine offizielle Amtsfunktion hatte, dann war es die des Regierungskommissärs bei der EXPO. Heute ist es so, dass die zwei für Bildung zuständigen Ministerinnen Unterstützung brauchen, um eine Aufteilung Österreichs in bildungspolitische Schrebergärten verhindern zu können – und auch, damit sie in ihrem Kampf gegen die Bildungsblockierer erfolgreich sein können.

profil: Wer sind diese Blockierer?
Androsch: Es ist eine kleine Gruppe von Funktionären der Lehrergewerkschaft, die Privilegien verteidigen, sich aber nicht um die Schüler und das Bildungsniveau kümmern, wie die PISA-Studien belegen. Und das sind jene Bundesländer, die alles verländern und das Geld des Bundes nicht rechenschaftspflichtig ausgeben wollen. Zur Spitalsreform hat Gesundheitsminister Stöger die richtigen Vorschläge gemacht, und die schwarzen Länder sind ihm sofort wieder in die Parade gefahren, ohne Diskussion, ohne ernsthafte Prüfung der Vorschläge. Ausgerechnet der in die Probleme der Landes--hypo Niederösterreich verwickelte Finanzlandesrat hat das Reformmodell mit einem Rülpser vom Tisch gewischt. Und dafür wirft ihnen die Regierung noch einen großen Teil des Gelds aus der Bankenabgabe nach. Das versteht wirklich niemand mehr.

profil: Beraten Sie jemanden in der Politik, den Bundeskanzler zum Beispiel?
Androsch: Wann immer er mich fragt, sage ich gerne meine Meinung, aber ich bin kein Berater. Noch weniger bin ich ein Spindoktor und noch weniger ein Lobbyist.

profil: Fragt er Sie oft?
Androsch: Das ist verschieden.

profil: Aber dann geben Sie natürlich immer gerne Auskunft …
Androsch: Wenn möglich ja, aber ich gehe davon aus, dass der Herr Bundeskanzler verschiedene Meinungen einholt und danach entscheidet.

profil: Ihr löbliches Bildungsvolksbegehren wird den Rechtspopulismus auch nicht in Schach halten, der sich in Wien wieder als ziemlich lebensfähig erwiesen hat.
Androsch: Tatsache ist, dass es sehr viele frustrierte Staatsbürger gibt, die entweder nicht wählen oder aus Protest FPÖ wählen. Aber wenn man glaubt, Strache sei der einzige Populist, macht man es sich zu einfach.

profil: Wo sind noch Populisten?
Androsch: Überall. Alle Parteien pflegen den Populismus und vernachlässigen die Wirtschaftspolitik. Jeder weiß, wie man verteilt, was man nicht hat, aber nur wenige zerbrechen sich den Kopf darüber, wie etwas zum Verteilen geschaffen werden kann.

profil: Meinen Sie damit auch den aktuellen Budgetentwurf?
Androsch: Da schließe ich mich zur Gänze den Aussagen des Rechnungshofpräsidenten an.

profil: Also: Es wird zu wenig eingespart.
Androsch: Die Sparvorschläge sind ein Versuch für die Gegenwart, aber ich kann keine Strategie für die Zukunft erkennen. Seit Monaten machen die Experten Vorschläge und verweisen auf Gefahren – alles in den Wind gesprochen. Die einzige Reaktion ist das Kopf-in-den Sand-Stecken. Es gehören endlich die Missbräuche beseitigt. Es gibt bei uns laut Rechnungshof ein Einsparungspotenzial von 18 Milliarden Euro. Das wäre genug für die Beseitigung des strukturellen Defizits, für die Altersversorgung und für die Zukunftsaufgaben in Bildung, Wissenschaft und Forschung.

profil: Warum macht das dann niemand?
Androsch: Weil die zum Handeln Verpflichteten entscheidungsscheu geworden sind – oftmals sogar die Sozialpartner. Die Hacklerregelung ist ein Unfug, der ursächlich aus den Biennalsprüngen resultiert. Ein älterer Mitarbeiter ist teurer als ein junger, also schaut man, dass man die älteren in die Pension abdrängt, und bürdet die Kosten dafür dem Bundesbudget auf.

profil: Die Biennalsprünge bei den Beamten sollen fallen?
Androsch: Wenn gleicher Lohn für gleiche Arbeit eine Maxime ist, dann natürlich. Biennalsprünge haben mit Leistungsorientierung nichts zu tun.

profil: Ist das politische System handlungsunfähig geworden?
Androsch: Es sieht oft danach aus. Auch muss man zugestehen, dass Regieren schwieriger geworden ist. Das erkennt man in vielen Ländern Europas, aber noch haben wir die Chance, aus eigener Kraft unsere Probleme zu lösen und unsere Zukunft zu gestalten. Vieles gleicht Symptomkuren, indem Rostteile ein bisschen mit Farbe überpinselt werden. Ursächlich wurde aber bis jetzt kein einziges Problem gelöst. Ob Spitäler, ob Pensionen, ob Verwaltungsreform, ob Bildung: Wir diskutieren über all das jetzt schon seit 20 Jahren, nichts geht aber weiter. Vielmehr haben sich in diesen beiden Jahrzehnten die öffentlichen Haushalte dramatisch verschlechtert. Wir verbrauchen inzwischen, bildlich gesprochen, schon unser Saatgut für künftige Ernten. Die Babyboomer-Generation, die jetzt in ihrem Aktiv-alter ist, lebt so bereits auf Kosten der nachkommenden Generationen. Das kann nicht gut gehen.

profil: Zurück zum Bildungsvolksbegehren: Wie wollen Sie denn die eher bildungsfernen Schichten, die in Wien Strache gewählt haben, dafür begeistern?
Androsch: Bildung betrifft jeden. Wenn die Pflichtschulabsolventen mangels Bildungsvoraussetzungen nicht fähig zum Erlernen eines Berufs sind, dann betrifft das ganz massiv auch diese Wähler, weil ohne Ausbildung ihr ganzer Lebensweg ruiniert ist.

profil: Wie hätte eigentlich eine Regierung Kreisky/Androsch angesichts rechtspopulistischer Aufwallungen agiert?
Androsch: Ich hoffe, wir hätten in vielen Bereichen so agiert, dass diese Aufwallungen gar nicht erst entstanden wären.

profil: Haben Sie sich für Ihr Bildungsvolksbegehren eine Latte gelegt? Ab wie viel Unterschriften ist es denn ein Erfolg?
Androsch: Ich werde sicher keine Zahl nennen. Es sollen so viele Unterzeichner wie möglich sein. Ich mache das nicht für mich. Ich bin sozusagen über der Baumgrenze. Ich engagiere mich, weil mir die Zukunft unseres Landes nicht egal ist. Schlicht und einfach gesagt, geht es um die Zukunft unserer Kinder.

profil: Werden Sie auch noch ein paar Promis zusammentrommeln?
Androsch: Es ist jeder zum Mitmachen herzlich eingeladen und willkommen.