Alois Partl: Ein Mann außer Kontrolle

Alois Partl - Ein Mann außer Kontrolle: Ex-LH profitierte von Agrargemeinschaften

Ex-LH profitierte von Agrargemeinschaften

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Von Edith Meinhart

Es lag etwas von „High Noon“ in der Luft, als die beiden Männer vor einigen Jahren am einzigen Stammtisch im Ort aufeinandertrafen: Peter Riedmann, Bürgermeister von Lans, und Alois Partl, Ex-Landeshauptmann von Tirol und ein in der Wolle gefärbter Bauernbündler. Bei der Jagd sind sie die besten Freunde. Doch wenn es um Grund und Boden geht, kann es zwischen den beiden Männern ungemütlich knistern. Es war Partl, der die Lage nach Art soignierter älterer Herren entschärfte: „Peter, ich freu mich, dich zu sehen. Wir können über alles reden. Nur nicht über Agrargemeinschaften.“ Und Riedmann, ein gelernter Rechtsanwalt und auch kein jugendlicher Heißsporn mehr, biss sich auf die Lippen und rettete den sonntäglichen Stammtisch.

Dabei ist der Lanser Bürgermeister sonst nicht auf den Mund gefallen. In seiner Gemeinde im Süden von Innsbruck leben 900 Menschen. Zu den alteingesessenen Bauern gesellten sich in den vergangenen Jahrzehnten städtische Bildungsbürger, die vom Zentrum ins Grüne zogen und sich politisch eher vom Wirtschaftsbund der ÖVP als vom Bauernbund vertreten fühlen. Den Bauern aber gehören noch heute die meisten Gründe in der Gegend, und das ließen sie den Bürgermeister jedes Mal spüren, wenn er ein Stück Land brauchte, um einen Kanal oder einen Wasserspeicher zu errichten. 2005 riss Riedmann der Geduldsfaden. Er begann in den Medien über die „heimlichen Zweitregierungen“ herzuziehen – und löste damit ein Erdbeben aus.

Nicht zuletzt dank Riedmann kam die wahrscheinlich größte Vermögensverschiebung der Zweiten Republik ans Licht: Zwischen 2000 und 3000 Quadratkilometer Land – die Fläche Osttirols oder fünfmal die Fläche Wiens – rissen Tiroler Agrargemeinschaften in den Jahrzehnten nach dem Krieg rechtswidrig an sich (siehe Kasten). Die Geschädigten sind die Bürger. Weil Erlöse aus Baulandverkauf, Jagdpacht, Autobahnraststätten, Pisten- und Liftdienstbarkeiten von Bauern eingestreift werden, statt in die kommunalen Budgets zu fließen, zahlen sie mehr als nötig für Kindergärten, Gemeindewohnungen und Müllentsorgung.

Alois Partl ist Ehrenbürger von zwanzig Tiroler Gemeinden – unter ihnen Lans – und schon deshalb kein normaler Tiroler. In Lans kaufte er 1972 etwas mehr als 1700 Quadratmeter Bauland und stellte darauf sein Haus. Der ehemalige Landeshauptmann von Tirol (1987 bis 1993) musste das Grundstück allerdings nicht am freien Markt erwerben; auch das unterscheidet ihn von vielen seiner Landsleute. Wie aus dem profil vorliegenden Kaufvertrag hervorgeht, kaufte er die geräumige Parzelle, auf der sich später auch für seinen erwachsenen Sohn noch ein Haus ausging, nämlich der Agrargemeinschaft Lans ab.

Spitzenpreis. Kein Wunder, dass Partl das Thema am Stammtisch lieber ausklammert: 1970 hatte Landeshauptmann Eduard Wallnöfer den Bauernbündler Alois Partl als Gemeindereferenten und Agrarlandesrat in die Regierung geholt. Partl war somit oberste Aufsicht und Behördenchef jener Agrargemeinschaft, von der er das Grundstück zwei Jahre später erwarb. Agrargemeinschaften sind öffentliche Körperschaften unter staatlicher Kontrolle. Wenn sie Bauland aus Gemeindegut verkaufen, sollten sie gemeinnützig, also nach sozialen Gesichtspunkten handeln. Partl war aber weder Mitglied der Agrargemeinschaft noch ein Sozialfall. Er zahlte für einen Quadratmeter 400 Schilling. Laut eigener Aussage sei das „im ganzen Mittelgebirge ein Spitzenpreis“ gewesen. Doch profil liegt auch die Urkunde eines Grundstückstauschs vor, derzufolge eine Bäuerin in Lans zur gleichen Zeit Freiland um 300 Schilling pro Quadratmeter eintauschte. Bauland und Freiland wurden damals im Verhältnis von eins zu vier, mitunter auch eins zu sechs, gehandelt. Entweder war der Grund der Bäuerin zu hoch bewertet – oder Partl erhielt sein Grundstück weit unter dem damaligen Verkehrswert.

Ob die Agrargemeinschaft Lans wirtschaftlich und zweckmäßig agierte, als sie Bauland um diesen Preis verkaufte, hätte die Agrarbehörde in Innsbruck prüfen müssen. Doch diese untersteht politisch dem Agrarlandesrat – und das war damals Partl. Ein weisungsgebundener Beamter hätte schon recht karrieremüde sein müssen, um dem prominenten Käufer auf die Finger zu klopfen. „Die Kontrolle war außer Kraft gesetzt“, urteilt ein Insider.

In Bauernhand. 1982 befand der Verfassungsgerichtshof, alles Gemeindegut, außer Wald- und Weidenutzung, gehöre den Gemeinden. Agrargemeinschaften dürften dieses bloß treuhändisch verwalten. In Tirol wurde das Erkenntnis jedoch flächendeckend ignoriert. Partl, zu dieser Zeit Agrarlandesrat, sagt, er sei „nur für technische Teilbereiche zuständig gewesen, um das ­Agrarrecht hat sich Landeshauptmann Wallnöfer gekümmert. Ich habe mit ihm nie über das Thema gesprochen.“ Insider halten das jedoch nicht für plausibel. Zwar war Partl, wie er selbst sagt, zu der Zeit, „als die Übertragungen und Regulierungen erfolgt sind“ – also Anfang der fünfziger Jahre –, noch Student. Aber spätestens als Direktor der Landwirtschaftskammer war er mit dem Thema intensiv befasst.
Es ist kein Geheimnis, dass die ÖVP in vielen Gemeinden vom Bauernbund dominiert war. Die Sitzungen der Agrargemeinschaften und des Gemeinderats fanden zwar zu verschiedenen Zeiten statt, es seien aber dieselben Leute dringesessen, sagt der Innsbrucker Verfassungsrechtler Karl Weber: „Ihre Idee war es, Grund und Boden in Bauernhand zu halten. Das weiß Partl genauso wie alle anderen.“ Wo Gemeinden sich nicht wehrten, etwa im Oberinntal, ist das den Agrargemeinschaften auch gelungen.

Als Gemeindereferent hätte Partl zudem dafür sorgen müssen, dass die Gemeinden die ihnen zustehenden Einkünfte erhalten. „Da kann er sich nicht abputzen“, sagt Weber. Stattdessen bereitete Partl 1984, zwei Jahre nach dem höchstrichterlichen Erkenntnis, eine Novelle zur Flurlandesverfassung vor, die sicherstellen sollte, dass an den Regulierungsbescheiden der fünfziger und sechziger Jahre nicht gerüttelt wird. 1987 wurde er Landeshauptmann. Wallnöfer hatte vom Krankenbett aus die Fäden gezogen, damit der konziliante, aber farblose Bauernbündler ins Amt kommt. Partl blieb bis zum Herbst 1993, dann machte er für den Reformer Wendelin Weingartner Platz.

Im Ruhestand frönt Partl wieder vermehrt der Jagd. Seit Jahrzehnten hat er die Kemater Alpe im Ausmaß von 1647 Hektar gepachtet – um zuletzt rund 11.000 Euro brutto im Jahr. Die Agrarbehörde hielt diesen Betrag 2006 jedoch für „deutlich unterpreisig“. Der neu gewählte Obmann der Agrargemeinschaft Kematen, Martin Schaffenrath, versprach, mit der „alten Freunderlwirtschaft“ aufzuräumen, und beauftragte einen Jagdsachverständigen, der den Wert der Jagd bei 23.000 Euro ansetzte. Ein Zivilprozess in dieser Causa ist anhängig. Der Karriere Schaffenraths bekam diese Aufmüpfigkeit nicht gut. 2006 wollte der junge ÖVP-Politiker für den Nationalrat kandidieren. Doch als der damalige, vom Bauernbund gestützte Landeshauptmann Herwig van Staa von dem Konflikt mit Partl erfuhr, strich er ihn kommentarlos von der Landesliste.

Etwa zu dieser Zeit traf der 36-jährige Schaffenrath, der bei der Landtagswahl 2008 auf der Liste des ÖVP-Dissidenten Fritz Dinkhauser wahlkämpfte, den Altlandeshauptmann in einem Gasthaus. „Du weißt gar nicht, was ich alles für die Agrargemeinschaften gemacht habe“, habe Partl ihn dort angefahren. Schaffenrath, der Jungspund, erwiderte kampflustig: „So viel wird es nicht gewesen sein.“ Daraufhin sei Partl „zuerst weiß und dann rot geworden vor Zorn“. High Noon in Kematen.

Fotos: Marc Beckmann